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Werke Augustinus von Hippo (354-430) De Civitate Dei Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
3. Buch

16. Die Ereignisse unter den ersten Konsuln, von denen der eine den andern verbannte und bald darauf, mit schrecklichen Morden beladen, an der Wunde, die ihm ein verwundeter Feind beibrachte, zugrunde ging.

Lassen wir nunmehr auch die Zeit an unsern Augen vorüberziehen, da nach Sallusts1 Worten „Recht und Billigkeit herrschte, solange bis die Furcht vor Tarquinius und der gefährliche Krieg mit Etrurien ein Ende nahm“. Solang nämlich die Etrusker dem Tarquinius bei dem Versuche, wieder zur Herrschaft zu gelangen, ihre Unterstützung gewährten, wurde Rom durch einen schweren Krieg erschüttert. Deshalb — also unter dem Druck der Furcht, nicht aus Liebe zur Gerechtigkeit — sei das Staatswesen, sagt er, nach den Forderungen von Band 1, S. 157Recht und Billigkeit geleitet worden2. Eine kurze Spanne Zeit, und doch wie unheilvoll war das Jahr, in welchem nach Abschaffung der Königsgewalt die ersten Konsuln gewählt wurden! Brachten sie doch ihr Jahr gar nicht zu Ende. Denn Junius Brutus vertrieb seinen Amtsgenossen Lucius Tarquinius Collatinus aus Amt und Stadt; bald hernach fiel er selbst im Kampfe, seinen Feind3 im Tode mitreißend, nachdem er früher schon seine eigenen Söhne und die Brüder seiner Gemahlin hatte hinrichten lassen, weil er in Erfahrung gebracht hatte, daß sie sich zur Wiedereinsetzung des Tarquinius verschworen hatten4. Vergil5 hat nachmals dieses Vorkommnis rühmend erwähnt und sich im selben Atemzuge mit Rührung darüber entsetzt. Zuerst sagt er:

„und die Söhne, die Stifter neuer Empörung,

Wird der Vater fürs Heil der Freiheit mit Strafe belegen“, um gleich darauf auszurufen:

„Ach der Unsel'ge, wie über die Tat auch künftig die Welt denkt“.

Wie immer die Nachwelt, meint er, diese Begebenheiten betrachtet, d. h. so sehr man sie auch rühmen und preisen möge, wer seine eigenen Söhne dem Tod überliefert hat, ist unselig. Und er fügt wie zum Troste für den Unseligen bei:

„so siegt doch
Liebe zum Vaterland und die überschwängliche Ruhmgier“.

Scheint es nicht, als ob an diesem Brutus, der seine Söhne in den Tod sandte und seinen von ihm durchbohrten Feind, den Sohn des Tarquinius, selbst von diesem durchbohrt, nicht überlebt hat, während der alte Tarquinius ihn überlebte, die Schuldlosigkeit seines Amtsgenossen Collatinus gerächt worden sei, dieses trefflichen Bürgers, den nach der Vertreibung des Tarquinius dasselbe Los getroffen hat wie den Tyrannen Tarquinius? Soll ja Brutus ebenfalls zu Tarquinius Band 1, S. 158blutsverwandt gewesen sein. Aber auf Collatinus lastete eben die Gleichheit des Namens, da auch er Tarquinius hieß. Nun so hätte man ihn drängen sollen, den Namen zu wechseln, nicht aber das Vaterland aufzugeben; und schließlich hätte in seinem Namen dieses Wort einfach weggelassen und er bloß L. Collatinus genannt werden sollen. Aber was ihm ohne irgend eine Einbuße hätte entzogen werden können, wurde ihm deshalb nicht entzogen, damit der erste Konsul seiner Würde und ein trefflicher Bürger des Bürgerrechtes verlustig gehe. Ist das auch „Ruhm“, die fluchwürdige und für den Staat ganz nutzlose Ungerechtigkeit des Junius Brutus? Hat ihn auch hiezu verleitet „Liebe zum Vaterland und die überschwengliche Ruhmgier“? Schon war doch der tyrannische Tarquinius vertrieben, da wurde als Konsul zugleich mit Brutus gewählt L. Tarquinius Collatinus, der Gemahl der Lucretia. Wie richtig benahm sich das Volk, daß es auf die bürgerlichen Tugenden des Mannes sah, nicht auf seinen Namen! Und wie ruchlos handelte Brutus, daß er seinem Genossen in diesem ersten und neuen Amte, dem er doch bloß den Namen zu entziehen brauchte, wenn er an diesem Anstoß nahm, das Vaterland und die Würde entzog! Und zu einer Zeit geschahen diese schlimmen Dinge und traten diese unheilvollen Ereignisse ein, da im Staate „Recht und Billigkeit herrschte“. Lucretius sodann, der an des Brutus Stelle nachgewählt wurde, starb noch vor Ablauf des Jahres. So brachten endlich P. Valerius, der Nachfolger der Collatinus, und M. Horatius, der für den verstorbenen Lucretius nachgewählt worden war, dieses Unglücks und Schreckensjahr hinaus, das fünf Konsuln gehabt. Unter solchen Auspizien führte Rom die konsularische Würde und Amtsgewalt in sein Staatsleben ein.


  1. Hist. 1, 9. ↩

  2. Vergl. oben II 18 ↩

  3. Arruns, Sohn des Tarquinius Superbus; Liv. 2, 6. ↩

  4. Liv. 2, 5. ↩

  5. Aen. 6, 820 ff. ↩

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