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Bibliothek der Kirchenväter
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Works Augustine of Hippo (354-430)

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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)

15. Ob sich wohl die Menschen des ersten Weltalters bis zu den Lebensjahren, da von ihnen Kindererzeugung berichtet wird, der geschlechtlichen Vereinigung enthalten haben?

Nun wird man etwa fragen: „Soll man also glauben, daß ein Mensch, der Kinder zu erzeugen fähig war und sich nicht Enthaltsamkeit vorgenommen hatte, 100 und mehr Jahre oder, nach den Zahlenangaben des hebräischen Textes, nicht viel weniger, 80, 70, 60 Jahre den Beischlaf überhaupt nicht ausgeübt oder, wenn er ihn ausübte, keine Nachkommenschaft zu erzeugen vermocht habe?“ Diese Schwierigkeit läßt sich auf doppelte Art lösen. Entweder trat die Geschlechtsreife in demselben Verhältnis später ein, als das Gesamtleben länger währte, oder, was mich glaubhafter dünkt, es sind hier nicht die erstgeborenen Söhne erwähnt, sondern die1, deren Erwähnung durch die Abstammungsfolge gefordert wurde, wollte man auf Noe herabgelangen, von dem wir dann wieder die Abstammungsfolge auf Band 16, S. 835Abraham herabgeführt sehen, und dann weiterhin bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, soweit es notwendig war, um auch durch Erwähnung der Geschlechtsfolgen den Verlauf des glorreichen, auf dieser Welt pilgernden und das himmlische Vaterland suchenden Staates zu kennzeichnen. Als erster von allen ging aus der Vereinigung von Mann und Weib Kain hervor; das läßt sich nicht in Zweifel ziehen. Denn Adam hätte nach seiner Geburt sonst nicht gesagt2: „Ich habe einen Menschen gewonnen durch Gott“, wenn Kain nicht der erste Mensch gewesen wäre, der sich zu beiden durch die Geburt hinzugesellte. Ihm folgte Abel, den der ältere Bruder erschlug, und er zuerst führt eine Art Vorbild des pilgernden Gottesstaates vor Augen, insofern dieser von Gottlosen und sozusagen Erdgeborenen, d. h. von solchen, die ihren irdischen Ursprung lieben und deren Freude das irdische Glück des Erdenstaates ist, ungerechte Verfolgung erleiden sollte. Wie alt jedoch Adam war, als er die beiden zeugte, ist nicht ersichtlich. Von da ab werden zwei Zeugungsreihen in ihrer Abstammungsfolge vorgeführt, die eine von Kain ausgehend, die andere von dem, welchen Adam zum Ersatz für den vom Bruder Erschlagenen zeugte und dessen Namen er Seth nannte, indem er sprach, wie geschrieben steht3: „Denn Gott hat mir einen andern Samen erweckt an Stelle Abels, den Kain erschlug“. Diese beiden Zeugungsreihen, die von Seth und die von Kain ausgehende, deuten durch ihre Sonderung die beiden Staaten an, von denen wir handeln, den himmlischen, der auf Erden in der Fremde ist, und den Weltstaat, der den irdischen Freuden, als wären sie die einzigen, nachjagt und anhängt. Daher ist bei der Nachkommenschaft Kains, obwohl sie mit Einschluß Adams bis zur achten Geschlechtsfolge aufgezählt wird, nirgends ausdrücklich angegeben, wie alt die einzelnen gewesen seien, als sie den erzeugten, der nach ihnen erwähnt wird. Es widerstrebte eben dem Geiste Gottes, bei den Zeugungen im Weltstaat vor der Sündflut Zeiten anzumerken, aber bei Band 16, S. 836denen im himmlischen Staate tat er es gern, um anzudeuten, daß die Zeugungen denkwürdiger seien. Bei Seths Geburt also werden zwar die Jahre seines Vaters nicht verschwiegen, aber dieser hatte schon andere gezeugt, und wer möchte bestimmt behaupten, ob nur Kain und Abel? Denn wenn auch diese zwei allein genannt werden, so ist daraus doch nicht zu folgern, daß sie die einzigen waren, die bis dahin aus Adam hervorgegangen waren; sie werden eben genannt im Zusammenhang mit der Reihenfolge der zu erwähnenden Zeugungen. Es heißt ja von Adam4, daß er Söhne und Töchter gezeugt habe, und keines von diesen Kindern ist mit Namen aufgeführt; niemand kann also, ohne sich auf das Gebiet der gewagten, ja kecken Behauptungen zu begeben, bestimmt sagen, das wievielte Kind Adams Seth gewesen ist. Adam konnte ja von oben eine Andeutung erhalten haben, als er die Geburt Seths mit den Worten begrüßte: „Denn Gott hat mir einen andern Samen erweckt an Stelle Abels“, und diese Worte wären dann auf Seths Heiligkeit zu beziehen, die bestimmt war, an Stelle der Abels zu treten, und drückten nicht aus, daß Seth der Zeit nach als der erste nach Abel geboren worden wäre. Wenn es dann weiter heißt5: „Seth aber lebte 205 Jahre (oder nach der hebräischen Überlieferung: 105 Jahre) und zeugte den Enos“, so kann doch nur Unbesonnenheit diesen Enos ohne weiters als Seths Erstgeborenen bezeichnen und uns die verwunderte Frage auf die Lippen drängen, wie denn so viele Jahre hindurch Seth unverheiratet geblieben ohne allen Vorsatz der Enthaltsamkeit oder seine Ehe ohne Kinder geblieben sei, zumal da es doch auch von ihm heißt: „Und er zeugte Söhne und Töchter, und es waren alle Tage Seths 912 Jahre, da starb er“. Und so wird auch weiterhin von allen, deren Lebensjahre angegeben werden, ausdrücklich bemerkt, daß sie Söhne und Töchter zeugten. Und demnach läßt sich überhaupt nicht ersehen, ob der, dessen Zeugung jeweils erwähnt wird, gerade der Erstgeborene sei; im Gegenteil: weil es Band 16, S. 837unwahrscheinlich ist, daß die Urväter so lange Jahre hindurch entweder noch nicht geschlechtsreif oder ohne Gattin oder ohne Nachkommenschaft gewesen wären, so ist es auch unwahrscheinlich, daß die jeweils angeführten Söhne ihre Erstgeborenen gewesen wären. Vielmehr hat der Verfasser der heiligen Geschichte, da er beabsichtigte, an der Hand der Zeugungsfolgen unter Angabe der Zeitverläufe zu der Geburt und dem Leben Noes zu gelangen, in dessen Lebenszeit die Sündflut fällt, nur eben jene Zeugungen erwähnt, welche in die Reihenfolge der Abstammung einschlagen, nicht jene, welche für die Eltern die ersten gewesen.

Um allen Zweifel zu beseitigen, daß es sich wirklich so verhalten haben kann, will ich ein Beispiel einschalten, das eine solche Absicht und ihre Einwirkung auf Zeugungsberichte deutlicher machen kann. Wo der Evangelist Matthäus die Abstammung des Herrn dem Fleische nach an der Reihenfolge der Vorfahren dem Gedächtnis der Nachwelt überliefern will, beginnt er mit Abraham und sagt, in der Absicht, zunächst auf David zu gelangen6: „Abraham zeugte den Isaak“; warum sagt er nicht: den Ismael, den doch Abraham zuerst zeugte? „Isaak aber“, fährt er fort, „zeugte den Jakob“; warum sagt er nicht: den Esau, der doch Isaaks Erstgeborener war? Eben weil er über diese beiden nicht zu David hätte gelangen können, Darauf folgt: „Jakob aber zeugte den Judas und dessen Brüder“; war Judas etwa Jakobs Erstgeborener? „Judas zeugte den Phares und Zarat“; auch von diesen Zwillingen war keiner des Judas Erstgeborener, vielmehr hatte er vor ihnen bereits drei Söhne gezeugt. Der Evangelist hielt sich also in der Reihenfolge der Zeugungen lediglich an die, über welche er zu David und von da an sein weiteres Ziel gelangen konnte. Daraus ist zu ersehen, daß auch unter den Urmenschen vor der Sündflut nicht die Erstgeborenen, sondern jeweils die erwähnt wurden, über welche die Reihenfolge der Zeugungen ununterbrochen bis auf den Patriarchen Noe herabgeführt werden konnte; und so brauchen wir uns über die schwierige und unnötige Band 16, S. 838Frage wegen deren spät eintretender Geschlechtsreife nicht den Kopf zu zerbrechen.


  1. Vgl. oben XV 8 am Anfang. ↩

  2. Gen. 4, 1. ↩

  3. Ebd. 4, 25. ↩

  4. Gen. 5, 4. ↩

  5. Ebd. 5, 6. ↩

  6. Matth. 1, 2ff. ↩

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The City of God

Chapter 15.--Whether It is Credible that the Men of the Primitive Age Abstained from Sexual Intercourse Until that Date at Which It is Recorded that They Begat Children.

Some one, then, will say, Is it to be believed that a man who intended to beget children, and had no intention of continence, abstained from sexual intercourse a hundred years and more, or even, according to the Hebrew version, only a little less, say eighty, seventy, or sixty years; or, if he did not abstain, was unable to beget offspring? This question admits of two solutions. For either puberty was so much later as the whole life was longer, or, which seems to me more likely, it is not the first-born sons that are here mentioned, but those whose names were required to fill up the series until Noah was reached, from whom again we see that the succession is continued to Abraham, and after him down to that point of time until which it was needful to mark by pedigree the course of the most glorious city, which sojourns as a stranger in this world, and seeks the heavenly country. That which is undeniable is that Cain was the first who was born of man and woman. For had he not been the first who was added by birth to the two unborn persons, Adam could not have said what he is recorded to have said, "I have gotten a man by the Lord." 1 He was followed by Abel, whom the elder brother slew, and who was the first to show by a kind of foreshadowing of the sojourning city of God, what iniquitous persecutions that city would suffer at the hands of wicked and, as it were, earth-born men, who love their earthly origin, and delight in the earthly happiness of the earthly city. But how old Adam was when he begat these sons does not appear. After this the generations diverge, the one branch deriving from Cain, the other from him whom Adam begot in the room of Abel slain by his brother, and whom he called Seth, saying, as it is written, "For God hath raised me up another seed for Abel whom Cain slew." 2 These two series of generations accordingly, the one of Cain, the other of Seth, represent the two cities in their distinctive ranks, the one the heavenly city, which sojourns on earth, the other the earthly, which gapes after earthly joys, and grovels in them as if they were the only joys. But though eight generations, including Adam, are registered before the flood, no man of Cain's line has his age recorded at which the son who succeeded him was begotten. For the Spirit of God refused to mark the times before the flood in the generations of the earthly city, but preferred to do so in the heavenly line, as if it were more worthy of being remembered. Further, when Seth was born, the age of his father is mentioned; but already he had begotten other sons, and who will presume to say that Cain and Abel were the only ones previously begotten? For it does not follow that they alone had been begotten of Adam, because they alone were named in order to continue the series of generations which it was desirable to mention. For though the names of all the rest are buried in silence, yet it is said that Adam begot sons and daughters; and who that cares to be free from the charge of temerity will dare to say how many his offspring numbered? It was possible enough that Adam was divinely prompted to say, after Seth was born, "For God hath raised up to me another seed for Abel," because that son was to be capable of representing Abel's holiness, not because he was born first after him in point of time. Then because it is written, "And Seth lived 205 years," or, according to the Hebrew reading, "105 years, and begat Enos," 3 who but a rash man could affirm that this was his first-born? Will any man do so to excite our wonder, and cause us to inquire how for so many years he remained free from sexual intercourse, though without any purpose of continuing so, or how, if he did not abstain, he yet had no children? Will any man do so when it is written of him, "And he begat sons and daughters, and all the days of Seth were 912 years, and he died?" 4 And similarly regarding those whose years are afterwards mentioned, it is not disguised that they begat sons and daughters.

Consequently it does not at all appear whether he who is named as the son was himself the first begotten. Nay, since it is incredible that those fathers were either so long in attaining puberty, or could not get wives, or could not impregnate them, it is also incredible that those sons were their first-born. But as the writer of the sacred history designed to descend by well-marked intervals through a series of generations to the birth and life of Noah, in whose time the flood occurred, he mentioned not those sons who were first begotten, but those by whom the succession was handed down.

Let me make this clearer by here inserting an example, in regard to which no one can have any doubt that what I am asserting is true. The evangelist Matthew, where he designs to commit to our memories the generation of the Lord's flesh by a series of parents, beginning from Abraham and intending to reach David, says, "Abraham begat Isaac;" 5 why did he not say Ishmael, whom he first begat? Then "Isaac begat Jacob;" why did he not say Esau, who was the first-born? Simply because these sons would not have helped him to reach David. Then follows, "And Jacob begat Judah and his brethren:" was Judah the first begotten? "Judah," he says, "begat Pharez and Zara;" yet neither were these twins the first-born of Judah, but before them he had begotten three other sons. And so in the order of the generations he retained those by whom he might reach David, so as to proceed onwards to the end he had in view. And from this we may understand that the antediluvians who are mentioned were not the first-born, but those through whom the order of the succeeding generations might be carried on to the patriarch Noah. We need not, therefore, weary ourselves with discussing the needless and obscure question as to their lateness of reaching puberty.


  1. Gen. iv. 1. ↩

  2. Gen. iv. 25. ↩

  3. Gen. v. 6. ↩

  4. Gen. v. 8. ↩

  5. Matt. i. ↩

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