Übersetzung
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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
16. Von dem Übel der Lust, eines Gebrechens, dessen Name zwar Sammelname ist für viele Laster, im besondern aber von den Regungen geschlechtlicher Art in Gebrauch ist.
Es gibt also Lüste nach vielerlei Dingen; wenn jedoch von Lust schlechthin die Rede ist ohne Beifügung eines Gegenstandes, worauf sie sich richtet, so denkt man gewöhnlich nur an die Lust, durch welche die Schamteile aufgeregt werden. Diese Lust aber nimmt nicht nur den ganzen Leib, und zwar nicht äußerlich nur, sondern auch innerlich in Anspruch und regt den ganzen Menschen zumal auf, indem sich mit dem Begehren des Fleisches zugleich eine Gemütsbewegung verbindet und vermischt und so ein Genuß erfolgt, der unter den körperlichen Genüssen obenan steht; in einer Weise, daß in dem Augenblick, wo er seinen Höhepunkt erreicht, fast alles scharfe und umsichtige Denken niedergehalten wird. Aber jeder Freund der Weisheit und heiliger Freuden, der im Ehestande lebt, jedoch nach der Mahnung des Apostels1„sein Gefäß in Heiligkeit und Ehren zu besitzen weiß, nicht im Fieber der Begier, wie die Heiden auch, die Gott nicht kennen“, würde lieber, wenn es in seiner Macht stünde, ohne solche Lust Kinder erzeugen, so daß auch bei diesem Geschäft der Nachkommenschaftsgründung die hierfür erschaffenen Glieder in derselben Weise seinem Geiste dienstbar wären wie die übrigen je ihren besonderen Aufgaben dienenden Glieder, also nicht auf Anreizung durch hitzige Lust, sondern in Bewegung gesetzt durch den Wink des Willens. Aber selbst auch wer Freude hat an solchem Genuß, fühlt sich dazu nicht gerade immer dann angeregt, wann er will, gleichviel ob es sich um eheliche Beiwohnung oder um unlautere Schandtaten handelt; vielmehr stellt Band 16, S. 780sich diese Regung mitunter ungestüm ein, ohne daß ihrer jemand begehrte, zuweilen läßt sie den danach Schmachtenden im Stich und bleibt die Begierde im Körper kalt, während sie im Gemüte heiß entbrannt ist; und so versagt merkwürdigerweise nicht nur dem Zeugungswillen, sondern selbst der geilen Lust die Lust den Dienst, und während sie sich dem zügelnden Geist in ihrer Ganzheit meist widersetzt, teilt sie sich in der Richtung auf sich zuweilen selbst und bringt zwar das Gemüt in Erregung, wird aber sich selber untreu, wenn es sich um die körperliche Erregung handelt.
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1 Thess. 4, 4 f. ↩
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput XVI: De libidinis malo, cuius nomen cum multis uitiis congruat, proprie tamen motibus obsceni caloris adscribitur.
Cum igitur sint multarum libidines rerum, tamen, cum libido dicitur neque cuius rei libido sit additur, non fere adsolet animo occurrere nisi illa, qua obscenae partes corporis excitantur. haec autem sibi non solum totum corpus nec solum extrinsecus, uerum etiam intrinsecus uindicat totumque commouet hominem animi simul adfectu cum carnis adpetitu coniuncto atque permixto, ut ea uoluptas sequatur, qua maior in corporis uoluptatibus nulla est; ita ut momento ipso temporis, quo ad eius peruenitur extremum, paene omnis acies et quasi uigilia cogitationis obruatur. quis autem amicus sapientiae sanctorumque gaudiorum coniugalem agens uitam, sed, sicut apostolus monuit, sciens suum uas possidere in sanctificatione et honore, non in morbo desiderii, sicut et gentes, quae ignorant deum, non mallet, si posset, sine hac libidine filios procreare, ut etiam in hoc serendae prolis officio sic eius menti ea, quae ad hoc opus creata sunt, quemadmodum cetera suis quaeque operibus distributa membra seruirent, nutu uoluntatis acta, non aestu libidinis incitata? sed neque ipsi amatores huius uoluptatis siue ad concubitus coniugales siue ad inmunditias flagitiorum cum uoluerint commouentur; sed aliquando inportunus est ille motus poscente nullo, aliquando autem destituit inhiantem, et cum in animo concupiscentia ferueat, friget in corpore; atque ita mirum in modum non solum generandi uoluntati, uerum etiam lasciuiendi libidini libido non seruit, et cum tota plerumque menti cohibenti aduersetur, nonnumquam et aduersus se ipsam diuiditur commotoque animo in commouendo corpore se ipsa non sequitur.