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De Trinitate
VI.
[VI 9] Sed cum se ipsam novit humana mens et amat se ipsam, non aliquid incommutabile novit et amat. Aliterque unusquisque homo loquendo enuntiat mentem suam quid in se ipso agatur attendens; aliter autem humanam mentem speciali aut generali cognitione definit. Itaque cum mihi de sua propria loquitur, utrum intellegat hoc aut illud an non intellegat, et utrum velit an nolit hoc aut illud, credo; cum vero de humana specialiter aut generaliter verum dicit, agnosco et approbo. Unde manifestum est aliud unumquemque videre in se quod sibi alius dicenti credat, non tamen videat; aliud autem in ipsa veritate quod alius quoque possit intueri, quorum alterum mutari per tempora, alterum incommutabili aeternitate consistere. Neque enim oculis corporeis multas mentes videndo per similitudinem colligimus generalem vel specialem mentis humanae notitiam, sed intuemur inviolabilem veritatem ex qua perfecte quantum possumus definiamus non qualis sit uniuscuiusque hominis mens, sed qualis esse sempiternis rationibus debeat.
[10] Unde etiam phantasias rerum corporalium per corporis sensum haustas et quodam modo infusas memoriae, ex quibus etiam ea quae non visa sunt ficto phantasmate cogitantur sive aliter quam sunt sive fortuito sicuti sunt, aliis omnino regulis supra mentem nostram incommutabiliter manentibus vel approbare apud nosmet ipsos vel improbare convincimur cum recte aliquid approbamus aut improbamus. Nam et cum recolo Carthaginis moenia quae vidi et cum fingo Alexandriae quae non vidi easdemque imaginarias formas quasdam quibusdam praeferens, rationabiliter praefero. Viget et claret desuper iudicium veritatis ac sui iuris incorruptissimis regulis firmum est, et si corporalium imaginum quasi quodam nubilo subtexitur, non tamen involvitur atque confunditur.
[11] Sed interest utrum ego sub illa vel in illa caligine tamquam a caelo perspicuo secludar, an sicut in altissimis montibus accidere solet inter utrumque aere libero fruens et serenissimam lucem supra et densissimas nebulas subter aspiciam. Nam unde in me fraterni amoris inflammatur ardor cum audio virum aliquem pro fidei pulchritudine et firmitate acriora tormenta tolerasse? Et si mihi digito ostendatur ipse homo, studeo mihi coniungere, notum facere, amicitia conligare. Itaque si facultas datur, accedo, alloquor, sermonem confero, affectum meum in illum quibus verbis possum exprimo, vicissimque in eo fieri quem in me habeat atque exprimi volo, spiritalemque complexum credendo molior quia pervestigare tam cito et cernere penitus eius interiora non possum. Amo itaque fidelem ac fortem virum amore casto atque germano. Quod si mihi inter nostras loquelas fateatur aut incautus aliquo modo sese indicet quod vel de deo credat incongrua atque in illo quoque aliquid carnale desideret et pro tali errore illa pertulerit, vel speratae pecuniae cupiditate vel inani aviditate laudis humanae, statim amor ille quo in eum ferebar offensus et quasi repercussus atque ab indigno homine ablatus in ea forma permanet ex qua eum talem credens amaveram. Nisi forte ad hoc amo iam ut talis sit cum talem non esse comperero. At in illo homine nihil mutatum est; mutari tamen potest ut fiat quod eum iam esse credideram. In mente autem mea mutata est utique ipsa existimatio quae de illo aliter se habebat et aliter habet, idemque amor ab intentione perfruendi ad intentionem consulendi incommutabili desuper iustitia iubente deflexus est. Ipsa vero forma inconcussae ac stabilis veritatis et in qua fruerer homine bonum eum credens et in qua consulo ut bonus sit eadem luce incorruptibilis sincerissimaeque rationis et meae mentis aspectum et illam phantasiae nubem quam desuper cerno cum eundem hominem quem videram cogito imperturbabili aeternitate perfundit.
Item cum arcum pulchre et aequabiliter intortum quem vidi verbi gratia Carthagine animo revolvo, res quaedam menti nuntiata per oculos memoriaeque transfusa imaginarium conspectum facit. Sed aliud mente conspicio secundum quod mihi opus illud placet, unde etiam si displiceret corrigerem. Itaque de istis secundum illam iudicamus, et illam cernimus rationalis mentis intuitu. Ista vero aut praesentia sensu corporis tangimus aut imagines absentium fixas in memoria recordamur aut ex earum similitudine talia fingimus qualia nos ipsi si vellemus atque possemus etiam opere moliremur, aliter figurantes animo imagines corporum aut per corpus corpora videntes, aliter autem rationes artemque ineffabiliter pulchram talium figurarum super aciem mentis simplici intellegentia capientes.
Übersetzung
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Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit
6. Kapitel. Etwas anderes ist die Erkenntnis eines Dinges in ihm selbst, etwas anderes seine Erkenntnis in der ewigen Wahrheit.
9. Wenn aber der menschliche Geist sich selbst kennt und sich selbst liebt, dann kennt und liebt er nicht etwas S. 54 Unwandelbares, und anders spricht jeder einzelne Mensch seinen Geist in Worten aus, darauf achtend, was in ihm selbst sich begibt; anders wiederum bestimmt er den Menschengeist überhaupt in einer allgemeinen oder besonderen Erkenntnis. Wenn mir daher jemand von seinem eigenen Geiste sagt, daß er dies oder jenes einsehe oder nicht einsehe und ob er dies oder jenes wolle oder nicht wolle, dann glaube ich es. Wenn er aber über den menschlichen Geist überhaupt eine besondere oder allgemeine Wahrheit sagt, so anerkenne ich es und billige es. Daher ist klar, daß es etwas anderes ist, was jeder in sich sieht, was ihm ein anderer auf sein Wort hin glaubt, ohne es jedoch zu sehen, etwas anderes aber, was er in der Wahrheit selbst sieht — dies kann auch ein anderer schauen —, daß das eine wandelbar ist in der Zeit, das andere aber in unwandelbarer Ewigkeit besteht. Nicht gewinnen wir ja, viele Geister mit leiblichen Augen sehend, auf dem Wege der Ähnlichkeit eine allgemeine oder besondere Kenntnis des menschlichen Geistes. Wir schauen vielmehr die unverletzliche Wahrheit, von der aus wir, so vollkommen wir können, bestimmen, nicht wie der Geist eines jeden einzelnen Menschen ist, sondern wie er nach seinen ewigen Wesenszügen sein muß.
10. Darum wird auch unwiderleglich dargetan, daß wir die Vorstellungsbilder körperlicher Dinge, die wir durch den Leibessinn schöpften und die irgendwie in das Gedächtnis einströmten, auf Grund deren wir auch das, was nicht gesehen wurde, in künstlich hervorgerufenen Embildungsbildern1 uns vorstellen, mögen sie der Wirklichkeit widersprechen, mögen sie ihr zufällig entsprechen, nach ganz anderen Regeln, die jenseits unseres S. 55 Geistes unwandelbar bestehen, bei uns billigen oder mißbilligen, wenn wir etwas mit Recht billigen oder mißbilligen. Denn wenn ich mir die Mauern Karthagos, die ich gesehen habe, ins Gedächtnis zurückrufe und von jenen Alexandriens, die ich nicht gesehen habe, mir ein Bild mache, und von eben diesen im Bilde vorgestellten Formen die einen den anderen vorziehe, so ziehe ich sie mit gutem Grunde vor. Lebendig wirkt und leuchtet von oben her das Urteil der Wahrheit, und es steht fest durch unzerstörbare Regeln eigenen Rechts.2 Und wenn es auch von körperlichen Bildern wie von einer dunklen Wolke durchwoben ist, so ist es doch nicht darin eingehüllt und zerrinnt nicht mit ihr.
11. Aber es ist ein Unterschied, ob ich unter diesem oder in jenem Dunkel gleichsam vom durchsichtigen Himmel abgetrennt bin, oder ob ich, wie es einem auf hohen Bergen zu widerfahren pflegt, zwischen beiden der freien Luft mich freuend, das heiterste Licht über mir, den dichtesten Nebel unter mir erblicke. Denn woran entzündet sich in mir das Feuer der Bruderliebe, wenn ich von irgendeinem Manne höre, daß er für die Schönheit und Unbeugsamkeit des Glaubens bittere Qualen erduldet hat? Und wenn mir dieser Mensch mit dem Finger gezeigt wird, dann bemühe ich mich, mit ihm in Verbindung zu treten, mich ihm bekanntzumachen, mit ihm Freundschaft anzuknüpfen. Wenn sich daher die Möglichkeit bietet, dann trete ich hinzu, spreche ihn an, fange ein Gespräch an, drücke meine Zuneigung zu ihm, so gut ich kann, in Worten aus, wünsche, daß umgekehrt auch in ihm Zuneigung zu mir entstehe und zum Ausdruck komme, und trachte darnach, daß die Seelen sich umfangen, im Glauben freilich, da ich sein Inneres nicht so schnell durchforschen und bis in die Tiefe hinein sehen kann. Ich liebe also den treuen und tapferen Mann mit einer lauteren und echten Liebe. Wenn er mir aber in unseren Gesprächen gesteht oder unvorsichtig S. 56 auf irgendeine Weise verrät, daß er von Gott Unzuteffendes glaubt und von ihm auch die Erfüllung fleischlicher Wünsche erwartet und für einen solchen Irrtum jene Leiden ausstand, oder daß er sie ertrug aus gieriger Hoffnung auf Geld oder aus eitlem Verlangen nach Menschenlob, dann wendet sich sogleich die Liebe, von der ich zu ihm getrieben wurde, verletzt und gleichsam zurückgestoßen, von ihm wie von einem unwürdigen Menschen ab, dauert aber in jener Form weiter, aus der heraus ich ihn, im Glauben, er sei so, geliebt hatte. Es müßte denn sein, daß ich ihn nunmehr dazu liebe, daß er so werde, wie er nach meiner Erfahrung noch nicht ist. In diesem Menschen hat sich dabei nichts geändert; es kann jedoch ein Wandel eintreten, daß er wird, was ich bereits von ihm glaubte. In meinem Geiste aber hat sich sicherlich gewandelt meine Meinung über ihn, die anders vorher war und anders jetzt ist. Desgleichen wurde die Liebe von der Absicht, sich an ihm zu erfreuen, zu der Absicht, ratend zur Seite zu stehen, auf den von oben her kommenden Befehl der unwandelbaren Gerechtigkeit umgebogen. Die Form der unerschütterlich feststehenden Wahrheit selbst aber, in der ich mich an einem Menschen freue, an sein Gutsein glaubend, in der ich ihm auch ratend zur Seite stehe, daß er gut werde, durchströmt in unverrückbarer Ewigkeit mit einem und demselben Lichte unzerstörbarer und hellster geistiger Klarheit den Blick meines Geistes und jenes Dunkel der Vorstellungsbilder, das ich von oben her sehe, wenn ich mir einen Menschen, den ich sah, in der Vorstellung vergegenwärtige. Ebenso ist es, wenn ich einen schön und gleichmäßig geschwungenen Bogen, den ich zum Beispiel in Karthago gesehen habe, mir in Erinnerung rufe: der Gegenstand, der durch die Augen dem Geiste kundgetan wurde und in das Gedächtnis eingeströmt ist, bewirkt eine bildhafte Vorstellung. Aber etwas anderes schaue ich im Geiste, gemäß dem mir jenes Werk gefällt; von dieser Schau aus würde ich, S. 57 wenn es mir mißfiele, Kritik üben. Wir urteilen daher über diese Einzeldinge gemäß jener Form; sie schauen wir durch das Auge unseres vernunftbegabten Geistes. Diese Einzeldinge aber berühren wir, wenn sie gegenwärtig sind, mit dem Leibessinn; wenn sie abwesend sind, erinnern wir uns ihrer Bilder, die im Gedächtnis haften, oder wir bilden ihnen ähnliche Vorstellungen, die wir, wenn wir wollten und könnten, auch selbst im Werke ausführen würden. Etwas anderes jedoch ist es, wenn wir in unserer Seele die Bilder von Körpern formen oder durch den Leib Körper sehen, etwas anderes, wenn wir die Urgründe und die unaussprechlich schöne Kunst solcher Formen, die jenseits der Sehkraft unseres Geistes liegt, mit einfacher geistiger Schau fassen.
Augustinus verwendet den Begriff Phantasma. Er versteht darunter die künstlich hervorgerufene Vorstellung (Bild) nicht wahrgenommener Gegenstände, während er unter Phantasia das im Gedächtnis aufbewahrte Bild eines wahrgenommenen Gegenstandes versteht (═ species, imago). Vgl. etwa De trinitate l. XI c. 5 n. 8. ↩
Vgl. S. 19, Anmerkung 1. ↩