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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
20. Die Ausgeschämtheit der Kyniker ist eine Verirrung.
Das haben jene hündischen1 Philosophen, die Kyniker, nicht erkannt, die gegen das den Menschen angeborene Schamgefühl eine wahrhaft hündische Ansicht geltend machten, eine schmutzige, meine ich, und ausgeschämte: weil das, was an der Gattin geschieht, in der Ordnung sei, so solle man es ohne Scheu öffentlich tun und auf Gassen und Straßen allüberall den Beischlaf ausüben. Indes das natürliche Schamgefühl hat obgesiegt über diese irrige Anschauung. Wenn auch angeblich Diogenes das einmal aus Eitelkeit getan hat in der Meinung, seine Schule werde so berühmter werden, wenn ihre Ausgeschämtheit besonders lebhaft im Andenken der Menschen hafte, so sind doch später die Kyniker davon abgestanden, und es überwog die Scham, die Menschen vor Menschen erröten macht, über die Verirrung, die Menschen mit Hunden auf eine Stufe zu stellen sich erdreistete. Ich möchte daher auch eher glauben, Diogenes und andere, von denen man solches erzählt, werden nur die entsprechenden Bewegungen den Leuten zu sehen gegeben haben, die ja nicht wußten, was unter der Decke vorging, als sie hätten unter den Augen von Menschen die geschlechtliche Lust auszuüben vermocht. Die Lust selbst nahm Anstand, sich zu erheben, wo die Philosophen keinen Anstand nahmen, den Schein zu erwecken, als wollten sie sich zum Beischlaf niederlegen. Auch jetzt gibt es ja noch kynische Philosophen; man kennt sie ganz wohl an ihrem griechischen Mantel und an dem Knotenstock, den sie tragen; aber keiner von ihnen wagt, solches zu tun, und würde es einer wagen, so würde er zwar kaum gesteinigt, aber jedenfalls gehörig verspien werden. Die menschliche Natur hegt also ohne Zweifel Scham und Scheu gegenüber dieser Lust und hegt sie mit Recht. Denn in ihrer Band 16, S. 786unbotmäßigen Auflehnung, die die Zeugungsglieder des Leibes allein ihren eigenen Regungen dienstbar gemacht und der Gewalt des Willens entzogen hat, tritt deutlich das Merkmal der Vergeltung für die erste Unbotmäßigkeit des Menschen zutage; in dem Teil ganz besonders mußte es hervortreten, der zur Fortpflanzung der menschlichen Natur bestimmt ist, die durch jene erste und große Sünde zum Schlechteren verändert worden ist. Und der Verflechtung in diese Sünde wird man nur entrissen, wenn durch Gottes Gnade in den Einzelnen das gesühnt wird, was zum allgemeinen Verderben, da alle in dem Einen waren, begangen und durch Gottes Gerechtigkeit bestraft ward.
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canini, wörtliche Übersetzung von kunikoi, wie diese Philosophenschule genannt wurde. ↩
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The City of God
Chapter 20.--Of the Foolish Beastliness of the Cynics.
It is this which those canine or cynic 1 philosophers have overlooked, when they have, in violation of the modest instincts of men, boastfully proclaimed their unclean and shameless opinion, worthy indeed of dogs, viz., that as the matrimonial act is legitimate, no one should be ashamed to perform it openly, in the street or in any public place. Instinctive shame has overborne this wild fancy. For though it is related 2 that Diogenes once dared to put his opinion in practice, under the impression that his sect would be all the more famous if his egregious shamelessness were deeply graven in the memory of mankind, yet this example was not afterwards followed. Shame had more influence with them, to make them blush before men, than error to make them affect a resemblance to dogs. And possibly, even in the case of Diogenes, and those who did imitate him, there was but an appearance and pretence of copulation, and not the reality. Even at this day there are still Cynic philosophers to be seen; for these are Cynics who are not content with being clad in the pallium, but also carry a club; yet no one of them dares to do this that we speak of. If they did, they would be spat upon, not to say stoned, by the mob. Human nature, then, is without doubt ashamed of this lust; and justly so, for the insubordination of these members, and their defiance of the will, are the clear testimony of the punishment of man's first sin. And it was fitting that this should appear specially in those parts by which is generated that nature which has been altered for the worse by that first and great sin,--that sin from whose evil connection no one can escape, unless God's grace expiate in him individually that which was perpetrated to the destruction of all in common, when all were in one man, and which was avenged by God's justice.