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Bibliothek der Kirchenväter
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Œuvres Augustin d'Hippone (354-430) Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
2. Buch

19. Die Sittenverderbnis im römischen Staate, ehe Christus mit den Göttern aufräumte.

Siehst du, der römische Staat (nicht erst ich sage das, sondern ihre Schriftsteller, aus denen wir es um Geld erlernt haben, sprachen es schon so lange vor der Ankunft Christi aus) „hat sich allmählich geändert und wurde aus dem herrlichsten und besten zum schlechtesten und sittenlosesten“. Siehst du, wie vor der Ankunft Christi, nach der Zerstörung Karthagos, „es mit den Sitten der Vorfahren nicht allmählich, wie vorher, sondern in jähem Sturze wie bei einem Gießbach abwärts ging; so sehr sank die Jugend durch Ausschweifung und Habsucht“. Man verlese uns doch die Gebote wider Ausschweifung und Habsucht, die die Götter dem römischen Volke gaben; ja hätten sie ihm wenigstens von Keuschheit und Bescheidenheit bloß geschwiegen und nicht sogar Unzucht und Schändlichkeiten von ihm verlangt und diesen Dingen unter dem Scheine, als stehe die Gottheit dahinter, ein verhängnisvolles Ansehen verschafft! Dagegen lese man unsere Schriften, wie sie in Propheten und Evangelium, in der Apostelgeschichte und in den Briefen soviele Mahnungen wider Habsucht und Ausschweifung allenthalben den zur Anhörung versammelten Scharen so herrlich, so göttlich — nicht wie aus den Disputationen der Philosophen, entgegengellen, Band 1, S. 106sondern — wie aus Orakeln und aus Wolken des Himmels entgegendonnern. Und gleichwohl schreiben die Gegner es nicht ihren Göttern zu, daß der Staat durch Ausschweifung und Habsucht und durch häßliche und schandbare Sitten „zum schlechtesten und sittenlosesten wurde“; wohl aber klagen sie ob seiner Heimsuchung, unter der zur Zeit irgendwie ihr Hochmut und ihre Genußsucht gelitten hat, mit vorwurfsvollen Mienen die christliche Religion an. Und doch, würden „die Könige der Erde und alle Völker, die Vornehmen und alle Richter in der Welt, die Jünglinge und die Jungfrauen, die Alten mitsamt den Jungen“1, jedes Alter und jedes Geschlecht, dazu auch die, an welche sich der Täufer Johannes wandte2, die Zöllner und die Soldaten, würden sie alle zumal die Vorschriften der christlichen Religion über gute und rechtschaffene Sitten anhören und zur Richtschnur nehmen, das Gemeinwesen müßte durch seinen glücklichen Zustand die Staaten dieser Welt schmücken und sich zu den Höhen des ewigen Lebens emporschwingen, um dort in ungetrübter Seligkeit zu herrschen. Weil aber der eine hört, der andere ablehnt und die Mehrzahl sich den einschmeichelnden Lastern mehr zuneigt als der heilsamen Herbheit der Tugend, so sind die Diener Christi, seien es nun Könige, Vornehme, Richter oder Soldaten oder Provinzbewohner, Reiche oder Arme, Freie oder Sklaven, Männer oder Frauen, sie sind angewiesen, selbst das schlechteste und sittenloseste Gemeinwesen, wenn es sein müßte, zu ertragen und sich auch durch diese Duldsamkeit einen Platz zu erwerben in der hochheiligen und erhabensten Kurie der Engel und im himmlischen Gemeinwesen, wo der Wille Gottes Gesetz ist.


  1. Ps. 148, 11 f. ↩

  2. Lk. 3, 12 f. ↩

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