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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
26. Der Glückszustand des paradiesischen Daseins hätte es verstattet, den Zeugungsakt ohne beschämendes Verlangen vorzunehmen.
Band 16, S. 796Es lebte also der Mensch im Paradiese so, wie er wollte, solang er wollte, was Gott befohlen hatte; er lebte im Genusse Gottes, und aus diesem Gute floß seine eigene Gutheit; er lebte ohne allen Mangel und hatte es dadurch in seiner Gewalt, immer zu leben. Da gab es Speise, damit ihn nicht hungere, und Getränk, damit ihn nicht dürste, und einen Baum des Lebens, damit ihn nicht das Alter aufreibe. Nichts von Vergänglichkeit in seinem Leibe oder von seinem Leibe ausgehend bereitete irgendwelche Beschwer irgendeinem seiner Sinne. Keine innerliche Krankheit, keinen Angriff von außen hatte man zu befürchten. Das Fleisch erfreute sich höchster Gesundheit, der Geist vollster Ruhe. Wie es im Paradiese weder Hitze gab noch Kälte, so erfuhr im Paradiesesbewohner der gute Wille keine Gefährdung weder von Seiten der Begehrlichkeit noch von Seiten der Furcht. Alles Traurige war völlig ausgeschlossen, aus der Fröhlichkeit alles Nichtige verbannt. Wahre Freude strömte ununterbrochen zu aus Gott, gegen den „die Liebe“ entbrannte „aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“1, und die Genossenschaft zwischen den Gatten war treu aus reiner Liebe, die Sorgfalt für Geist und Leib einträchtig, die Beobachtung des Gebotes mühelos. Keine Ermüdung verdarb die Feiertagsstimmung, kein Schlaf drängte sich auf wider Willen. So günstig war die ganze Lage, so glücklich der Mensch selbst, daß wir nicht wähnen dürfen, es hätte nur unter dem Fieber der Lust Nachkommenschaft gezeugt werden können; vielmehr würden sich dazu die Zeugungsglieder auf den Wink des Willens angeschickt haben wie die übrigen Glieder zu ihren Verrichtungen, und ohne den verführerischen Anreiz der Begier, mit voller Ruhe des Geistes und des Leibes, ohne Verletzung der Unversehrtheit, hätte sich der Gatte in den Schoß der Gemahlin ergossen2. Läßt es sich Band 16, S. 797auch nicht durch Erfahrung beweisen, so ist doch anzunehmen, daß, da ja nicht ungestüme Hitze diese Körperteile regiert, sondern frei herrschender Wille sie in Dienst genommen hätte, wie es nötig gewesen, der männliche Same sich in den Schoß der Gattin damals so gut unbeschadet der leiblichen Unversehrtheit hätte ergießen können, wie jetzt ebenfalls unbeschadet dieser Unversehrtheit aus dem Schoße der Jungfrau der monatliche Fluß sich ergießen kann. Auf demselben Wege hätte ja der eine eingebracht werden können, auf dem der andere abgeht. Denn wie zum Gebären nicht die Geburtswehen den Mutterschoß geöffnet hätten, sondern der Antrieb der Reife, so würde zur Befruchtung und Empfängnis nicht das Begehren der Lust, sondern frei gewollte Ausübung die beiden Naturen verbunden haben. Wir sprechen da von Dingen, die jetzt Gegenstand der Scham sind, und deshalb müssen wir uns, obwohl unser Versuch deren mögliche Beschaffenheit, ehe sie das noch waren, ins Auge faßt, doch aus Schamgefühl Grenzen setzen, um so mehr, als wir von der Rede, über die wir ohnehin nur in unzureichendem Maße verfügen, keine weitere Förderung zu erwarten haben. Denn was hier zur Behandlung steht, sind die, die es hätten inne werden können, selbst nicht inne geworden (die Sünde kam ihnen zuvor, und sie zogen sich die Vertreibung aus dem Paradiese zu, ehe sie sich noch zu dem Werke der Erzeugung von Nachkommenschaft in ruhigem Willensentscheide zusammentaten); und so steht jetzt erst recht den menschlichen Sinnen, wenn von diesen Dingen die Rede ist, lediglich die Erfahrung stürmischer Lust zu Gebote, nicht aber die Vorstellung gelassenen Wollens. Daher kommt es, daß Scham die Rede hemmt, selbst wenn es dem Nachsinnenden an Gedanken nicht gebräche. Aber dem allmächtigen Gott, dem höchsten und höchst guten Schöpfer aller Naturen, der den guten Willen unterstützt und belohnt, den bösen verläßt und verdammt und den einen wie den andern einzuordnen weiß, gebrach es selbstverständlich nicht an Rat, die festbegrenzte und in seiner Weisheit vorherbestimmte Zahl der Bürger des Gottesstaates aus dem Menschengeschlecht vollzumachen auch nach der Verdammung, Band 16, S. 798indem er diese Bürger nun nicht mehr nach ihrem Verdienst — die gesamte Masse ist ja verdammt worden als in der sündhaften Wurzel enthalten —, sondern durch Gnade auswählt und den Erlösten nicht nur an sich selber, sondern auch an den Nichterlösten vor Augen führt, was er ihnen Großes spendet. Denn aus freier, nicht aus geschuldeter Güte fühlt und bekennt sich jeder den Übeln entrissen, wenn er herausgenommen wird aus einer Genossenschaft von Menschen, mit denen er von rechtswegen gemeinsame Strafe teilen sollte. Warum also hätte Gott nicht Wesen erschaffen sollen, von denen er sich des Sündigens zum voraus versah, da er doch in und an ihnen zeigen konnte, was deren Schuld nach sich zog und was seine Gnade frei gewährte? Die rechte Ordnung der Dinge würden ja die Sünder durch ihre ungeordnete Verkehrtheit ohnehin nicht stören können, auch ihrerseits abhängig von ihm als dem Schöpfer und Lenker.
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The City of God
Chapter 26.--That We are to Believe that in Paradise Our First Parents Begat Offspring Without Blushing.
In Paradise, then, man lived as he desired so long as he desired what God had commanded. He lived in the enjoyment of God, and was good by God's goodness; he lived without any want, and had it in his power so to live eternally. He had food that he might not hunger, drink that he might not thirst, the tree of life that old age might not waste him. There was in his body no corruption, nor seed of corruption, which could produce in him any unpleasant sensation. He feared no inward disease, no outward accident. Soundest health blessed his body, absolute tranquillity his soul. As in Paradise there was no excessive heat or cold, so its inhabitants were exempt from the vicissitudes of fear and desire. No sadness of any kind was there, nor any foolish joy; true gladness ceaselessly flowed from the presence of God, who was loved "out of a pure heart, and a good conscience, and faith unfeigned." 1 The honest love of husband and wife made a sure harmony between them. Body and spirit worked harmoniously together, and the commandment was kept without labor. No languor made their leisure wearisome; no sleepiness interrupted their desire to labor. 2 In tanta facilitate rerum et felicitate hominum, absit ut suspicemur, non potuisse prolem seri sine libidinis morbo: sed eo voluntatis nutu moverentur illa membra qua caetera, et sine ardoris illecebroso stimulo cum tranquillitate animi et corporis nulla corruptione integritatis infunderetur gremio maritus uxoris. Neque enim quia experientia probari non potest, ideo credendum non est; quando illas corporis partes non ageret turbidus calor, sed spontanea potestas, sicut opus esset, adhiberet; ita tunc potuisse utero conjugis salva integritate feminei genitalis virile semen immitti, sicut nunc potest eadem integritate salva ex utero virginis fluxus menstrui cruoris emitti. Eadem quippe via posset illud injici, qua hoc potest ejici. Ut enim ad pariendum non doloris gemitus, sed maturitatis impulsus feminea viscera relaxaret: sic ad foetandum et concipiendum non libidinis appetitus, sed voluntarius usus naturam utramque conjungeret. We speak of things which are now shameful, and although we try, as well as we are able, to conceive them as they were before they became shameful, yet necessity compels us rather to limit our discussion to the bounds set by modesty than to extend it as our moderate faculty of discourse might suggest. For since that which I have been speaking of was not experienced even by those who might have experienced it,--I mean our first parents (for sin and its merited banishment from Paradise anticipated this passionless generation on their part),--when sexual intercourse is spoken of now, it suggests to men's thoughts not such a placid obedience to the will as is conceivable in our first parents, but such violent acting of lust as they themselves have experienced. And therefore modesty shuts my mouth, although my mind conceives the matter clearly. But Almighty God, the supreme and supremely good Creator of all natures, who aids and rewards good wills, while He abandons and condemns the bad, and rules both, was not destitute of a plan by which He might people His city with the fixed number of citizens which His wisdom had foreordained even out of the condemned human race, discriminating them not now by merits, since the whole mass was condemned as if in a vitiated root, but by grace, and showing, not only in the case of the redeemed, but also in those who were not delivered, how much grace He has bestowed upon them. For every one acknowledges that he has been rescued from evil, not by deserved, but by gratuitous goodness, when he is singled out from the company of those with whom he might justly have borne a common punishment, and is allowed to go scathless. Why, then, should God not have created those whom He foresaw would sin, since He was able to show in and by them both what their guilt merited, and what His grace bestowed, and since, under His creating and disposing hand, even the perverse disorder of the wicked could not pervert the right order of things?