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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
19. In dem gesunden Naturzustand vor der Sünde gab es die Seelenteile des Zornmuts und der Begehrlichkeit nicht, die sich im Menschen so sündhaft regen, daß man sie mit dem Zügel der Weisheit zurückhalten muß.
Daher haben auch unter den Philosophen die, die der Wahrheit am nächsten kommen1, den Zornmut und die Begehrlichkeit offen als fehlerhafte Teile der Seele erklärt, mit der Begründung, daß sie ungestüm und unordentlich auch nach Dingen sich regen, die die Weisheit zu vollbringen verbietet, weshalb sie des Verstandes und der Vernunft als Führers bedürften. Dieser dritte Teil der Seele throne sozusagen in einer Burg und leite von da aus die zwei anderen, so daß sich im Menschen durch die Herrschaft des einen und das dienende Verhalten der anderen die Gerechtigkeit in jedem Teil des Geistes aufrecht erhalten lasse. Diese Teile nun, Band 16, S. 784die nach dem Geständnis der erwähnten Philosophen auch im weisen und sich selbst beherrschenden Menschen fehlerhaft sind, so daß der Geist sie durch Zucht und Niederhaltung zügeln und von Dingen, nach denen sie sich unrecht regen, abbringen muß und ihnen nur da freien Lauf gewähren darf, wo es sich um Dinge handelt, die das Gesetz der Weisheit verstattet2, diese Teile also waren im Paradiese vor der Sünde nicht fehlerhaft. Sie regten sich nicht nach irgend etwas im Widerspruch mit dem rechten Willen, so daß sie es nötig gemacht hätten, sie mit dem Zügel der Vernunft zurückzuhalten. Denn daß sie jetzt solche Strebungen haben und von denen, die ein Leben der Selbstbeherrschung, Gerechtigkeit und Frömmigkeit führen, bald leichter, bald schwerer, immer aber doch eben nur durch Bändigung und Kampf in ihren Grenzen gehalten werden, ist selbstverständlich kein gesunder, von Natur aus gegebener Zustand, sondern ein von Schuld herrührender Schwächezustand. Wenn aber scheue Scham die Ausflüsse des Zornes und anderer Leidenschaften in Wort und Tat aller Art nicht in der Weise verbirgt, wie die Betätigung der Lust durch die Zeugungsglieder, so hat dies nur darin seinen Grund, daß bei den übrigen Leidenschaften nicht diese selbst die Glieder des Leibes in Bewegung setzen, sondern der Wille, falls er ihnen zustimmt, der nun dann im Gebrauch der Leibesglieder durchaus Herr ist. Ein zorniges Wort oder auch ein Schlag im Zorn kommt nur dadurch zustande, daß sich die Zunge oder die Hand auf Geheiß sozusagen des Willens in Bewegung setzt; und diese Glieder werden, auch wenn kein Zorn vorhanden ist, in Bewegung gesetzt eben durch den Willen. Dagegen die Zeugungsglieder des Leibes hat die Lust sozusagen in Eigenrecht genommen in einem Maße, daß sie nicht in Bewegung gesetzt werden können, wenn die Lust sich versagt und wenn sie nicht von selbst oder auf Anreiz hin sich erhebt. Das ist es, was Scham erweckt, was sich errötend den Augen von Zuschauern entzieht; und eher noch läßt sich der Mensch eine Schar von Augenzeugen gefallen, wenn er Band 16, S. 785ungerechterweise einem andern zürnt, als auch nur einen einzigen Zuschauer, wenn er sich, wie es ganz in der Ordnung ist, mit seiner Gattin vereint.
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The City of God
Chapter 19.--That It is Now Necessary, as It Was Not Before Man Sinned, to Bridle Anger and Lust by the Restraining Influence of Wisdom.
Hence it is that even the philosophers who have approximated to the truth have avowed that anger and lust are vicious mental emotions, because, even when exercised towards objects which wisdom does not prohibit, they are moved in an ungoverned and inordinate manner, and consequently need the regulation of mind and reason. And they assert that this third part of the mind is posted as it were in a kind of citadel, to give rule to these other parts, so that, while it rules and they serve, man's righteousness is preserved without a breach. 1 These parts, then, which they acknowledge to be vicious even in a wise and temperate man, so that the mind, by its composing and restraining influence, must bridle and recall them from those objects towards which they are unlawfully moved, and give them access to those which the law of wisdom sanctions,--that anger, e.g., may be allowed for the enforcement of a just authority, and lust for the duty of propagating offspring,--these parts, I say, were not vicious in Paradise before sin, for they were never moved in opposition to a holy will towards any object from which it was necessary that they should be withheld by the restraining bridle of reason. For though now they are moved in this way, and are regulated by a bridling and restraining power, which those who live temperately, justly, and godly exercise, sometimes with ease, and sometimes with greater difficulty, this is not the sound health of nature, but the weakness which results from sin. And how is it that shame does not hide the acts and words dictated by anger or other emotions, as it covers the motions of lust, unless because the members of the body which we employ for accomplishing them are moved, not by the emotions themselves, but by the authority of the consenting will? For he who in his anger rails at or even strikes some one, could not do so were not his tongue and hand moved by the authority of the will, as also they are moved when there is no anger. But the organs of generation are so subjected to the rule of lust, that they have no motion but what it communicates. It is this we are ashamed of; it is this which blushingly hides from the eyes of onlookers. And rather will a man endure a crowd of witnesses when he is unjustly venting his anger on some one, than the eye of one man when he innocently copulates with his wife.
See Plato's Republic, book iv. ↩