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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
24. Wären die Menschen schuldlos und zum Lohn für geleisteten Gehorsam im Paradiese verblieben, so würden sie sich der Zeugungsglieder in derselben Weise bedient haben zur Gewinnung von Nachkommenschaft wie der übrigen Glieder, nämlich nach dem Machtspruch des Willens.
Es würde also der Mann Nachkommenschaft zeugen, das Weib sie aufnehmen, mit Zeugungsgliedern, die durch den Willen, wann und soviel es nötig wäre, in Bewegung gesetzt, nicht durch Lust zur Erregung gebracht würden. Wir bewegen ja nicht bloß solche Glieder nach Belieben, deren Teile aus festen Knochen bestehen, wie die Hände und Füße und Finger, sondern ebenso vermögen wir auch die Glieder, die aus weichen Muskeln und Sehnen bestehen und daher schlaff sind, nach unserm Willen hin und her zu bewegen, auszudehnen und zu strecken, zu drehen und zu wenden, zusammenziehend zu verhärten, wie denn der Wille z. B. die Mund- und Gesichtsmuskeln bewegt, so gut er kann. Selbst auch die Lungen, nächst dem Mark die weichsten Eingeweide und deshalb in der Brusthöhle geborgen, sind wie Blasebälge der Schmiedstätten oder der Orgeln Band 16, S. 793dem Willen dienstbar zum Ein- und Ausatmen, zum Sprechen, Schreien, Singen. Und manchen Tieren ist es, wie ich im Vorbeigehen erwähnen möchte, von Natur aus gegeben, ihre den ganzen Körper bedeckende Haut nur an der Stelle zu bewegen, wo sie etwas zu Verscheuchendes verspüren, und durch solch zitternde Bewegung der Haut nicht nur Mücken, sondern selbst darin steckende Speere abzuschütteln. Der Mensch kann das nicht, aber deshalb stand es doch im Belieben des Schöpfers, solche Fähigkeit anderen Lebewesen zu verleihen nach seinem Gutdünken. Ebenso nun konnte sich auch der Mensch seinerseits des Gehorsams auch niedrigerer Glieder erfreuen, dessen er dann durch eigenen Ungehorsam verlustig ging. Denn es war nicht schwer für Gott, den Menschen so zu erschaffen, daß in seinem Fleische auch das, was jetzt nur durch die Lust bewegt wird, nur durch seinen Willen bewegt worden wäre.
Wir wissen ja, daß sich bei manchen Menschen natürliche Beschaffenheiten finden, die von den regelmäßigen weit abweichen und wegen ihres seltenen Vorkommens angestaunt werden; ich denke da an Menschen, die an ihrem Leibe allerlei nach Belieben vornehmen, was andere nicht können und auf bloßes Erzählen hin kaum glauben wollen. So gibt es Leute, die die Ohren bewegen können, jedes für sich oder beide zumal. Oder Leute, die die ganze Kopfhaut, soweit die Haare reichen, an die Stirne vorschieben und wieder zurückziehen nach Belieben, ohne den Kopf zu bewegen. Andere wieder holen von einer Unmasse der verschiedensten Dinge, die sie verschlungen haben, beliebige Gegenstände unversehrt wie aus einem Geldbeutel hervor und drücken dabei nur ein wenig das Zwerchfell. Manche ahmen die Stimmen von Vögeln oder von Haustieren oder von Mitmenschen, wer es auch sei, so täuschend nach, daß man es unmöglich unterscheiden kann, wenn man sie nicht sieht. Andere geben aus ihrem Inneren ohne allen Gestank nach Belieben Laute in so großer Zahl von sich, daß man meinen könnte, sie sängen auch von dieser Seite her. Ich selbst habe einen Menschen beobachtet, der in Schweiß zu geraten pflegte, wenn er wollte. Bekannt ist, daß manche weinen, wenn Band 16, S. 794sie wollen, und sogar reichlich Tränen vergießen. Weit seltsamer aber ist etwas anderes, was viele Brüder in jüngster Zeit sich zutragen sahen. Im Sprengel der Kirche von Calama1 lebte ein Priester namens Restitutus. Der vermochte sich, wenn es ihm beliebte (es geschah auf Bitten solcher, die Augenzeugen des merkwürdigen Vorgangs zu sein wünschten), auf nachgeahmtes Wehklagen hin in einen Zustand der Empfindungslosigkeit zu versetzen und lag dann da wie ein Toter, so daß er nicht nur keinen Kniff und Stich spürte, sondern sich mitunter selbst von Feuer brennen ließ ohne jegliches Schmerzgefühl, nur daß nachher die Wunde schmerzte. Und dabei war sein Leib nicht etwa aus Standhaftigkeit bewegungslos, sondern aus Empfindungslosigkeit, wie sich daran zeigte, daß wie an einem toten Leibe kein Atem festgestellt werden konnte; jedoch vernahm er die menschliche Stimme, wenn man ziemlich laut sprach, wie aus der Ferne, so versicherte er nach dem Erwachen. Wenn also selbst gegenwärtig der Leib mancher Menschen, die auch im vergänglichen Fleische ihr mühseliges Leben hienieden hinbringen, auf solch merkwürdige Weise außerhalb der gewöhnlichen Art der Natur sich dienstbar erweist in mannigfachen Bewegungen und Zuständen, warum sollten wir nicht glauben, daß vor der Sünde des Ungehorsams und der Strafe der Verderbtheit die Glieder des Menschen dem Willen des Menschen zur Erzeugung von Nachkommenschaft ohne jede geschlechtliche Lust hätten dienstbar sein können? Es wurde also der Mensch, da er Gott aus Wohlgefallen an sich selber verlassen hatte, sich auch selber überlassen, und, ungehorsam gegen Gott, war er nun auch nicht mehr imstande, sich selbst zu gehorchen. Der Mensch lebt also nicht, wie er will, und dadurch ist das Elend handgreiflich geworden. Denn würde er leben, wie er will, so würde er sich für glücklich halten, was er freilich auch so nicht wäre, wenn er schmählich lebte.
In der römischen Provinz Afrika, zwischen Cirta und Augustins Bischofssitz Hippo. ↩
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The City of God
Chapter 24.--That If Men Had Remained Innocent and Obedient in Paradise, the Generative Organs Should Have Been in Subjection to the Will as the Other Members are.
The man, then, would have sown the seed, and the woman received it, as need required, the generative organs being moved by the will, not excited by lust. For we move at will not only those members which are furnished with joints of solid bone, as the hands, feet, and fingers, but we move also at will those which are composed of slack and soft nerves: we can put them in motion, or stretch them out, or bend and twist them, or contract and stiffen them, as we do with the muscles of the mouth and face. The lungs, which are the very tenderest of the viscera except the brain, and are therefore carefully sheltered in the cavity of the chest, yet for all purposes of inhaling and exhaling the breath, and of uttering and modulating the voice, are obedient to the will when we breathe, exhale, speak, shout, or sing, just as the bellows obey the smith or the organist. I will not press the fact that some animals have a natural power to move a single spot of the skin with which their whole body is covered, if they have felt on it anything they wish to drive off,--a power so great, that by this shivering tremor of the skin they can not only shake off flies that have settled on them, but even spears that have fixed in their flesh. Man, it is true, has not this power; but is this any reason for supposing that God could not give it to such creatures as He wished to possess it? And therefore man himself also might very well have enjoyed absolute power over his members had he not forfeited it by his disobedience; for it was not difficult for God to form him so that what is now moved in his body only by lust should have been moved only at will.
We know, too, that some men are differently constituted from others, and have some rare and remarkable faculty of doing with their body what other men can by no effort do, and, indeed, scarcely believe when they hear of others doing. There are persons who can move their ears, either one at a time, or both together. There are some who, without moving the head, can bring the hair down upon the forehead, and move the whole scalp backwards and forwards at pleasure. Some, by lightly pressing their stomach, bring up an incredible quantity and variety of things they have swallowed, and produce whatever they please, quite whole, as if out of a bag. Some so accurately mimic the voices of birds and beasts and other men, that, unless they are seen, the difference cannot be told. Some have such command of their bowels, that they can break wind continuously at pleasure, so as to produce the effect of singing. I myself have known a man who was accustomed to sweat whenever he wished. It is well known that some weep when they please, and shed a flood of tears. But far more incredible is that which some of our brethren saw quite recently. There was a presbyter called Restitutus, in the parish of the Calamensian 1 Church, who, as often as he pleased (and he was asked to do this by those who desired to witness so remarkable a phenomenon), on some one imitating the wailings of mourners, became so insensible, and lay in a state so like death, that not only had he no feeling when they pinched and pricked him, but even when fire was applied to him, and he was burned by it, he had no sense of pain except afterwards from the wound. And that his body remained motionless, not by reason of his self-command, but because he was insensible, was proved by the fact that he breathed no more than a dead man; and yet he said that, when any one spoke with more than ordinary distinctness, he heard the voice, but as if it were a long way off. Seeing, then, that even in this mortal and miserable life the body serves some men by many remarkable movements and moods beyond the ordinary course of nature, what reason is there for doubting that, before man was involved by his sin in this weak and corruptible condition, his members might have served his will for the propagation of offspring without lust? Man has been given over to himself because he abandoned God, while he sought to be self-satisfying; and disobeying God, he could not obey even himself. Hence it is that he is involved in the obvious misery of being unable to live as he wishes. For if he lived as he wished, he would think himself blessed; but he could not be so if he lived wickedly.
The position of Calama is described by Augustin as between Constantine and Hippo, but nearer Hippo.--Contra I.it. Petil. ii. 228. A full description of it is given in Poujoulat's Histoire de S. Augustin, i. 340, who says it was one of the most important towns of Numidia, eighteen leagues south of Hippo, and represented by the modern Ghelma. It is to its bishop, Possidius, we owe the contemporary Life of Augustin. ↩