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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
11. Widerlegung der Ansicht der Platoniker, daß der Aufenthalt eines Erdenkörpers im Himmel unvereinbar sei mit dem natürlichen Schwergewicht der Elemente.
Wider diese erhabene Gottesgabe führen jene Vernünftler, deren „Gedanken Gott als nichtig kennt“1, das Eigengewicht der Elemente ins Feld; von ihrem Lehrmeister Plato haben sie vernommen, daß die zwei größten und äußersten körperlichen Dinge in der Welt2 durch zwei mittlere, nämlich Luft und Wasser, miteinander vereinigt und verbunden seien. Und demnach kann, so folgern sie, da die Erde von unten herauf gerechnet zuerst kommt, als zweites das Wasser über der Erde, als drittes die Luft über dem Wasser und als viertes erst der Himmel über den Luftschichten, ein Erdenkörper nicht im Himmel sein; denn durch ihr Eigengewicht werden die einzelnen Elemente in gegenseitigem Gleichgewicht gehalten mit der Wirkung, daß jedes in Band 28, S. 1420dem ihm zugeordneten Raume bleibt. Mit solchen Gründen wagt der schwache Mensch, wenn die Nichtigkeit von ihm Besitz ergriffen hat, der Allmacht Gottes entgegenzutreten. Was haben denn nachher so viele Erdenkörper in der Luft zu tun, die doch erst an dritter Stelle nach der Erde kommt? Es müßte nur der, der den irdischen Vogelleibern durch die Leichtigkeit des Gefieders und der Flügel den freischwebenden Aufenthalt in der Luft ermöglicht hat, nicht imstande sein, den unsterblich gewordenen Menschenleibern die Kraft zu verleihen, die sie befähigt, selbst im höchsten Himmel zu wohnen. Auch müßten die nicht zum Fliegen eingerichteten Erden-Leibeswesen, zu denen auch der Mensch gehört, eigentlich unter der Erde leben, so gut wie die Fische, die Wasser-Leibeswesen, unter dem Wasser leben. Warum verbringen Erden-Leibeswesen ihr Leben nicht wenigstens im zweiten Element, im Wasser, sondern gleich im dritten? Warum ersticken sie sofort, trotzdem sie zur Erde gehören, wenn man sie zwingen wollte, auch nur im zweiten Element zu leben, das unmittelbar über der Erde ist; warum müssen sie, um nur überhaupt leben zu können, im dritten leben? Hat sich hier die Elementenordnung geirrt, oder liegt der Fehler vielmehr an den Schlußfolgerungen, und nicht an der Natur der Dinge? Ich will nicht wiederholen, was ich schon im dreizehnten Buch gesagt habe3, daß es gar viele schwere Erdenkörper gibt, z. B. das Blei, die gleichwohl durch künstliche Bearbeitung eine Form annehmen, in der sie auf dem Wasser zu schwimmen imstande sind; und da will man dem allmächtigen Künstler abstreiten, daß der menschliche Leib eine Beschaffenheit annehmen könne, vermöge deren er imstande ist, in den Himmel entrückt zu werden und im Himmel sich aufzuhalten?
Gegen eine solche Möglichkeit kann man auch selbst vom Standpunkt der Elementenordnung aus, auf den man sich steift, nichts, rein gar nichts geltend machen. Mag immerhin in der Reihenfolge nach aufwärts die Erde das erste, das Wasser das zweite, die Luft das dritte, der Himmel das vierte sein: über allen steht doch Band 28, S. 1421die Natur der Seele. Aristoteles hat sie als den fünften Körper bezeichnet, Plato ihre Körperlichkeit in Abrede gestellt. Wäre sie der fünfte, so stünde sie ohnehin über den anderen; da sie aber überhaupt kein Körper ist, so übertrifft sie die anderen erst recht. Was macht sie also in einem Erdenkörper? Feiner als alles, was tut sie in solch schwerer Masse? Leichter als alles, was tut sie in solch wuchtender Last? Schneller als alles, was tut sie in solch unbehilflicher Schwerfälligkeit? Sollte am Ende nicht doch kraft des Wertes dieser so vorzüglichen Natur bewirkt werden können, daß ihr Leib in den Himmel erhoben wird? Werden nicht dereinst die Seelen imstande sein, Erdenkörper emporzuheben, da doch zurzeit die Natur von Erdenkörpern imstande ist, die Seelen herabzudrücken?
Und wenn wir nun übergehen zu ihren Wundern, zu den Wundern ihrer Götter, womit sie sich gegen unsere Märtyrer aufspielen, sehen wir doch genau zu, ob nicht auch diese für uns sprechen und in jeder Hinsicht uns dienlich sind? Zu den großen Wundern also ihrer Götter gehört jedenfalls das von Varro erwähnte, eine vestalische Jungfrau habe, als sie infolge eines falschen Verdachtes wegen Unzucht in Gefahr schwebte, ein Sieb mit Wasser aus dem Tiber gefüllt und vor ihre Richter getragen, ohne daß ein Tropfen durchgesickert wäre. Wer hat da das Wasser über dem Boden des Siebes festgehalten? Wer hat verhindert, daß nichts davon durch die vielen Löcher zu Boden träufelte? Man wird antworten: „Irgendein Gott oder irgendein Dämon.“ War’s ein Gott, so jedenfalls kein größerer als der, der diese Welt erschaffen hat! War’s ein Dämon, so jedenfalls kein mächtigerer als ein Engel, der dem Gott dient, von dem die Welt erschaffen worden ist! Wenn also ein geringerer Gott oder ein Engel oder ein Dämon das Eigengewicht des feuchten Elementes so in der Schwebe zu halten vermochte, daß die natürliche Beschaffenheit des Wassers sich geändert zu haben scheint, so wird doch wohl der allmächtige Gott, der Schöpfer aller Elemente, dem irdischen Leib seine Schwere benehmen können mit der Wirkung, daß der belebte Leib in dem Elemente wohnt, wo der belebende Geist es haben will.
Band 28, S. 1422Wenn man ferner die Luft in die Mitte versetzt zwischen dem Feuer oben und dem Wasser unten, warum findet sie sich dann oft zwischen Wasser und Wasser und zwischen Wasser und Erde? Zu welchem Element will man denn die Regenwolken rechnen? Zwischen ihnen aber und dem Meere findet sich Luft inmitten. Ist es nicht wider alles Eigengewicht und alle Aufeinanderfolge der Elemente, daß die Sturzbäche in ihrem Ungestüm und Wasserreichtum, ehe sie unter der Luft auf dem Erdboden dahineilen, über der Luft als Wolken hängen? Und liegt nicht die Luft inmitten zwischen den Himmelshöhen und der bloßen Erde, soweit nur überhaupt das feste Land sich erstreckt? Wie reimt sich das mit der Behauptung, ihr Platz sei zwischen Himmel und Wasser, zwischen ihr und der Erde schiebe sich das Wasser ein?
Und endlich, wenn die Aufeinanderfolge der Elemente so geordnet ist, daß nach Plato durch die zwei mittleren, nämlich Luft und Wasser, die zwei äußeren, nämlich Feuer und Erde, verbunden werden, wobei das Feuer im höchsten Himmel seinen Platz erhält, die Erde dagegen den ihrigen ganz unten gleichsam als Grundlage der Welt, wenn, sage ich, dies der Grund ist, weshalb Erdenkörper nicht im Himmel sein können, warum ist dann umgekehrt Feuer auf Erden zu finden? Wäre dieser Grund maßgebend, so müßten doch beide Elemente, Erde und Feuer, an die ihnen zugewiesenen Plätze, an den obersten und an den untersten, so gebunden sein, daß von dem, was zum obersten Element gehört, ebensowenig etwas am untersten Platze sein könnte, wie nach der Annahme unserer Gegner etwas von dem, was zum untersten Element gehört, am obersten Platze sein kann. Wie also vermeintlich kein Teilchen Erde im Himmel ist oder sein wird, so dürften wir auch kein Teilchen Feuer auf der Erde sehen. Nun gibt es aber Feuer nicht bloß auf der Erde, sondern auch unter der Erde, und zwar in solchen Mengen, daß Bergesgipfel es ausspeien, und außerdem sehen wir im Dienst des Menschen Feuer auf Erden und es sogar entstehen aus der Erde; es wird ja gewonnen aus Holz und Stein, also aus ausgesprochenen Erdenkörpern. Doch gleich Band 28, S. 1423ist man wieder mit Einwendungen zur Hand: das Feuer am Himmel sei ruhig, rein, unschädlich, ewig, dagegen das auf Erden flackernd, raucherzeugend, vergänglich und verzehrend. Aber es verzehrt doch nicht die Berge, in denen es beständig lodert, und die Krater. Doch zugegeben, die beiden Arten von Feuer seien einander unähnlich, das Erdenfeuer sei also seinem Platz auf Erden angepaßt: warum will man uns nicht glauben lassen, daß die Natur von Erdenkörpern dereinst die Unvergänglichkeit annehme und dadurch dem Himmel angepaßt sein werde, so gut wie jetzt vergängliches Feuer dieser Erdenumgebung angepaßt ist? Man kann also aus Eigengewicht und Aufeinanderfolge der Elemente keinen Grund herleiten, dem allmächtigen Gott vorzuschreiben, daß er mit unseren Leibern nicht Derartiges vornehme, daß sie im Himmel zu wohnen imstande seien.
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput XI: Contra Platonicos, qui de naturalibus elementorum ponderibus argumentantur terrenum corpus in caelo esse non posse.
Contra quod magnum dei donum ratiocinatores isti, quorum cogitationes nouit dominus quoniam uanae sunt, de ponderibus elementorum argumentantur; quoniam scilicet magistro Platone didicerunt mundi duo corpora maxima atque postrema duobus mediis, aere scilicet et aqua, esse copulata atque coniuncta. a per hoc, inquiunt, quoniam terra abhinc sursum uersus est prima, secunda aqua super terram, tertius aer super aquam, quartum super aera caelum, non potest esse terrenum corpus in caelo; momentis enim propriis, ut ordinem suum teneant, singula elementa librantur. ecce qualibus argumentis omnipotentiae dei humana contradicit infirmitas, quam possidet uanitas. quid ergo faciunt in aere terrena tot corpora, cum a terra sit aer tertius? nisi forte, qui per plumarum et pennarum leuitatem donauit auium terrenis corporibus, ut portentur in aere, inmortalibus factis corporibus hominum non poterit donare uirtutem, qua etiam in summo caelo ualeant habitare. animalia quoque ipsa terrena, quae uolare non possunt, in quibus et homines sunt, sicut sub aqua pisces, quae sunt aquarum animalia, ita sub terra uiuere debuerunt. cur ergo non saltem de secundo, id est de aquis, sed de elemento tertio terrenum animal carpit hanc uitam? quare, cum pertineat ad terram, in secundo, quod super terram est, elemento uiuere si cogatur, continuo suffocatur et ut uiuat uiuit in tertio? an errat hic ordo elementorum, uel potius non in natura rerum, sed in istorum argumentationibus deficit? omitto dicere, quod iam in tertio decimo libro dixi, quam multa grauia terrena sint corpora, sicut plumbum, et formam tamen ab artifice accipiant, qua natare ualeant super aquam; et ut accipiat qualitatem corpus humanum, qua ferri in caelum et esse possit in caelo, omnipotenti artifici contradicitur? iam uero contra illud, quod dixi superius, etiam istum considerantes atque tractantes elementorum ordinem, quo confidunt, non inueniunt omnino quod dicant. sic est enim hinc sursum uersus terra prima, aqua secunda, tertius aer, quartum caelum, ut super omnia sit animae natura. nam et Aristoteles quintum corpus eam dixit esse et Plato nullum. si quintum esset, certe superius esset ceteris; cum uero nullum est, multo magis superat omnia. in terreno ergo quid facit corpore? in hac mole quid agit subtilior omnibus? in hoc pondere quid agit leuior omnibus? in hac tarditate quid agit celerior omnibus? ita ne per huius tam excellentius naturae meritum non poterit effici, ut corpus eius leuetur in caelum, et cum ualeat nunc natura corporum terrenorum deprimere animas deorsum, aliquando et animae leuare sursum terrena corpora non ualebunt? iam si ad eorum miracula ueniamus, quae facta a dis suis obponunt martyribus nostris, nonne etiam ipsa pro nobis facere et nobis reperientur omnino proficere? nam inter magna miracula deorum suorum profecto magnum illud est, quod Varro commemorat, Vestalem uirginem, cum periclitaretur falsa suspicione de stupro, cribrum inplesse aqua de Tiberi et ad suos iudices nulla eius parte stillante portasse. quis aquae pondus supra cribrum tenuit? quis tot cauernis patentibus nihil inde in terram cadere permisit? responsuri sunt: aliquis deus aut aliquis daemon. si deus, numquid maior est deo, qui fecit hunc mundum? si daemon, numquid potentior est angelo, qui deo seruit, a quo factus est mundus? si ergo deus minor uel angelus uel daemon potuit pondus umidi elementi sic suspendere, ut aquarum uideatur mutata fuisse natura: ita ne deus omnipotens, qui omnia ipsa creauit elementa, terreno corpori graue pondus auferre non poterit, ut in eodem elemento habitet uiuificatum corpus, in quo uoluerit uiuificans spiritus? deinde cum aera medium ponant inter ignem desuper et aquam subter, quid est quod eum inter aquam et aquam et inter aquam et terram saepe inuenimus? quid enim uolunt esse aquosas nubes, inter quas et maria aer medius reperitur? quonam, quaeso, elementorum pondere atque ordine efficitur, ut torrentes uiolentissimi atque undosissimi, antequam sub aere in terris currant, super aera in nubibus pendeant? cur denique aer est medius inter summa caeli et nuda terrarum, quaquauersum orbis extenditur, si locus eius inter caelum et aquas, sicut aquarum inter ipsum et terras est constitutus? postremo si ita est elementorum ordo dispositus, ut secundum Platonem duobus mediis, id est aere et aqua, duo extrema, id est ignis et terra, iungantur caelique obtineat ille summi locum, haec autem imi uelut fundaminis mundi, et ideo in caelo esse non potest terra, cur est ipse ignis in terra? secundum hanc quippe rationem ita ista duo elementa in locis propriis, imo ac summo, terra et ignis esse debuerunt, ut, quemadmodum nolunt in summo esse posse quod imi est, ita nec in imo posset esse quod summi est. sicut ergo nullam putant uel esse uel futuram esse terrae particulam in caelo, ita nullam particulam uidere debuimus ignis in terra. nunc uero non solum in terris, uerum etiam sub terris ita est, ut eum eructent uertices montium, praeter quod in usibus hominum et esse ignem in terra et eum nasci uidemus ex terra; quandoquidem et de lignis et de lapidibus nascitur, quae sunt corpora sine dubitatione terrena. sed ille, inquiunt, ignis est tranquillus, purus, innoxius, sempiternus; iste autem turbidus, fumeus, corruptibilis atque corruptor. nec tamen corrumpit montes, in quibus iugiter aestuat, cauernasque terrarum. uerum esto, sit illi iste dissimilis, ut terrenis habitationibus congruat: cur ergo nolunt, ut credamus naturam corporum terrenorum aliquando incorruptibilem factam caelo conuenientem futuram, sicut nunc ignis corruptibilis his conuenit terris? nihil igitur adferunt ex ponderibus atque ordine elementorum, unde omnipotenti deo, quominus faciat corpora nostra talia, ut etiam in caelo possint habitare, praescribant.