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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
18. Sallusts Ausführungen über die gegenteilige Beeinflussung der Sitten der Römer durch Furcht und durch Sicherheit.
Ich will daher zurückhalten und lieber Sallust als Zeugen aufrufen. Kaum hat er zum Ruhme seines Volkes den Ausspruch getan, an den diese Erörterung anknüpfte, nämlich: „Der Sinn für Recht und Sittlichkeit war bei ihnen von Natur aus ebenso stark wie infolge von Gesetzen“, voll des Lobes über die Zeit, da der Staat nach Vertreibung der Könige binnen kurzer Frist mächtig anwuchs, so vernimmt man von ihm im ersten Buch seines Geschichtswerkes, und zwar gleich am Anfang das Eingeständnis, daß es auch damals als die Regierungsgewalt von den Königen an die Konsuln überging, schon sehr bald zu Ungerechtigkeiten der Mächtigeren und in deren Gefolge zur Lostrennung der Plebejer von den Patriziern und zu anderen Mißhelligkeiten unter der Bürgerschaft gekommen sei. Nachdem er nämlich erwähnt hat, daß im römischen Volk zwischen dem zweiten und dem letzten punischen Krieg der beste sittliche Zustand und die größte Eintracht geherrscht habe, wie er sagt, nicht aus Liebe zur Gerechtigkeit, sondern aus Furcht wegen der fortwährenden Gefährdung des Friedens, solang Karthago stand (in demselben Sinne Band 1, S. 103wollte ja auch Nasica1 zur Abwehr der Sittenlosigkeit und zur Erhaltung jenes vortrefflichen Sittenzustandes, bei dem durch Furcht die Laster in Schranken gehalten wurden, von der Zerstörung Karthagos nichts wissen), fährt er unmittelbar darauf fort mit den Worten2:
„Allein Zwietracht, Habsucht, Gunstbuhlerei und die sonstigen Übelstände, die im Wohlergehen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entstehen, haben nach dem Untergang Karthagos mächtig Überhand genommen“;
er gibt uns damit zu verstehen, daß solche Übelstände auch vorher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entstanden und Überhand nahmen. Deshalb fügt er zur Begründung dieser Worte bei: „Denn zu Unbilden der Mächtigeren und in deren Gefolge zur Trennung der Plebejer von den Patriziern und zu anderen Mißhelligkeiten unter den Bürgern kam es schon von Anfang an und nur nach Vertreibung der Könige, so lange, bis die Furcht vor Tarquinius und der gefährliche Krieg mit Etrurien ein Ende nahm, herrschte Recht und Billigkeit“. Er gibt also offenbar selbst für diese kurze Zeit, in der nach Verbannung das heißt Verjagung der Könige Recht und Billigkeit herrschte, die Furcht als Grund dieser Erscheinung an; die Furcht bezog sich auf den Krieg, den König Tarquinius, von Reich und Stadt vertrieben, im Bunde mit den Etruskern wider die Römer führte3. Nun beachte man, was er gleich daranschließt: „Hernach plagten die Patrizier das Volk durch herrisches Wesen, verfügten über Leib und Leben geradeso wie die Könige, vertrieben die Leute von ihrer Scholle und führten allein unter Ausschluß der übrigen das Regiment. Da sich das Volk durch diese Grausamkeiten und vorab durch Wucher schwer bedrückt fühlte, während es doch bei den beständigen Kriegen die Last der Steuern und. des Kriegsdienstes mitzutragen hatte, griff es zu den Waffen und besetzte den heiligen Berg und den Aventin; damals erwarb es sich den Volkstribunat und andere Rechte. Erst der zweite punische Krieg setzte den Zwistigkeiten und dem Kampfe ein Ziel.“ Man sieht Band 1, S. 104daraus, in welcher Verfassung sich schon von diesem Zeitpunkte ab, nämlich kurz nach Vertreibung der Könige, die Römer befanden, von denen er sagt: „Der Sinn für Recht und Sittlichkeit war bei ihnen ebenso stark von Natur aus als infolge von Gesetzen“,
Wenn sich nun aber schon diese Zeiten, in denen es um den römischen Staat gar herrlich und gut stand nach seinen Lobrednern, in solchem Lichte zeigen, wie haben wir dann wohl über den folgenden Zeitabschnitt zu urteilen, da „sich allmählich“, um mich der Worte desselben Geschichtsschreibers4 zu bedienen, „der Wandel vom herrlichsten und besten Staate zum schlechtesten und sittenlosesten vollzog“, nämlich nach der Zerstörung Karthagos, wie er erwähnt hat? Sallust schildert diese Zeiten in knapper Übersicht in seinem Geschichtswerk; dort kann man auch seinen Nachweis lesen, welch schrecklicher Sittenverfall einriß infolge des Wohlergehens und wie er schließlich zu Bürgerkriegen führte. „Seit dieser Zeit“, sagt er5, „ging es mit den Sitten der Vorfahren nicht allmählich, wie vorher, sondern in jähem Sturze wie bei einem Gießbach abwärts; der junge Nachwuchs sank durch Ausschweifung und Habsucht so tief, daß man von ihm mit Recht sagen konnte, er sei nur dazu geboren, um weder selbst ein Vermögen besitzen noch ein solches andern in Ruhe lassen zu können.“ Danach erzählt Sallust allerlei von den Lastern des Sulla und den sonstigen schrecklichen Zuständen im Staate, und andere Schriftsteller sagen das gleiche, wenn auch nicht in gleicher sprachlicher Meisterschaft.
Du siehst daraus jedoch, wie ich glaube, und jeder, der die Augen aufmacht, erkennt ohne Mühe und vollkommen klar, in welchen Sumpf der gräulichsten Sittenlosigkeit jener Staat vor der Ankunft unseres himmlischen Königs versunken war. Denn das hat sich zugetragen, nicht allein bevor Christus, im Fleische unter uns weilend, sein Lehramt aufnahm, sondern schon bevor er von der Jungfrau geboren ward. Da nun unsere Gegner die entsetzlichen Übelstände von damals, die früher noch einigermaßen erträglich waren, nach der Zerstörung Band 1, S. 105Karthagos aber unerträglich und schauderhaft wurden, ihren Göttern nicht beizumessen wagen, die doch den Seelen der Menschen jene Meinungen, aus denen solche Laster emporwuchern konnten, mit böswilliger Schlauheit einimpften, warum messen sie das Unheil der Gegenwart unserm Christus bei, der mit heilsamster Lehre auf der einen Seite die Verehrung der falschen und trügerischen Götter verbietet, auf der andern Seite die verderblichen und schandbaren Begierden der Menschen mit der Kraft göttlicher Autorität verpönt und verdammt und der an diesen Übeln krankenden und dahinsiechenden Welt allenthalben die Seinigen nach und nach entzieht, um mit ihnen einen ewigen Staat zu gründen, der überaus glorreich ist nach dem Richtspruch der Wahrheit, nicht nach dem billigen Beifall der Torheit.
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The City of God
Chapter 18.--What the History of Sallust Reveals Regarding the Life of the Romans, Either When Straitened by Anxiety or Relaxed in Security.
I will therefore pause, and adduce the testimony of Sallust himself, whose words in praise of the Romans (that "equity and virtue prevailed among them not more by force of laws than of nature") have given occasion to this discussion. He was referring to that period immediately after the expulsion of the kings, in which the city became great in an incredibly short space of time. And yet this same writer acknowledges in the first book of his history, in the very exordium of his work, that even at that time, when a very brief interval had elapsed after the government had passed from kings to consuls, the more powerful men began to act unjustly, and occasioned the defection of the people from the patricians, and other disorders in the city. For after Sallust had stated that the Romans enjoyed greater harmony and a purer state of society between the second and third Punic wars than at any other time, and that the cause of this was not their love of good order, but their fear lest the peace they had with Carthage might be broken (this also, as we mentioned, Nasica contemplated when he opposed the destruction of Carthage, for he supposed that fear would tend to repress wickedness, and to preserve wholesome ways of living), he then goes on to say: "Yet, after the destruction of Carthage, discord, avarice, ambition, and the other vices which are commonly generated by prosperity, more than ever increased." If they "increased," and that "more than ever," then already they had appeared, and had been increasing. And so Sallust adds this reason for what he said. "For," he says, "the oppressive measures of the powerful, and the consequent secessions of the plebs from the patricians, and other civil dissensions, had existed from the first, and affairs were administered with equity and well-tempered justice for no longer a period than the short time after the expulsion of the kings, while the city was occupied with the serious Tuscan war and Tarquin's vengeance." You see how, even in that brief period after the expulsion of the kings, fear, he acknowledges, was the cause of the interval of equity and good order. They were afraid, in fact, of the war which Tarquin waged against them, after he had been driven from the throne and the city, and had allied himself with the Tuscans. But observe what he adds: "After that, the patricians treated the people as their slaves, ordering them to be scourged or beheaded just as the kings had done, driving them from their holdings, and harshly tyrannizing over those who had no property to lose. The people, overwhelmed by these oppressive measures, and most of all by exorbitant usury, and obliged to contribute both money and personal service to the constant wars, at length took arms and seceded to Mount Aventine and Mount Sacer, and thus obtained for themselves tribunes and protective laws. But it was only the second Punic war that put an end on both sides to discord and strife." You see what kind of men the Romans were, even so early as a few years after the expulsion of the kings; and it is of these men he says, that "equity and virtue prevailed among them not more by force of law than of nature."
Now, if these were the days in which the Roman republic shows fairest and best, what are we to say or think of the succeeding age, when, to use the words of the same historian, "changing little by little from the fair and virtuous city it was, it became utterly wicked and dissolute?" This was, as he mentions, after the destruction of Carthage. Sallust's brief sum and sketch of this period may be read in his own history, in which he shows how the profligate manners which were propagated by prosperity resulted at last even in civil wars. He says: "And from this time the primitive manners, instead of undergoing an insensible alteration as hitherto they had done, were swept away as by a torrent: the young men were so depraved by luxury and avarice, that it may justly be said that no father had a son who could either preserve his own patrimony, or keep his hands off other men's." Sallust adds a number of particulars about the vices of Sylla, and the debased condition of the republic in general; and other writers make similar observations, though in much less striking language.
However, I suppose you now see, or at least any one who gives his attention has the means of seeing, in what a sink of iniquity that city was plunged before the advent of our heavenly King. For these things happened not only before Christ had begun to teach, but before He was even born of the Virgin. If, then, they dare not impute to their gods the grievous evils of those former times, more tolerable before the destruction of Carthage, but intolerable and dreadful after it, although it was the gods who by their malign craft instilled into the minds of men the conceptions from which such dreadful vices branched out on all sides, why do they impute these present calamities to Christ, who teaches life-giving truth, and forbids us to worship false and deceitful gods, and who, abominating and condemning with His divine authority those wicked and hurtful lusts of men, gradually withdraws His own people from a world that is corrupted by these vices, and is falling into ruins, to make of them an eternal city, whose glory rests not on the acclamations of vanity, but on the judgment of truth?