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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
27. Arche und Sündflut sind nicht bloße geschichtliche Tatsachen ohne allegorische Bedeutung, aber auch nicht bloße Allegorien ohne geschichtliche Unterlage.
Dagegen darf niemand glauben, es sei das ohne Grund aufgezeichnet worden, oder man habe es hier lediglich mit geschichtlichen Tatsachen ohne jede allegorische Bedeutung zu tun, oder umgekehrt, dies habe sich überhaupt nicht zugetragen, sondern es handle sich nur um Redefiguren, oder es fehle, wie es sich im übrigen damit auch verhalten mag, jede vorbildliche Beziehung zur Kirche. Nur ein verkehrter Geist könnte behaupten wollen, unnützerweise seien diese Bücher geschrieben worden, die durch Jahrtausende hindurch Band 16, S. 867mit solcher Ehrfurcht und mit so sorgsamer Einhaltung ununterbrochener Überlieferungsabfolge in acht genommen und bewahrt worden sind, oder die nackten Tatsachen allein seien darin ins Auge zu fassen, wo doch so merkwürdige Dinge erzählt werden, wie zum Beispiel von der Auswahl der Tiere, die in die Arche aufgenommen werden sollten; mag sich die Größe der Arche erklären durch die große Zahl der Tiere, aber was nötigte dazu, von den unreinen Tieren je zwei Paare einzulassen und von den reinen je sieben1, da doch beide Arten in gleicher Zahl hätten erhalten werden können? Oder vermochte Gott, der die Erhaltung anbefahl zum Zweck der erneuten Ausbreitung der Art, diese Tiere nicht ebenso aufs neue ins Dasein zu rufen, wie er es ursprünglich getan?
Die Vertreter der Meinung dagegen, es handle sich überhaupt nicht um Tatsachen, sondern nur um Sinnbilder, berufen sich zunächst darauf, daß eine Überschwemmung, bei der das Wasser noch fünfzehn Ellen über die höchsten Berge emporstieg, nicht habe stattfinden können im Hinblick auf den Gipfel des Berges Olympos2, über dem sich, wie sie angeben, keine Wolken zusammenballen können, da hier, in solcher Höhe des Himmels, nicht mehr unsere dichtere Luft anzutreffen sei, in der sich Nebel und Regenwolken bilden. Sie lassen dabei nur außer acht, daß selbst das dichteste aller Elemente, die Erde, dort anzutreffen sein könnte. Oder aus was sonst sollte der Gipfel des Berges bestehen? Also hätte nach diesen Elementen-Messern und -Wägern, die doch selbst erklären, daß das Wasser über der Erde sei und leichter als sie, zwar die Erde, nicht aber das Wasser bis zu jenen Himmelshöhen emporsteigen dürfen? Da wäre man doch auf die Begründung gespannt, weshalb sich die schwerere und tiefer befindliche Erde in das Gebiet des ewig heiteren Himmels so viele Jahrtausende hindurch eindrängen konnte, während ein gleiches auch nur auf kurze Zeit dem leichteren und höher befindlichen Wasser verwehrt sein sollte.
Band 16, S. 868Man führt auch die Maße der Arche ins Feld und sagt, sie sei nicht groß genug gewesen, um so viele Arten von Tieren beiderlei Geschlechtes zu fassen, je zwei Paare unreiner und je sieben Paare reiner Tiere. Bei diesem Einwand legt man wohl nur die 300 Ellen Länge und 50 Ellen Breite der Berechnung zugrunde, ohne zu berücksichtigen, daß im ersten und im zweiten Obergeschoß je die gleichen Maßverhältnisse wiederkehrten und sonach jene Ellenzahl dreimal genommen werden muß, was 900 x 150 Ellen ergibt. Wenn wir gar noch in Betracht ziehen, worauf Origenes scharfsinnig hingewiesen hat3, nämlich daß Moses, ein Gottesmann, „unterrichtet“, wie geschrieben steht4, „in aller Weisheit der Ägypter“, bei denen die Geometrie eifrig betrieben wurde, hier möglicherweise geometrische Ellen gemeint hat, von denen eine gleich sein soll sechs unsrigen, so liegt auf der Hand, welche Unmasse von Dingen ein solcher Raum fassen konnte. Denn daß eine Arche von solchem Umfang nicht hätte zusammengezimmert werden können, wie man geltend macht, ist grundloses Geschwätz. Man weiß ja doch, daß ungeheure Städte zusammengefügt wurden, und sollte doch auch die hundert Jahre berücksichtigen, die der Bau der Arche in Anspruch nahm. Man müßte nur glauben, daß zwar Stein an Stein, bloß mit Kalk verbunden, Halt genug gewinnen könne, um eine Mauer viele Meilen weit im Kreise aufzuführen, daß aber Holz an Holz mittels Klammern, Pflöcken, Nägeln und der Verklebung durch Pech nicht hinreichend Halt gewinnen könne, um eine solche nicht in geschweiften, sondern der Länge und Breite nach in geraden Linien geführte Arche herzustellen, die dann nicht Menschenkraft ins Meer zu lassen brauchte, sondern das Wasser erheben sollte, wenn es kam, nach dem Naturgesetz des Schwergewichts, und nicht so fast menschliche Geschicklichkeit, als vielmehr die göttliche Vorsehung auf ihrer Fahrt steuern sollte, damit sie nicht irgendwo Schiffbruch leide.
Was aber die schon doch recht ängstliche Frage Band 16, S. 869bezüglich der kleinsten Tiere betrifft, nicht nur als da sind Mäuse und Eidechsen, sondern selbst Heuschrecken, Käfer oder gar Mücken und Flöhe, ob sich davon nicht am Ende eine größere Zahl in jener Arche befunden habe, als die durch Gottes Befehl bestimmte, so seien die deshalb Hinterdenklichen aufmerksam gemacht auf den Sinn des in jenem Befehl vorkommenden Ausdrucks: „Was da kriecht auf Erden“. Damit ist schon gesagt, daß in der Arche den Wassertieren nicht die Erhaltung gesichert zu werden brauchte, und zwar weder denen, die im Wasser selbst leben wie die Fische, noch denen, die auf der Oberfläche des Wassers schwimmen, wie eine große Zahl von Vogelarten, Ferner ist klar ersichtlich, daß, wenn es heißt: „Männchen und Weibchen sollen es sein“, die Arterhaltung als Zweck ins Auge gefaßt ist. Demnach brauchten in der Arche keine solchen Tiere zu sein, die ohne Begattung von selbst entstehen aus allerlei Dingen oder deren Verwesungszuständen; oder wenn es dort solche gab, wie es deren in den Häusern zu geben pflegt, so konnten sie in unbestimmter Zahl vorhanden sein; oder, falls das hochheilige Geheimnis, um das es sich hier handelte, und die Sinnbildung einer so erhabenen Sache zur genauen Erfüllung unbedingt auch in der Wirklichkeit die genannte feste Zahl für gar alles forderte, was nicht von Natur aus im Wasser leben kann, so ist darauf hinzuweisen, daß ja die Sorge hierfür überhaupt nicht den Noe und die Seinigen anging, sondern Gott. Denn Noe hat nicht die Tiere eingefangen und sie in die Arche gesperrt, sondern er hat sie hineingelassen, wie sie kamen und hineingingen. Diese Bedeutung haben nämlich die Worte: „Es werden eingehen zu dir“; nicht durch Zutun des Menschen, sondern auf den Wink Gottes, immerhin jedoch so, daß man sich geschlechtslose Tiere ausgeschlossen zu denken hat. Denn es war vorgeschrieben und festgesetzt: „Männchen und Weibchen sollen es sein“. Es gibt ja Tiere, die aus allerlei Dingen ohne Begattung entstehen, weiterhin aber sich begatten und fortpflanzen, so die Mücken; und andere, bei denen es Männchen und Weibchen überhaupt nicht gibt, so die Bienen. Zu verwundern wäre es ferner, wenn in der Band 16, S. 870Arche Tiere vorhanden gewesen wären, die allerdings geschlechtlich unterschieden, aber unfruchtbar sind, wie die Maulesel und die Mauleselinnen; da hätte es ja genügt, wenn deren Erzeuger vertreten waren, die Arten Pferd und Esel. Das gilt auch von allen anderen etwaigen Tierarten, die durch Vermischung mit anderen Arten eine neue Art hervorbringen. Wenn jedoch auch das zum Geheimnis gehörte, waren die Bastardarten vorhanden; denn immerhin haben auch sie Männchen und Weibchen.
Manche wieder haben Bedenken darüber, welche Art von Nahrungsmitteln in der Arche jenen Tieren wohl hätte zur Verfügung stehen können, die man meist nur als fleischfressende kennt, ob es ohne Mißachtung des Befehls in der Arche mehr als die vorgeschriebene Zahl geben konnte, einen Überschuß von solchen Tieren, die als unentbehrliche Nahrung für andere darin eingeschlossen worden wären, oder ob es, was eher anzunehmen ist, außer dem Fleisch noch andere Nahrungsmittel hätte geben können, die für alle paßten. In der Tat wissen wir, daß viele Tiere, die sich von Fleisch nähren, auch Früchte und Obst fressen, namentlich Feigen und Kastanien. Wäre es also wirklich so auffallend, wenn jener weise und gerechte Mann, noch dazu von Gott belehrt, was jedem Tiere zusage, eine für jede einzelne Art geeignete fleischlose Kost hergerichtet und aufgespeichert hätte? Und der Hunger treibt alles hinein, und Gott konnte jede Nahrung wohlschmeckend und zuträglich machen, wie er auch mit göttlicher Leichtigkeit das Leben ohne Nahrung gefristet hätte, wenn nicht auch die Versorgung der Tiere mit Nahrung dazu gedient hätte, das Sinnbild eines so erhabenen Geheimnisses zu vervollständigen. Aber daß so vielfältige Sinnbilder von wirklichen Geschehnissen keinen vorbildlichen Bezug auf die Kirche hätten, das zu meinen kann sich nur ein Streithahn gestatten. Denn schon haben die Völker in einer Weise die Kirche erfüllt und Reine und Unreine — bis zur Scheidung am Ende — Platz genommen in dem wohlgezimmerten Gefüge ihrer Einheit, daß allein schon diese ganz offenkundige Tatsache den Zweifel an den übrigen Beziehungen verbietet, die Band 16, S. 871weniger klar ausgedrückt und schwerer zu erkennen sind. Die Sache steht also so: Niemand, selbst der Hartgläubigste nicht, wird die Stirne haben, anzunehmen, daß diese Aufzeichnungen unnützerweise gemacht worden seien; niemand kann wahrscheinlich machen, daß diese Dinge sich zwar zugetragen, aber nichts zu bedeuten hätten, oder daß sie ausschließlich in bildlichem Sinne und nicht als Tatsachen erzählt seien, oder daß sie keine sinnbildlichen Beziehungen zur Kirche enthielten; vielmehr ist anzunehmen, daß sie weislich überliefert und aufgezeichnet worden seien, daß sie sich wirklich zugetragen und etwas zu bedeuten haben und daß diese Bedeutung in vorbildlichem Sinne auf die Kirche gehe. Bei diesem Abschnitt angelangt, schließe ich das Buch, um den Verlauf der beiden Staaten, des nach dem Menschen lebenden Weltstaates und des nach Gott lebenden Himmelsstaates, wie er sich nach der Sündflut und weiterhin in den folgenden Begebenheiten gestaltet hat, [in den nächsten Büchern]zu verfolgen.
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The City of God
Chapter 27.--Of the Ark and the Deluge, and that We Cannot Agree with Those Who Receive the Bare History, But Reject the Allegorical Interpretation, Nor with Those Who Maintain the Figurative and Not the Historical Meaning.
Yet no one ought to suppose either that these things were written for no purpose, or that we should study only the historical truth, apart from any allegorical meanings; or, on the contrary, that they are only allegories, and that there were no such facts at all, or that, whether it be so or no, there is here no prophecy of the church. For what right-minded man will contend that books so religiously preserved during thousands of years, and transmitted by so orderly a succession, were written without an object, or that only the bare historical facts are to be considered when we read them? For, not to mention other instances, if the number of the animals entailed the construction of an ark of great size, where was the necessity of sending into it two unclean and seven clean animals of each species, when both could have been preserved in equal numbers? Or could not God, who ordered them to be preserved in order to replenish the race, restore them in the same way He had created them?
But they who contend that these things never happened, but are only figures setting forth other things, in the first place suppose that there could not be a flood so great that the water should rise fifteen cubits above the highest mountains, because it is said that clouds cannot rise above the top of Mount Olympus, because it reaches the sky where there is none of that thicker atmosphere in which winds, clouds, and rains have their origin. They do not reflect that the densest element of all, earth, can exist there; or perhaps they deny that the top of the mountain is earth. Why, then, do these measurers and weighers of the elements contend that earth can be raised to those aerial altitudes, and that water cannot, while they admit that water is lighter, and liker to ascend than earth? What reason do they adduce why earth, the heavier and lower element, has for so many ages scaled to the tranquil ether, while water, the lighter, and more likely to ascend, is not suffered to do the same even for a brief space of time?
They say, too, that the area of that ark could not contain so many kinds of animals of both sexes, two of the unclean and seven of the clean. But they seem to me to reckon only one area of 300 cubits long and 50 broad, and not to remember that there was another similar in the story above, and yet another as large in the story above that again; and that there was consequently an area of 900 cubits by 150. And if we accept what Origen 1 has with some appropriateness suggested, that Moses the man of God, being, as it is written, "learned in all the wisdom of the Egyptians," 2 who delighted in geometry, may have meant geometrical cubits, of which they say that one is equal to six of our cubits, then who does not see what a capacity these dimensions give to the ark? For as to their objection that an ark of such size could not be built, it is a very silly calumny; for they are aware that huge cities have been built, and they should remember that the ark was an hundred years in building. Or, perhaps, though stone can adhere to stone when cemented with nothing but lime, so that a wall of several miles may be constructed, yet plank cannot be riveted to plank by mortices, bolts, nails, and pitch-glue, so as to construct an ark which was not made with curved ribs but straight timbers, which was not to be launched by its builders, but to be lifted by the natural pressure of the water when it reached it, and which was to be preserved from shipwreck as it floated about rather by divine oversight than by human skill.
As to another customary inquiry of the scrupulous about the very minute creatures, not only such as mice and lizards, but also locusts, beetles, flies, fleas, and so forth, whether there were not in the ark a larger number of them than was determined by God in His command, those persons who are moved by this difficulty are to be reminded that the words "every creeping thing of the earth" only indicate that it was not needful to preserve in the ark the animals that can live in the water, whether the fishes that live submerged in it, or the sea-birds that swim on its surface. Then, when it is said "male and female," no doubt reference is made to the repairing of the races, and consequently there was no need for those creatures being in the ark which are born without the union of the sexes from inanimate things, or from their corruption; or if they were in the ark, they might be there as they commonly are in houses, not in any determinate numbers; or if it was necessary that there should be a definite number of all those animals that cannot naturally live in the water, that so the most sacred mystery which was being enacted might be bodied forth and perfectly figured in actual realities, still this was not the care of Noah or his sons, but of God. For Noah did not catch the animals and put them into the ark, but gave them entrance as they came seeking it. For this is the force of the words, "They shall come unto thee," 3 --not, that is to say, by man's effort, but by God's will. But certainly we are not required to believe that those which have no sex also came; for it is expressly and definitely said, "They shall be male and female." For there are some animals which are born out of corruption, but yet afterwards they themselves copulate and produce offspring, as flies; but others, which have no sex, like bees. Then, as to those animals which have sex, but without ability to propagate their kind, like mules and she-mules, it is probable that they were not in the ark, but that it was counted sufficient to preserve their parents, to wit, the horse and the ass; and this applies to all hybrids. Yet, if it was necessary for the completeness of the mystery, they were there; for even this species has "male and female."
Another question is commonly raised regarding the food of the carnivorous animals,--whether, without transgressing the command which fixed the number to be preserved, there were necessarily others included in the ark for their sustenance; or, as is more probable, there might be some food which was not flesh, and which yet suited all. For we know how many animals whose food is flesh eat also vegetable products and fruits, especially figs and chestnuts. What wonder is it, therefore, if that wise and just man was instructed by God what would suit each, so that without flesh he prepared and stored provision fit for every species? And what is there which hunger would not make animals eat? Or what could not be made sweet and wholesome by God, who, with a divine facility, might have enabled them to do without food at all, had it not been requisite to the completeness of so great a mystery that they should be fed? But none but a contentious man can suppose that there was no prefiguring of the church in so manifold and circumstantial a detail. For the nations have already so filled the church, and are comprehended in the framework of its unity, the clean and unclean together, until the appointed end, that this one very manifest fulfillment leaves no doubt how we should interpret even those others which are somewhat more obscure, and which cannot so readily be discerned. And since this is so, if not even the most audacious will presume to assert that these things were written without a purpose, or that though the events really happened they mean nothing, or that they did not really happen, but are only allegory, or that at all events they are far from having any figurative reference to the church; if it has been made out that, on the other hand, we must rather believe that there was a wise purpose in their being committed to memory and to writing, and that they did happen, and have a significance, and that this significance has a prophetic reference to the church, then this book, having served this purpose, may now be closed, that we may go on to trace in the history subsequent to the deluge the courses of the two cities,--the earthly, that lives according to men, and the heavenly, that lives according to God.