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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
23. Von der erythräischen Sibylle, die neben anderen Sibyllen viele in die Augen springende Weissagungen über Christus getan hat.
Zu derselben Zeit hat nach manchen Berichten die erythräische Sibylle geweissagt. Sibyllen gab es, wie sich aus Varro entnehmen läßt, mehrere, nicht bloß die eine. Doch hat gerade diese erythräische Sibylle über Christus einige deutliche Weissagungen verfaßt; auch ich habe ihre Prophetie einmal vor mir gehabt in lateinischer Sprache, in schlechten und holperigen Versen, die irgendein Übersetzer verbrochen hat, wie ich nachmals inne ward. Herr Flaccianus nämlich, der auch Proconsul war, ein Mann von sehr gewandter Redegabe und großer Gelehrsamkeit, hat mir bei einem Gespräch über Christus eine griechische Handschrift vorgewiesen, die Gesänge der erythräischen Sibylle, wie er versicherte, und er zeigte mir darin eine Stelle, in der die Anfangsbuchstaben der Verse, wie sie der Reihe nach folgen, die Worte ergeben: Ἰησοῦς Χρειστός Θεοῦ Υἱός Σωτήρ, das heißt: Jesus Christus, Gottes Sohn, Heiland1. Die Verse, deren Anfangsbuchstaben den erwähnten Sinn geben, Band 28, S. 1078besagen ihrem Inhalte nach, wie sie jemand in besseren lateinischen Versen übersetzt hat, folgendes2:
I Iudicii Signum tellus sudore madescet.
H E caelo rex adveniet per saecla futurus,
C Scilicet ut carnem praesens, ut iudicet orbem.
O Unde Deum cernent incredulus atque fidelis
U Celsum cum sanctis aevi iam termino in ipso.
C Sic animae cum carne aderunt, quas iudicat ipse,X Cum iacet incultus densis in vepribus orbis.
P Reicient simulacra viri, cunctam quoque gazam,
E Exuret terras ignis pontumque polumque
I Inquirens, taetri portas effringet Averni.
Band 28, S. 1079C Sanctorum sed enim cunctae lux libera carni
T Tradetur, sontes aeterna flamma cremabit.
O Occultos actus retegens tunc quisque loquetur
C Secreta, atque Deus reserabit pectora luci.Θ Tunc erit et luctus, stridebunt dentibus omnes.
E Eripitur solis iubar et chorus interit astris.
O Volvetur caelum, lunaris splendor obibit;
C Deiciet colles, valles extollet ab imo.Y Non erit in rebus hominum sublime vel altum.
I Iam aequantur campis montes et caerula ponti
O Omnia cessabunt, tellus confracta peribit:
C Sic pariter fontes torrentur fluminaque igni.C Sed tuba tum sonitum tristem demittet ab alto
ω Orbe, gemens facinus miserum variosque labores,
T Tartareumque chaos monstrabit terra dehiscens.
H Et coram hic Domino reges sistentur ad unum.
P Reccidet e caelo ignisque et sulphuris amnis.
In diesen lateinischen Versen, die hier schlecht und recht aus dem Griechischen übersetzt sind, kann der Sinn nicht zutage treten, der sich beim Aneinanderreihen der Anfangsbuchstaben in der griechischen Urschrift ergibt, wo der Buchstabe U verwendet ist, während sich im Lateinischen keine Wörter finden ließen, die mit diesem Buchstaben beginnen und in den Zusammenhang passen. Es sind drei Verse, um die es sich da handelt, der fünfte, der achtzehnte und der neunzehnte. Wenn wir jedoch die Anfangsbuchstaben sämtlicher Verse aneinanderreihen und uns dabei an Stelle der Anfangsbuchstaben der drei bezeichneten Verse ein U denken, so kommen — in griechischer, nicht in unserer Sprache — die fünf Worte heraus: Jesus Christus, Gottes Sohn, Heiland. Und der Verse sind siebenundzwanzig, eine Zahl, die das Quadrat von drei zum Kubus vervollständigt: denn 3X3 ist 9, und wenn man 9 dreimal nimmt, so daß die in die Länge und Breite sich ausdehnende Figur nun auch in die Höhe steigt, so erhält man 27. Verbindet man aber die Anfangsbuchstaben jener fünf griechischen Wörter; Ἰησοῦς Χρειστός Θεοῦ Υἱός Σωτήρ, d. i. Jesus Christus, Gottes Sohn, Heiland, so ergibt sich ἰχθύς: das heißt: Fisch, eine Bezeichnung, unter der man im Geheimnis Christus versteht, weil er in dem Band 28, S. 1080Abgrund dieser Sterblichkeit wie in tiefen Gewässern lebendig, d. h. ohne Sünde, sich aufzuhalten vermochte. Diese Sibylle, ob es nun die erythräische ist oder, wie andere lieber annehmen, die cumäische, bringt in ihrem ganzen Gedicht, wovon das Vorstehende nur ein kleiner Ausschnitt ist, nicht ein Wort, das sich auf die Verehrung der falschen oder gemachten Götter bezöge, im Gegenteil, sie spricht sich deutlich gegen sie und ihre Verehrer aus, so daß man sie wohl zur Zahl derer rechnen muß, die zum Gottesstaate gehören. Auch Lactantius führt in seinem Werk einige Weissagungen einer Sibylle über Christus an3, ohne jedoch die Sibylle näher zu bezeichnen. Ich teile hier die Stellen mit und gebe nur den von ihm stückweise und in kurzen Sätzen mitgeteilten Text im Zusammenhang als ein längeres Ganzes: „In die boshaften Hände der Ungläubigen wird er alsdann kommen; sie werden Gott Backenstreiche geben mit ihren unreinen Händen und aus unlauterem Munde giftigen Speichel ausspeien; er wird aber seinen heiligen Rücken einfältig den Schlägen darbieten. Und zu Faustschlägen wird er schweigen, damit niemand erkenne, daß er das Wort ist und woher er kommt, um mit den Unterweltlichen zu reden und mit einer Dornenkrone gekrönt zu werden. Zur Speise gaben sie ihm Galle und in seinem Durst Essig; solch ungastlichen Tisch werden sie ihm weisen. Denn töricht, wie du bist, hast du deinen Gott nicht erkannt, der da spottete des Verstandes der Sterblichen, sondern hast ihn [auch noch]mit Dornen gekrönt und die schreckliche Galle gemischt. Der Vorhang des Tempels aber wird zerreißen; und mitten am Tage wird ganz finstere Nacht herrschen drei Stunden lang. Und des Todes wird er sterben, drei Tage schlafend; und dann, von der Unterwelt zurückkehrend, wird er zum Lichte kommen als der erste und den Zurückgerufenen so den Anfang der Auferstehung offenbaren.“ So hat Lactantius das sibyllinische Zeugnis angeführt, aber stückweise es seinen Ausführungen einstreuend nach Erfordernis des Beweisganges, während ich es ohne Zwischeneinschaltungen in Band 28, S. 1081ununterbrochenem Zusammenhang gegeben und nur durch große Anfangsbuchstaben die Sätze auseinandergehalten habe, wenn freilich die Abschreiber sie in der Folge nicht aus Nachlässigkeit unbeachtet lassen. Übrigens wird die erythräische Sibylle mitunter in die Zeit des trojanischen Krieges versetzt, nicht in die des Romulus.
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Über das Sibyllen-Akrostichon vgl. F. J. Dölger in der Röm. Quartalschrift 23 [1909], I 52-68; er ist geneigt, dessen Entstehung an das Ende des 2. christlichen Jahrhunderts zu setzen. Übrigens äußert Augustinus selbst Zweifel an der Echtheit der sibyllinischen Weissagungen; s. unten XVIII 46 gegen Schluß. ↩
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Es ist zum Verständnis der folgenden Bemerkungen Augustins nötig, den Text lateinisch zu geben. Deutsch heißt er in Prosaform: „Das Zeichen des Gerichts, triefen wird die Erde von Schweiß. Vom Himmel wird der ewige König kommen, um persönlich das Fleisch zu richten, um den Erdkreis zu richten. Darum wird der Ungläubige wie der Gläubige Gott schauen, den Erhabenen, mitsamt den Heiligen, am Ende der Weltzeit. So werden die Seelen in ihrem Leibe anwesend sein, und er selbst richtet sie, während die Erde unbebaut in Wüstenei liegt. Da werden die Männer die Götzenbilder wegwerfen und den ganzen Schatz dazu; Feuersglut wird die Erde versengen und das Meer und die Pole heimsuchen und die Pforten der grausen Unterwelt sprengen. Denn ungehemmtes Licht wird sich über alle Leiber der Heiligen ergießen, während ewiges Feuer die Schuldigen verzehren wird. Die verborgenen Handlungen wird jeder aufdecken und Geheimes offenbaren, und Gott wird die Herzen dem Licht erschließen. Da wird es denn Wehklagen geben, und alle werden mit den Zähnen klappern. Das Sonnengestirn erlischt, der Chor der Sterne geht unter, der Himmel wird stürzen, der Glanz des Mondes aufhören. Er wird die Hügel erniedrigen, die Täler aus der Tiefe erheben. Nichts Hohes und Erhabenes wird es mehr geben bei den Menschen. Berge und Ebene sind nun gleich und das blaue Meer, alles wird aufhören, die Erde zerschellen und zugrunde gehen. Ebenso trocknen die Quellen und Flüsse aus im Feuer. Und vom Himmel wird dann die Posaune ihren schauerlichen Klang vernehmen lassen wie klagend über das traurige Schauspiel und die mannigfaltigen Trübsale, und die Erde wird sich spalten und das Chaos ihres Inneren aufdecken. Ohne Ausnahme werden sich da die Könige dem Herrn stellen. Ein Strom von Feuer und Schwefel wird sich vom Himmel ergießen.“ ↩
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Lactantius, Instit. 4, 18 f. ↩
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The City of God
Chapter 23.--Of the Erythraean Sibyl, Who is Known to Have Sung Many Things About Christ More Plainly Than the Other Sibyls. 1
Some say the Erythraean sibyl prophesied at this time. Now Varro declares there were many sibyls, and not merely one. This sibyl of Erythrae certainly wrote some things concerning Christ which are quite manifest, and we first read them in the Latin tongue in verses of bad Latin, and unrhythmical, through the unskillfulness, as we afterwards learned, of some interpreter unknown to me. For Flaccianus, a very famous man, who was also a proconsul, a man of most ready eloquence and much learning, when we were speaking about Christ, produced a Greek manuscript, saying that it was the prophecies of the Erythraean sibyl, in which he pointed out a certain passage which had the initial letters of the lines so arranged that these words could be read in them: 'Iesous Christos Theou uios soter, which means, "Jesus Christ the Son of God, the Saviour." And these verses, of which the initial letters yield that meaning, contain what follows as translated by some one into Latin in good rhythm:
I Judgment shall moisten the earth with the sweat of its standard,
E Ever enduring, behold the King shall come through the ages,
S Sent to be here in the flesh, and Judge at the last of the world.
O O God, the believing and faithless alike shall behold Thee
U Uplifted with saints, when at last the ages are ended.
S Seated before Him are souls in the flesh for His judgment.
Ch Hid in thick vapors, the while desolate lieth the earth.
R Rejected by men are the idols and long hidden treasures;
E Earth is consumed by the fire, and it searcheth the ocean and heaven;
I Issuing forth, it destroyeth the terrible portals of hell.
S Saints in their body and soul freedom and light shall inherit;
T Those who are guilty shall burn in fire and brimstone for ever.
O Occult actions revealing, each one shall publish his secrets;
S Secrets of every man's heart God shall reveal in the light.
Th Then shall be weeping and wailing, yea, and gnashing of teeth;
E Eclipsed is the sun, and silenced the stars in their chorus.
O Over and gone is the splendor of moonlight, melted the heaven,
U Uplifted by Him are the valleys, and cast down the mountains.
U Utterly gone among men are distinctions of lofty and lowly.
I Into the plains rush the hills, the skies and oceans are mingled.
O Oh, what an end of all things! earth broken in pieces shall perish;
S . . . . Swelling together at once shall the waters and flames flow in rivers.
S Sounding the archangel's trumpet shall peal down from heaven,
O Over the wicked who groan in their guilt and their manifold sorrows.
T Trembling, the earth shall be opened, revealing chaos and hell.
E Every king before God shall stand in that day to be judged.
R Rivers of fire and brimstone shall fall from the heavens.
In these Latin verses the meaning of the Greek is correctly given, although not in the exact order of the lines as connected with the initial letters; for in three of them, the fifth, eighteenth, and nineteenth, where the Greek letter U occurs, Latin words could not be found beginning with the corresponding letter, and yielding a suitable meaning. So that, if we note down together the initial letters of all the lines in our Latin translation except those three in which we retain the letter U in the proper place, they will express in five Greek words this meaning, "Jesus Christ the Son of God, the Saviour." And the verses are twenty-seven, which is the cube of three. For three times three are nine; and nine itself, if tripled, so as to rise from the superficial square to the cube, comes to twenty-seven. But if you join the initial letters of these five Greek words, 'Iesous Christos Theou uios soter, which mean, "Jesus Christ the Son of God, the Saviour," they will make the word ichdus, that is, "fish," in which word Christ is mystically understood, because He was able to live, that is, to exist, without sin in the abyss of this mortality as in the depth of waters. 2
But this sibyl, whether she is the Erythraean, or, as some rather believe, the Cumaean, in her whole poem, of which this is a very small portion, not only has nothing that can relate to the worship of the false or feigned gods, but rather speaks against them and their worshippers in such a way that we might even think she ought to be reckoned among those who belong to the city of God. Lactantius also inserted in his work the prophecies about Christ of a certain sibyl, he does not say which. But I have thought fit to combine in a single extract, which may seem long, what he has set down in many short quotations. She says, "Afterward He shall come into the injurious hands of the unbelieving, and they will give God buffets with profane hands, and with impure mouth will spit out envenomed spittle; but He will with simplicity yield His holy back to stripes. And He will hold His peace when struck with the fist, that no one may find out what word, or whence, He comes to speak to hell; and He shall be crowned with a crown of thorns. And they gave Him gall for meat, and vinegar for His thirst: they will spread this table of inhospitality. For thou thyself, being foolish, hast not understood thy God, deluding the minds of mortals, but hast both crowned Him with thorns and mingled for Him bitter gall. But the veil of the temple shall be rent; and at midday it shall be darker than night for three hours. And He shall die the death, taking sleep for three days; and then returning from hell, He first shall come to the light, the beginning of the resurrection being shown to the recalled." Lactantius made use of these sibylline testimonies, introducing them bit by bit in the course of his discussion as the things he intended to prove seemed to require, and we have set them down in one connected series, uninterrupted by comment, only taking care to mark them by capitals, if only the transcribers do not neglect to preserve them hereafter. Some writers, indeed, say that the Erythraean sibyl was not in the time of Romulus, but of the Trojan war.
33, pp. 700 sqq., Engl. transl. (Hist. of the Jews in the times of Jesus. Edinburgh and New York, 1886), vol. iii. 271 sqq.--P.S.]
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The Sibylline Oracles are a collection of prophecies and religious teachings in Greek hexameter under the assumed authority and inspiration of a Sibyl, i.e., a female prophet. They are partly of heathen, partly of Jewish-Christian origin. They were used by the fathers against the heathen as genuine prophecies without critical discrimination, and they appear also in the famous Dies irae alongside with David as witnesses of the future judgment ("teste David cum Sibylla.") They were edited by Alexander, Paris, 2d. ed. 1869, and by Friedlieb (in Greek and German), Leipzig, 1852. Comp. Ewald: Ueber Entstehung, Inhalt und Werth der sibyll. Bücher, 1858, and Schürer, Geschichte der jüd. Volkes im Zeitalter Jesu (Leipzig, 1885), ii. § ↩
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[Hence the fish was a favorite symbol of the ancient Christians. See Schaff, Church Hist. (revised ed.), vol. ii. 279 sq.--P.S.] ↩