Übersetzung
ausblenden
Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
16. Für die ersten Ehen galt ein anderes Recht als für die späteren
1. Da nun das Menschengeschlecht nach der ersten Vereinigung zwischen dem aus Staub gebildeten Mann und seiner aus der Seite des Mannes genommenen Gattin der Verbindung von Männern und Frauen bedurfte, um sich durch Zeugung zu mehren, und keine anderen Menschen da waren als nur eben Kinder jenes ersten Paares, so nahmen die Männer ihre Schwestern zu Frauen; das erzwangen im grauen Altertum die Verhältnisse ebenso unausweichlich, wie es später die Religion für verwerflich erklärte. Man nahm jetzt mit vollem Recht Rücksicht auf die Liebe, und daher sollten die Menschen, für die ja die Eintracht nützlich und schicklich war, durch die Bande vielfältiger Verwandtschaftsverhältnisse aneinandergekettet werden; es sollte nicht ein einzelner in sich allein viele Verwandtschaftsverhältnisse vereinigen, sondern diese sollten sich einzeln über Einzelmenschen verteilen und so eine möglichst große Zahl von Menschen erfassen, um das genossenschaftliche Leben fester in Liebe aneinanderzuketten. Vater und Schwiegervater z. B. sind Bezeichnungen für zwei Verwandtschaftsverhältnisse. Und also erstreckt sich die Liebe über eine größere Zahl, wenn einer einen andern zum Schwiegervater hat als den Vater. Beides zugleich aber mußte der eine Adam seinen Söhnen wie seinen Töchtern sein, als sich die Brüder und Schwestern ehelich verbanden. So war auch Eva, sein Weib, ihren Kindern beiderlei Geschlechtes sowohl Schwiegermutter als auch Mutter; wären das zwei verschiedene Frauen gewesen, eine Mutter und eine Schwiegermutter, so würde sich vielfältiger das Band der genossenschaftlichen Liebe geknüpft haben. Schließlich vereinigte nun auch die Schwester, indem sie zugleich Gemahlin Band 16, S. 839wurde, zwei Verwandtschaftsverhältnisse in sich; wären sie auf zwei Einzelpersonen verteilt worden, von denen die eine Schwester, die andere Frau ist, so würde sich die genossenschaftliche Beziehung an Zahl der in ihren Kreis gezogenen Menschen vermehrt haben. Aber hierzu gebrach es damals an aller Möglichkeit, da es keine anderen Menschen gab als Brüder und Schwestern vom ersten Menschenpaare her. Es mußte also, sobald es eben möglich war, so eingerichtet werden, daß aus der nun vorhandenen Auswahl Gemahlinnen, die nicht mehr Schwestern waren, heimgeführt wurden und nicht nur die Nötigung zur Schwesterheirat aufhörte, sondern diese selbst als ein Unrecht galt. Denn wenn auch noch die Enkel des ersten Menschenpaares, die nun schon Geschwisterkinder zu Frauen nehmen konnten, mit ihren Schwestern Ehen eingegangen hätten, so wären in einem Einzelmenschen schon nicht mehr bloß zwei, sondern drei Verwandtschaftsverhältnisse entstanden, von denen jedes auf einen andern hätte verteilt werden sollen, um die Liebe durch möglichste Ausdehnung der Verwandtschaft ineinanderzuflechten. Es wäre nämlich ein Einzelmensch seinen Kindern, nämlich dem ehelich verbundenen Geschwisterpaar, Vater, Schwiegervater und Oheim gewesen; und ebenso die Frau jenes Einzelmenschen den beiden Kindern Mutter, Tante und Schwiegermutter; und das eheliche Geschwisterpaar wäre zueinander nicht nur Geschwister und Eheleute, sondern auch Vetter und Base gewesen als Kinder von Geschwistern. Alle diese Verwandtschaftsverhältnisse aber, die den einen Menschen mit dreien verbinden, würden ihn mit neun verbinden, wenn jedes von ihnen auf einen andern ginge (Dies ist indes bei der Ehe von Geschwisterkindern, wovon doch nach dem Zusammenhang die Rede ist, nicht der Fall, vielmehr beschränkt sich hier das neunfache Verwandtschaftsverhältnis auf sechs Personen.); es wären dann für den Einzelmenschen gesondert voneinander vorhanden eine Schwester, eine Gemahlin, eine Base, ein Vater, ein Oheim, ein Schwiegervater, eine Mutter, eine Tante, eine Schwiegermutter; und so würde sich, nicht eng zusammengezogen über ein paar Menschen, das Band der Band 16, S. 840Vergesellschaftung weiter und vielfacher schlingen in zahlreichen Verwandtschaften.
Daran sehen wir denn, als das Menschengeschlecht wuchs und sich mehrte, auch die gottlosen Verehrer der vielen und falschen Götter festhalten, mit einer Zähigkeit, daß, selbst wenn schlechte Gesetze Ehen unter Geschwistern gestatteten, doch die gute Sitte lieber schon vor der Freiheit zurückschreckt und Schwestern zur Ehe zu nehmen, obwohl das in den ersten Zeiten des Menschengeschlechtes völlig freistand, so sehr verabscheut, als hätte es niemals freistehen können. Das Herkommen hat eben eine große Macht über das menschliche Gemüt, es anziehend oder abstoßend; und da in diesem Falle das Herkommen unmäßige Begier in Schranken hält, so gilt es mit Recht für frevelhaft, es umzustoßen oder zu verletzen. Denn wenn es schon unrecht ist, aus Habsucht die Ackergrenze zu verrücken, wieviel schlimmer dann, aus unreiner Lust die durch die Sitte geheiligte Grenze einzureißen! Bezüglich der Ehen unter Geschwisterkindern aber haben wir auch in unseren Tagen die Beobachtung gemacht, wie selten, im Hinblick auf den Verwandtschaftsgrad, der dem zwischen Geschwistern am nächsten steht, wirklich geschah, was gesetzlich doch immerhin freistand, da kein göttliches Gesetz es verwehrte und auch noch kein menschliches dagegen erlassen war2. Indes auch vor einer erlaubten Tat schreckte man zurück wegen der großen Nähe einer unerlaubten, und was man mit dem Geschwisterkind tat, galt beinahe wie mit der Schwester getan; denn sie heißen in ihrem Verhältnis zueinander Geschwister wegen ihrer so nahen Blutsverwandtschaft und sind beinahe leibliche Geschwister. Es war jedoch bei den alten Vätern Gegenstand angelegentlicher Sorge, die Verwandtschaft, damit sie sich nicht allmählich im Laufe der Fortpflanzung verflüchtige und allzu weit ausdehne und so aufhöre, eine Verwandtschaft zu sein, durch ein neues Eheband wieder festzuknüpfen, ehe sie sich noch zu weit entfernt hatte, und die fliehende Band 16, S. 841gleichsam zurückzurufen. Daher nahmen sie, auch nachdem der Erdkreis bevölkert war, zwar nicht Schwestern, die vom eigenen Vater oder der eigenen Mutter oder vom eigenen Elternpaar stammten, zu Frauen, aber sie liebten es doch, innerhalb ihres Stammes zu heiraten. Indes sind ohne Zweifel in unseren Zeiten Ehen auch unter Geschwisterkindern schicklicher verboten worden; nicht nur, gemäß unseren obigen Ausführungen, mit Rücksicht auf die Vervielfältigung der Verwandtschaften, damit sich nicht in einer Person zwei Verwandtschaftsgrade vereinigten, da doch zwei Personen daran teilhaben und so sich die Verwandten der Zahl nach mehren könnten, sondern auch weil sich innerhalb des Gebietes der menschlichen Scheu von Natur aus ein merkwürdiger und lobenswerter Zug findet, wonach man an eine Person, der man auf Grund der Verwandtschaft ehrerbietige Achtung schuldet, nicht mit unreiner, wenn auch der Zeugung dienender Lust herantritt, über die wir selbst die eheliche Züchtigkeit Scham empfinden sehen.
Die Verbindung von männlichen und weibliche» Wesen also ist, soweit das Menschengeschlecht in Betracht kommt, eine Art Keimzelle des Staates; jedoch der Weltstaat bedarf nur der Geburt, der himmlische dagegen auch der Wiedergeburt, um den Schaden von der Geburt her los zu werden. Ob es indes vor der Sündflut ein äußeres und sichtbares Zeichen der Wiedergeburt gab, wie die Beschneidung eines war, die nachmals dem Abraham aufgetragen ward3, und welcher Art es war, falls es eines gab, darüber spricht sich die heilige Geschichte nicht aus. Wohl aber spricht sie ausdrücklich davon, daß jene ältesten Menschen Gott geopfert haben; das ist bei den zwei ersten Brüdern, wie erwähnt, der Fall gewesen, und ebenso wird von Noe berichtet4, daß er Gott Opfer darbrachte, als er die Arche verlassen hatte. Was aber das Opfer als solches betrifft, so haben wir schon in früheren Büchern gesagt5, daß die Dämonen, indem sie sich Göttlichkeit Band 16, S. 842anmaßen und für Götter erachtet zu werden begehren, nur deshalb den Dienst des Opferns für sich heischen und an derlei Ehrenbezeugungen ihre Freude haben, weil sie wissen, daß das wahre Opfer dem wahren Gott allein gebühre.
-
Von diesem Kapitel sind mehrere Sätze als cap. un. qu. 1 C. XXV in das Gratianische Dekret übernommen worden als Begründung für das Verbot der Verwandtenehe. ↩
-
Kaiser Theodosius [379—395]verbot durch ein Gesetz die Ehe zwischen Geschwisterkindern; L. I Cod. Theodos. [3, 12]. ↩
-
Gen. 17, 10 f. ↩
-
Ebd. 8, 20. ↩
-
Oben X 4—21. ↩
Übersetzung
ausblenden
The City of God
Chapter 16.--Of Marriage Between Blood-Relations, in Regard to Which the Present Law Could Not Bind the Men of the Earliest Ages.
As, therefore, the human race, subsequently to the first marriage of the man who was made of dust, and his wife who was made out of his side, required the union of males and females in order that it might multiply, and as there were no human beings except those who had been born of these two, men took their sisters for wives,--an act which was as certainly dictated by necessity in these ancient days as afterwards it was condemned by the prohibitions of religion. For it is very reasonable and just that men, among whom concord is honorable and useful, should be bound together by various relationships; and one man should not himself sustain many relationships, but that the various relationships should be distributed among several, and should thus serve to bind together the greatest number in the same social interests. "Father" and "father-in-law" are the names of two relationships. When, therefore, a man has one person for his father, another for his father-in-law, friendship extends itself to a larger number. But Adam in his single person was obliged to hold both relations to his sons and daughters, for brothers and sisters were united in marriage. So too Eve his wife was both mother and mother-in-law to her children of both sexes; while, had there been two women, one the mother, the other the mother-in-law, the family affection would have had a wider field. Then the sister herself by becoming a wife sustained in her single person two relationships, which, had they been distributed among individuals, one being sister, and another being wife, the family tie would have embraced a greater number of persons. But there was then no material for effecting this, since there were no human beings but the brothers and sisters born of those two first parents. Therefore, when an abundant population made it possible, men ought to choose for wives women who were not already their sisters; for not only would there then be no necessity for marrying sisters, but, were it done, it would be most abominable. For if the grandchildren of the first pair, being now able to choose their cousins for wives, married their sisters, then it would no longer be only two but three relationships that were held by one man, while each of these relationships ought to have been held by a separate individual, so as to bind together by family affection a larger number. For one man would in that case be both father, and father-in-law, and uncle 1 to his own children (brother and sister now man and wife); and his wife would be mother, aunt, and mother-in-law to them; and they themselves would be not only brother and sister, and man and wife, but cousins also, being the children of brother and sister. Now, all these relationships, which combined three men into one, would have embraced nine persons had each relationship been held by one individual, so that a man had one person for his sister, another his wife, another his cousin, another his father, another his uncle, another his father-in-law, another his mother, another his aunt, another his mother-in-law; and thus the social bond would not have been tightened to bind a few, but loosened to embrace a larger number of relations.
And we see that, since the human race has increased and multiplied, this is so strictly observed even among the profane worshippers of many and false gods, that though their laws perversely allow a brother to marry his sister, 2 yet custom, with a finer morality, prefers to forego this license; and though it was quite allowable in the earliest ages of the human race to marry one's sister, it is now abhorred as a thing which no circumstances could justify. For custom has very great power either to attract or to shock human feeling. And in this matter, while it restrains concupiscence within due bounds, the man who neglects and disobeys it is justly branded as abominable. For if it is iniquitous to plough beyond our own boundaries through the greed of gain, is it not much more iniquitous to transgress the recognized boundaries of morals through sexual lust? And with regard to marriage in the next degree of consanguinity, marriage between cousins, we have observed that in our own time the customary morality has prevented this from being frequent, though the law allows it. It was not prohibited by divine law, nor as yet had human law prohibited it; nevertheless, though legitimate, people shrank from it, because it lay so close to what was illegitimate, and in marrying a cousin seemed almost to marry a sister,--for cousins are so closely related that they are called brothers and sisters, 3 and are almost really so. But the ancient fathers, fearing that near relationship might gradually in the course of generations diverge, and become distant relationship, or cease to be relationship at all, religiously endeavored to limit it by the bond of marriage before it became distant, and thus, as it were, to call it back when it was escaping them. And on this account, even when the world was full of people, though they did not choose wives from among their sisters or half-sisters, yet they preferred them to be of the same stock as themselves. But who doubts that the modern prohibition of the marriage even of cousins is the more seemly regulation--not merely on account of the reason we have been urging, the multiplying of relationships, so that one person might not absorb two, which might be distributed to two persons, and so increase the number of people bound together as a family, but also because there is in human nature I know not what natural and praiseworthy shamefacedness which restrains us from desiring that connection which, though for propagation, is yet lustful and which even conjugal modesty blushes over, with any one to whom consanguinity bids us render respect?
The sexual intercourse of man and woman, then, is in the case of mortals a kind of seed-bed of the city; but while the earthly city needs for its population only generation, the heavenly needs also regeneration to rid it of the taint of generation. Whether before the deluge there was any bodily or visible sign of regeneration, such as was afterwards enjoined upon Abraham when he was circumcised, or what kind of sign it was, the sacred history does not inform us. But it does inform us that even these earliest of mankind sacrificed to God, as appeared also in the case of the two first brothers; Noah, too, is said to have offered sacrifices to God when he had come forth from the ark after the deluge. And concerning this subject we have already said in the foregoing books that the devils arrogate to themselves divinity, and require sacrifice that they may be esteemed gods, and delight in these honors on no other account than this, because they know that true sacrifice is due to the true God.