• Home
  • Works
  • Introduction Guide Collaboration Sponsors / Collaborators Copyrights Contact Imprint
Bibliothek der Kirchenväter
Search
DE EN FR
Works Augustine of Hippo (354-430)

Translation Hide
Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)

19. Der Apostel Paulus an die Thessalonicher über die Offenbarung des Antichrists, an die sich der Tag des Herrn unmittelbar anschließen wird.

Viele Aussprüche der Evangelien und der Apostel über das Jüngste Gericht Gottes muß ich übergehen, sonst würde das Buch einen viel zu großen Umfang annehmen; doch den Apostel Paulus muß ich jedenfalls noch zu Worte kommen lassen mit jener Stelle aus dem Brief an die Thessalonicher, wo er sagt1: „Wir beschwören euch, Brüder, bei der Ankunft unseres Herrn Jesu Christi und unseres Kreises um ihn, daß ihr euch nicht so leicht aus der Fassung bringen und erschrecken lasset, weder durch Geisteseingebung noch durch Berufung auf ein Wort oder einen Brief von uns, als ob der Tag des Herrn schon vor der Türe stünde, damit euch nicht jemand irgendwie betöre; denn zuvor kommt erst noch der Abtrünnige und wird sich der Mensch der Sünde offenbaren, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich erhebt über alles, was Gott heißt oder verehrt wird, so daß er im Tempel Gottes sitzt, sich brüstend, als wäre er Gott. Entsinnt ihr euch nicht, daß euch dies gesagt wurde, als ich noch bei euch war? Und seht auf die Gegenwart: ihr wisset, was aufhält, bis er zu seiner Band 28, S. 1264Zeit sich offenbart. Denn schon ist das Geheimnis der Bosheit am Werk. Es halte nur fest, wer jetzt festhält, bis er aus dem Wege geschafft ist; und dann wird der Bösewicht offenbar werden, den der Herr Jesus töten wird mit dem Hauche seines Mundes; der wird durch die Klarheit seiner Gegenwart den vernichten, dessen Gegenwart kraft der Wirkung Satans sich äußern wird in lauter trügerischen Machttaten, Zeichen und Wundern und in lauter Verführung zur Bosheit für die, welche verloren gehen, darum, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht in sich aufgenommen haben, durch die sie hätten gerettet werden können. Deshalb wird Gott über sie eine Kraft schicken, die sie betört, so daß sie dem Truge glauben und gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern der Bosheit zugestimmt haben.“ Kein Zweifel, vom Antichrist macht Paulus diese Aussagen; der Tag des Gerichtes2 wird erst kommen, sagt er, nachdem zuvor der Antichrist gekommen ist, den er den Abtrünnigen nennt, abtrünnig natürlich von Gott dem Herrn. Kann man diesen Ausdruck mit Recht von jedem Gottlosen gebrauchen, wieviel mehr dann von ihm! Dagegen ist ungewiß, was für ein Tempel Gottes gemeint ist, worin der Antichrist sitzen wird, ob die Ruinen des Salomonischen Tempels oder aber die Kirche; denn ein Tempel irgendeines Götzen oder Dämons kommt nicht in Betracht; einen solchen würde der Apostel nicht Tempel genannt haben. Wegen dieser Schwierigkeit wollen manche als Antichrist an dieser Stelle nicht den Fürsten selbst verstanden wissen, sondern sozusagen seinen gesamten Leib, d. i. die ihm zugehörige Menschenmenge im Verein mit ihm als ihrem Fürsten; es würde dann im lateinischen Text statt „so daß er im Tempel Gottes sitzt“ richtiger heißen müssen „so daß er für den Tempel Gottes sitzt“, wie es im griechischen Texte heißt, also an Stelle des Tempels Gottes, gleich als wäre er der Tempel Gottes, d. i. die Kirche; wie wir sagen: „Er sitzt da für einen Freund“, d. i. als ein Freund, und was dergleichen übliche Redewendungen mehr sind. Wenn es dann weiter heißt: „Und seht auf die Gegenwart: ihr wisset, was aufhält“, d. i. ihr wisset, Band 28, S. 1265was verzögert, was die Ursache seines Zögerns ist, „bis er zu seiner Zeit sich offenbart“, so wollte Paulus das nicht ausdrücklich angeben, weil ja die Thessalonicher es ohnehin wußten. Aber wir wissen es nicht und möchten so gern in die Gedanken des Apostels eindringen, ohne doch trotz aller Mühe dazu imstande zu sein, zumal da die folgenden Worte den Sinn noch mehr verdunkeln. Sie lauten: „Denn schon ist das Geheimnis der Bosheit am Werk. Es halte nur fest, wer jetzt festhält, bis er aus dem Wege geschafft ist.“ Was ist damit gemeint? Ich gestehe, daß ich mir völlig unklar bin, was der Apostel damit sagen wollte. Doch seien wenigstens die Vermutungen angeführt, die ich darüber zu hören oder zu lesen in der Lage war.

Manche3 vertreten die Ansicht, der Ausspruch beziehe sich auf das römische Reich, und der Apostel Paulus habe es nur deshalb nicht ausdrücklich nennen wollen, um sich nicht der falschen Beschuldigung auszusetzen, als habe er dem römischen Reich, das doch als ewig galt, Schlimmes gewünscht; er hätte also mit den Worten: „Denn schon ist das Geheimnis der Bosheit am Werk“ auf Nero angespielt, dessen Taten bereits die des Antichrists zu sein schienen. Im Zusammenhang mit dieser Anschauung vermutet man auch wohl, Nero werde sich wieder erheben und werde der Antichrist sein; oder er habe überhaupt nicht Selbstmord verübt, sondern sei nur in einer Weise beiseite gebracht worden, daß man ihn tot glaubte; in Wirklichkeit sei er lebendig verborgen gehalten und verharre in der Blüte der Jahre, worin er zur Zeit seines vermeintlichen Selbstmordes stand, bis er zu seiner Zeit erscheine und in die Herrschaft wieder eingesetzt werde. Aber diese Ansicht dünkt mich allzu absonderlich und abenteuerlich. Dagegen mag man die Worte: „Es halte nur fest, wer jetzt festhält, bis er aus dem Wege geschafft ist“ recht wohl auf das römische Reich beziehen, wie wenn es also hieße: „Es herrsche nur, wer jetzt herrscht, bis er aus dem Wege geschafft wird“, d. i. beseitigt wird. „Und dann wird der Bösewicht offenbarwerden“, womit der Band 28, S. 1266Antichrist gemeint ist, wie niemand bezweifelt. Andere jedoch legen sich die Sache so zurecht: sie beziehen beide Aussprüche: „Ihr wisset, was aufhält“ und „das Geheimnis der Bosheit“, das am Werk ist, ausschließlich auf jene Bösen und Heuchler, die es innerhalb der Kirche gibt bis zu dem Zeitpunkt, da ihre Zahl eine Höhe erreicht, die dem Antichrist ein großes Volk verschafft; und das sei das Geheimnis der Bosheit, weil es verborgen ist; zum treuen Ausharren im Glauben aber mahne der Apostel die Gläubigen, wenn er sage: „Es halte nur fest, wer jetzt festhält, bis er aus dem Wege geschafft ist“, nämlich bis das Geheimnis der Bosheit, das jetzt verborgen ist, aus der Kirche verschwindet. Diese Auslegung bezieht nämlich eben auf das hier erwähnte Geheimnis die Worte des Johannes in seinem Brief4: „Kinder, es ist die letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, daß der Antichrist kommen wird, so sind hinwieder gerade jetzt viele Antichriste aufgetreten; und daran erkennen wir, daß die letzte Stunde ist. Aus unserer Mitte sind sie ausgegangen, aber sie gehörten nicht zu uns. Hätten sie zu uns gehört, so wären sie ja bei uns geblieben.“ Wie also, so erklärt man, vor dem Ende, in der Stunde, die Johannes die letzte nennt, viele Häretiker, die er als Antichriste bezeichnet, aus der Mitte der Kirche ausgegangen sind, so werden seinerzeit alle aus ihr hinausgehen, die nicht zur Gefolgschaft Christi, sondern zu der des Antichrists gehören, und damit wird der Antichrist offenbar werden.

So vermutet also der eine dies, der andere das hinter den dunklen Worten des Apostels; über allem Zweifel fest steht jedoch, daß er gesagt hat: Christus wird zum Gericht über die Lebendigen und die Toten erst kommen, nachdem vorher sein Widersacher, der Antichrist, gekommen ist, die der Seele nach Toten zu betören; doch bildet es allerdings bereits einen Teil des Gerichtes, daß diese von ihm betört werden. Denn „dessen Gegenwart wird sich“, wie es heißt, „kraft der Wirkung des Satans äußern in lauter trügerischen Machttaten, Zeichen und Wundern, und in lauter Band 28, S. 1267Verführung zur Bosheit für die, welche verloren gehen.“ Jetzt wird nämlich der Satan losgelassen werden und durch jenen Antichrist mit all seiner Kraft eine zwar wunderbare, aber trügerische Wirksamkeit entfalten. Man ist indes darin nicht einig, warum diese Werke trügerische Zeichen und Wunder heißen. Der Trug kann nämlich auf Seiten der blöden Sinne liegen; dann würden es Blendwerke sein, die den Trug herbeiführen und die darin bestehen, daß der Teufel dem Anscheine nach Dinge vollbringt, die er in Wirklichkeit gar nicht vollbringt; es kann sich aber auch um wirkliche Wunder handeln, und dann wäre der Trug darin gelegen, daß man solche Werke nur göttlicher Macht zuschreiben zu dürfen glaubt und sich über die Kraft des Satans täuscht, was sehr leicht möglich ist in einer Zeit, da er eine Gewalt erlangt, wie er sie bis dahin nie besessen hat. So war es ja auch zum Beispiel kein Blendwerk, als Feuer vom Himmel fiel und das ganze zahlreiche Gesinde des frommen Job mitsamt den großen Viehherden mit einem Schlag hinwegraffte und ein Sturmwind das Haus verschüttete und seine Kinder darin begrub5; und doch war dies alles das Werk Satans, dem Gott die Gewalt dazu einräumte. Welche von den beiden Deutungen nun auf die trügerischen Wunder und Zeichen des Antichrists zutrifft, das wird sich wohl erst seinerzeit herausstellen. Ob aber so oder so, jedenfalls werden durch solche Zeichen und Wunder die betört werden, die es nicht anders verdienen, „darum, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht in sich aufgenommen haben, durch die sie hätten gerettet werden können“. Ja, der Apostel nimmt keinen Anstand beizufügen: „Deshalb wird Gott über sie eine Kraft schicken, die sie betört, so daß sie dem Truge glauben.“ Gott nämlich wird schicken, da es seine Schickung ist, die dem Teufel solches zu tun verstattet, Gott seinerseits nach gerechtem Urteil, während Satan es freilich in schlechter und boshafter Absicht ausführt. „So daß alle“, schließt der Apostel, „gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern der Bosheit zugestimmt haben.“ So werden sie also auf Band 28, S. 1268Grund eines Gerichtes betört und auf Grund der Betörung gerichtet werden. Jedoch auf Grund eines Gerichtes werden sie betört werden nach jenen verborgen gerechten, gerecht verborgenen Gerichten Gottes, nach denen er seit der ersten Sünde der vernünftigen Schöpfung ohne Unterlaß richtet; auf Grund der Betörung aber werden sie gerichtet werden bei dem letzten und offenen Gerichte durch Christus Jesus, der ebenso gerecht richten wird, als er ungerecht gerichtet worden ist.


  1. 2 Thess. 2, 1-12. ↩

  2. diesen meint er mit dem „Tag des Herrn“ ↩

  3. So Chrysostomus, Hieronymus und andere. ↩

  4. 1 Joh. 2, 18 f. ↩

  5. Job 1, 16; 19. ↩

Translation Hide
The City of God

Chapter 19.--What the Apostle Paul Wrote to the Thessalonians About the Manifestation of Antichrist Which Shall Precede the Day of the Lord.

I see that I must omit many of the statements of the gospels and epistles about this last judgment, that this volume may not become unduly long; but I can on no account omit what the Apostle Paul says, in writing to the Thessalonians, "We beseech you, brethren, by the coming of our Lord Jesus Christ," 1 etc.

No one can doubt that he wrote this of Antichrist and of the day of judgment, which he here calls the day of the Lord, nor that he declared that this day should not come unless he first came who is called the apostate --apostate, to wit, from the Lord God. And if this may justly be said of all the ungodly, how much more of him? But it is uncertain in what temple he shall sit, whether in that ruin of the temple which was built by Solomon, or in the Church; for the apostle would not call the temple of any idol or demon the temple of God. And on this account some think that in this passage Antichrist means not the prince himself alone, but his whole body, that is, the mass of men who adhere to him, along with him their prince; and they also think that we should render the Greek more exactly were we to read, not "in the temple of God," but "for" or "as the temple of God," as if he himself were the temple of God, the Church. 2 Then as for the words, "And now ye know what withholdeth," i.e., ye know what hindrance or cause of delay there is, "that he might be revealed in his own time;" they show that he was unwilling to make an explicit statement, because he said that they knew. And thus we who have not their knowledge wish and are not able even with pains to understand what the apostle referred to, especially as his meaning is made still more obscure by what he adds. For what does he mean by "For the mystery of iniquity doth already work: only he who now holdeth, let him hold until he be taken out of the way: and then shall the wicked be revealed?" I frankly confess I do not know what he means. I will nevertheless mention such conjectures as I have heard or read.

Some think that the Apostle Paul referred to the Roman empire, and that he was unwilling to use language more explicit, lest he should incur the calumnious charge of wishing ill to the empire which it was hoped would be eternal; so that in saying, "For the mystery of iniquity doth already work," he alluded to Nero, whose deeds already seemed to be as the deeds of Antichrist. And hence some suppose that he shall rise again and be Antichrist. Others, again, suppose that he is not even dead, but that he was concealed that he might be supposed to have been killed, and that he now lives in concealment in the vigor of that same age which he had reached when he was believed to have perished, and will live until he is revealed in his own time and restored to his kingdom. 3 But I wonder that men can be so audacious in their conjectures. However, it is not absurd to believe that these words of the apostle, "Only he who now holdeth, let him hold until he be taken out of the way," refer to the Roman empire, as if it were said, "Only he who now reigneth, let him reign until he be taken out of the way." "And then shall the wicked be revealed:" no one doubts that this means Antichrist. But others think that the words, "Ye know what withholdeth," and "The mystery of iniquity worketh," refer only to the wicked and the hypocrites who are in the Church, until they reach a number so great as to furnish Antichrist with a great people, and that this is the mystery of iniquity, because it seems hidden; also that the apostle is exhorting the faithful tenaciously to hold the faith they hold when he says, "Only he who now holdeth, let him hold until he be taken out of the way," that is, until the mystery of iniquity which now is hidden departs from the Church. For they suppose that it is to this same mystery John alludes when in his epistle he says, "Little children, it is the last time: and as ye have heard that Antichrist shall come, even now are there many antichrists; whereby we know that it is the last time. They went out from us, but they were not of us; for if they had been of us, they would no doubt have continued with us." 4 As therefore there went out from the Church many heretics, whom John calls "many antichrists," at that time prior to the end, and which John calls "the last time," so in the end they shall go out who do not belong to Christ, but to that last Antichrist, and then he shall be revealed.

Thus various, then, are the conjectural explanations of the obscure words of the apostle. That which there is no doubt he said is this, that Christ will not come to judge quick and dead unless Antichrist, His adversary, first come to seduce those who are dead in soul; although their seduction is a result of God's secret judgment already passed. For, as it is said "his presence shall be after the working of Satan, with all power, and signs, and lying wonders, and with all seduction of unrighteousness in them that perish." For then shall Satan be loosed, and by means of that Antichrist shall work with all power in a lying though a wonderful manner. It is commonly questioned whether these works are called "signs and lying wonders" because he is to deceive men's senses by false appearances, or because the things he does, though they be true prodigies, shall be a lie to those who shall believe that such things could be done only by God, being ignorant of the devil's power, and especially of such unexampled power as he shall then for the first time put forth. For when he fell from heaven as fire, and at a stroke swept away from the holy Job his numerous household and his vast flocks, and then as a whirlwind rushed upon and smote the house and killed his children, these were not deceitful appearances, and yet they were the works of Satan to whom God had given this power. Why they are called signs and lying wonders, we shall then be more likely to know when the time itself arrives. But whatever be the reason of the name, they shall be such signs and wonders as shall seduce those who shall deserve to be seduced, "because they received not the love of the truth that they might be saved." Neither did the apostle scruple to go on to say, "For this cause God shall send upon them the working of error that they should believe a lie." For God shall send, because God shall permit the devil to do these things, the permission being by His own just judgment, though the doing of them is in pursuance of the devil's unrighteous and malignant purpose, "that they all might be judged who believed not the truth, but had pleasure in unrighteousness." Therefore, being judged, they shall be seduced, and, being seduced, they shall be judged. But, being judged, they shall be seduced by those secretly just and justly secret judgments of God, with which He has never ceased to judge since the first sin of the rational creatures; and, being seduced, they shall be judged in that last and manifest judgment administered by Jesus Christ, who was Himself most unjustly judged and shall most justly judge.


  1. 2 Thess. ii. 1-11. Whole passage given in the Latin. In ver. 3 refuga is used instead of the Vulgate's discessio. ↩

  2. Augustin adds the words, "Sicut dicimus, Sedet in amicum, id ett, velut amicus; vel si quid aliud isto locutionis genere dici solet." ↩

  3. Suetonius' Nero, c. 57. ↩

  4. 1 John ii. 18, 19. ↩

  Print   Report an error
  • Show the text
  • Bibliographic Reference
  • Scans for this version
Editions of this Work
De civitate Dei (CCSL) Compare
Translations of this Work
La cité de dieu Compare
The City of God
Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
Commentaries for this Work
The City of God - Translator's Preface

Contents

Faculty of Theology, Patristics and History of the Early Church
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Imprint
Privacy policy