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Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit
3. Kapitel. Warum der Sohn mit Vorliebe Weisheit genannt wird.
S. 241 4. Warum wird in der Schrift von der Weisheit fast nie etwas anderes gesagt, als daß sie gezeugt oder geschaffen ist? Gezeugt ist jene, durch die alles geworden ist; geschaffen oder gemacht wird sie etwa in den Menschen, wenn sie sich zu jener, die nicht geschaffen oder gemacht, sondern gezeugt ist, hinwenden und so erleuchtet werden. Da entsteht nämlich in ihnen eine Wirklichkeit, die man ihre Weisheit nennt. Oder es verwirklicht sich, was die Schrift vorhersagte und berichtet, daß nämlich das Wort Fleisch wurde und unter uns gewohnt hat.1 So ist nämlich Christus Weisheit geworden, indem er Mensch wurde. Ist etwa deshalb in der Schrift, so oft die Weisheit spricht oder von ihr eine Aussage gemacht wird, immer nur von der von Gott geborenen oder geschaffenen Weisheit die Rede, wenngleich auch der Vater seinerseits Weisheit ist, weil uns jene Weisheit vor Augen gestellt und zur Nachahmung hingestellt werden sollte, durch deren Nachgestaltung wir selber geformt werden sollten? Der Vater spricht sie nämlich, so daß sie sein Wort ist, nicht ein Wort, das aus dem Munde hervorgebracht und laut wird oder vor seiner Aussprache vorgestellt wird — dieses wird ja im Nacheinander der Zeitteile erst vollendet, jenes aber ist ewig; und indem es uns erleuchtet, sagt es uns von sich selbst und vom Vater, was den Menschen gesagt werden soll. Deshalb heißt es: „Niemand kennt den Sohn als der Vater, und niemand kennt den Vater als der Sohn und, wem es der Sohn offenbaren will.“2 Durch den Sohn offenbart nämlich der Vater, das heißt durch sein Wort. Wenn nämlich schon das zeithafte und vorübergehende Wort, das wir aussprechen, sowohl sich selbst offenbart als auch den Inhalt, über den wir reden, um wieviel mehr das Wort Gottes, durch das alles geworden ist?3 Es S. 242 offenbart den Vater, wie er ist, weil es auch ist, was und wie der Vater ist, sofern es Weisheit und Wesen ist. Sofern es nämlich Wort ist, ist es nicht, was der Vater ist, weil das Wort nicht der Vater ist, sondern eine Beziehung zu ihm besagt, wie Sohn, mit dem der Vater naturgemäß nicht identisch ist. Deshalb ist Christus Kraft und Weisheit Gottes, weil von Vater-Kraft und -Weisheit auch er selbst Kraft und Weisheit ist, wie er Licht vom Vater-Licht und Lebensquell bei Gott dem Vater, also beim Lebensquell ist. „Weil bei dir“, so sagt die Schrift, „des Lebens Quelle ist und wir in deinem Lichte das Licht sehen“.4 Denn „gleichwie der Vater das Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohne verliehen, das Leben in sich selbst zu haben“.5 „Er war das Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt“,6 und dieses Licht war „Wort bei Gott, und Gott war das Wort“.7 Gott aber ist „das Licht, und Finsternis ist nicht in ihm“.8 Es ist nicht ein stoffliches Licht, sondern ein geistiges, nicht eines, das erst durch Erleuchtung geschaffen wurde, wie Christus den Aposteln sagt: „Ihr seid das Licht der Welt.“9 Es ist vielmehr „das Licht, das jeden Menschen erleuchtet“; es ist eben selbst auch Gott, die höchste Weisheit, von der wir jetzt handeln. Die Weisheit-Sohn ist also von der Weisheit-Vater, wie das Licht vom Lichte, Gott von Gott, so jedoch, daß auch der Vater für sich allein Licht ist, daß auch der Sohn für sich allein Licht ist, daß auch der Vater für sich allein Gott ist, und daß auch der Sohn für sich allein Gott ist; ebenso ist auch der Vater für sich allein Weisheit und der Sohn für sich allein Weisheit. Und wie beide zusammen ein Licht und ein Gott sind, so sind sie eine Weisheit. Aber der Sohn ist uns „von Gott her geworden zur Weisheit, Rechtfertigung und Heiligung“,10 weil wir uns in der Zeit zu ihm hinwenden, das heißt von einer bestimmten Zeit an, auf S. 243 daß wir ewig mit ihm bleiben. Und von einer bestimmten Zeit an ist eben „das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“.11
5. Das also ist der Grund, warum vorzüglich der Sohn gemeint ist, wenn die Heilige Schrift auf die Weisheit zu sprechen kommt oder etwas von ihr berichtet, mag dabei die Weisheit selbst redend eingeführt werden oder mag von ihr die Rede sein. Das Beispiel ihres Bildes vor Augen, sollen wir uns von Gott nicht entfernen, da ja auch wir Gottes Bild sind, nicht ein Bild, das Gott gleich ist, da es ja vom Vater durch den Sohn geschaffen wurde, nicht vom Vater geboren ist wie jenes. Außerdem werden wir erleuchtet durch das Licht; dieses Bild aber ist selbst Licht, das erleuchtet. Daher ist uns dieses Bild Vorbild, ohne selber ein Vorbild zu haben. Er geht ja nicht einem nach, der ihm zum Vater voranging, von dem er niemals getrennt werden kann, da er das gleiche Sein hat wie dieser sein Erzeuger. Wir hingegen ahmen vorwärtsstrebend ihn nach, der in sich verharrt; wir gehen hinter ihm her, der stehenbleibt; in ihm wandelnd bewegen wir uns ihm entgegen; er ist ja durch seine Niedrigkeit für uns in der Zeit der Weg geworden, er, der durch seine Gottnatur für uns die bleibende Stätte in der Ewigkeit ist. Er, der Gottgleiche, ja selbst Gott, gibt in seiner Gottesgestalt den reinen, erkennenden Geistern, die nicht durch Hochmut gefallen sind, ein Beispiel. Um sich auch dem gefallenen Menschen, der wegen seiner sündhaften Unreinheit und wegen seiner zur Strafe über ihn verhängten Sterblichkeit Gott nicht sehen konnte, als Vorbild der Rückkehr darzubieten, „hat er sich selbst erniedrigt“,12 nicht indem er seine Gottheit wandelte, sondern indem er unsere Wandelbarkeit annahm. „Indem er Knechtsgestalt annahm“,13 „kam er“ zu uns „in diese Welt“,14 er, der schon „in dieser Welt war“,15 weil „die Welt durch ihn geworden ist“.16 S. 244 Er wollte ein Vorbild sein für die, welche in der Höhe Gott schauen, ein Vorbild für die, welche unten über den Menschen staunen, ein Vorbild für die Gesunden, daß sie ausharren, ein Vorbild für die Kranken, daß sie genesen, ein Vorbild für die Sterbenden, daß sie sich nicht fürchten, ein Vorbild für die Toten, daß sie auferstehen, „in allem den Vorrang besitzend“17. Weil nämlich der Mensch, um zu seiner Seligkeit zu gelangen, nur Gott nachfolgen durfte, Gott aber nicht sehen konnte, deshalb sollte er dem menschgewordenen Gott nachfolgen, dadurch zugleich jenem nachfolgend, den er sehen konnte, und jenem, dem er nachfolgen mußte. Wollen wir also ihn lieben und ihm anhangen in der Kraft der Liebe, die durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist, in unsere Herzen ausgegossen ist!18 Es ist also nicht verwunderlich, wenn wegen des Beispiels, das uns das dem Vater gleiche Bild gibt, damit wir nach dem Bilde Gottes erneuert werden,19 immer der Sohn gemeint ist, wenn in der Schrift von der Weisheit die Rede ist. Wenn wir ihm nachfolgen, leben wir weise. Damit bleibt Jedoch bestehen, daß auch der Vater Weisheit ist, so wie er Licht und Gott ist.
6. Was den Heiligen Geist betrifft, mag er die höchste Liebe sein, die Vater und Sohn untereinander verbindet und uns mit ihnen, indem wir uns ihnen hingeben — unwürdig ist dieser Name deshalb nicht, weil in der Schrift steht: „Gott ist die Liebe“,20 — oder mag man für das Wesen des Heiligen Geistes einen anderen Sondernamen oder Eigennamen wählen, wie sollte er nicht auch Weisheit sein? Er ist doch auch Licht, weil „Gott Licht ist“.21 Weil er Gott ist, ist er Licht, und weil er Licht ist, ist er Weisheit. Daß aber der Heilige Geist Gott ist, spricht die Schrift aus in dem Apostelwort: „Wisset ihr nicht, daß ihr ein Tempel Gottes seid?“ Sofort fügt sie bei: „und der Geist Gottes in euch S. 245 wohnt?“22 Gott wohnt nämlich in seinem Tempel. Nicht wie ein Diener wohnt der Geist Gottes im Tempel Gottes. Anderswo sagt ja die Schrift noch klarer: „Wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott empfangen habt, und daß ihr nicht mehr euch selbst gehört? Denn ihr seid um einen teuren Preis erkauft worden. Darum verherrlicht Gott in eurem Leibe!“23 Was ist aber die Weisheit anderes als ein geistiges, unwandelbares Licht? Auch unsere Sonne ist Licht, aber ein körperliches; auch das geistige Geschöpf ist Licht, aber kein unwandelbares. Licht ist also der Vater, Licht der Sohn, Licht der Heilige Geist, und doch sind sie zusammen nicht drei Lichter, sondern ein Licht. Deshalb ist Weisheit der Vater, Weisheit der Sohn, Weisheit der Heilige Geist, und doch sind sie zusammen nicht drei Weisheiten, sondern eine Weisheit; und weil bei Gott sein und weise sein ein und dasselbe ist, deshalb ist Vater, Sohn und Heiliger Geist ein Wesen, und wiederum: nichts anderes ist bei Gott das Sein und das Gottsein. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind also ein Gott.
Joh. 1, 14. ↩
Matth. 11, 27. ↩
Joh. 1, 3. ↩
Ps. 35, 10 [hebr. Ps. 36, 10]. ↩
Joh. 5, 26. ↩
Joh. 1, 9. ↩
Joh. 1, 1. ↩
1 Joh. 1, 5. ↩
Matth. 5, 14. ↩
1 Kor. 1, 20. ↩
Joh. 1, 14. ↩
Phil. 2, 7. ↩
Phil. 2, 7. ↩
1 Tim. 1, 15. ↩
Joh. 1, 10. ↩
Joh. 1, 10. ↩
Kol. 1, 18. ↩
Röm. 5, 5. ↩
Kol. 3, 10. ↩
1 Joh. 4, 8. ↩
1 Joh. 1, 5. ↩
1 Kor. 3, 16. ↩
1 Kor. 6, 19 f. ↩
Edition
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De Trinitate
III.
[III 4] Cur ergo in scripturis nusquam fere de sapientia quidquam dicitur nisi ut ostendatur a deo genita vel creata? Genita scilicet per quam facta sunt omnia; creata vero vel facta sicut in hominibus cum ad eam quae non creata et facta sed genita est convertuntur et inlustrantur; in ipsis enim fit aliquid quod vocetur eorum sapientia; vel illud scripturis praenuntiantibus aut narrantibus quod verbum caro factum est et habitavit in nobis; hoc modo enim Christus facta sapientia est quia factus est homo. An propterea non loquitur in illis libris sapientia vel de illa dicitur aliquid nisi quod eam de deo natam ostendat aut factam, quamvis sit et pater ipsa sapientia, quia illa nobis sapientia commendanda erat et imitanda cuius imitatione formamur? Pater enim eam dicit ut verbum eius sit, non quomodo profertur ex ore verbum sonans aut ante pronuntiationem cogitatur (spatiis enim temporum hoc completur, illud autem aeternum est), et inluminando dicit nobis et de se et de patre quod dicendum est hominibus. Ideoque ait: Nemo novit filium nisi pater, et nemo novit patrem nisi filius et cui voluerit filius revelare quia per filium revelat pater, id est per verbum suum. Si enim hoc verbum quod nos proferimus temporale et transitorium et se ipsum ostendit et illud de quo loquimur, quanto magis verbum dei per quod facta sunt omnia, quod ita ostendit patrem sicuti est pater quia et ipsum ita est, et hoc est quod pater secundum quod sapientia est et essentia? Nam secundum quod verbum non hoc est quod pater quia verbum non est pater, et verbum relative dicitur sicut filius quod utique non pater.
Et ideo Christus virtus et sapientia dei quia de patre virtute et sapientia etiam ipse virtus et sapientia est sicut lumen de patre lumine et fons vitae apud deum patrem utique fontem vitae. Quoniam apud te, inquit, fons vitae, in lumine tuo videbimus lumen, quia sicut pater habet vitam in semet ipso, sic dedit filio vitam habere in semet ipso; et erat lumen verum quod inluminat omnem hominem venientem in hunc mundum, et lumen hoc verbum erat apud deum, sed et deus erat verbum. Deus autem lumen est, et tenebrae in eo non sunt ullae; lumen vero non corporale sed spiritale, neque ita spiritale ut inluminatione factum sit quemadmodum dictum est apostolis: Vos estis lumen mundi, sed lumen quod inluminat omnem hominem, ea ipsa et summa sapientia deus unde nunc agimus. Sapientia ergo filius de sapientia patre sicut lumen de lumine et deus de deo ut et singulus pater lumen et singulus filius lumen, et singulus pater deus et singulus filius deus; ergo et singulus pater sapientia et singulus filius sapientia. Et sicut utrumque simul unum lumen et unus deus, sic utrumque una sapientia. Sed filius factus est nobis sapientia a deo et iustitia et sanctificatio quia temporaliter nos ad illum convertimur, id est ex aliquo tempore, ut cum illo maneamus in aeternum. Et ipse ex quodam tempore verbum caro factum est et habitavit in nobis.
[5] Propterea igitur cum pronuntiatur in scripturis aut enarratur aliquid de sapientia, sive dicente ipsa sive cum de illa dicitur, filius nobis potissimum insinuatur. Cuius imaginis exemplo et nos non discedamus a deo quia et nos imago dei sumus, non quidem aequalis, facta quippe a patre per filium, non nata de patre sicut illa; et nos quia inluminamur lumine, illa vero quia lumen inluminans, et ideo illa sine exemplo nobis exemplum est. Neque enim imitatur praecedentem aliquem ad patrem a quo numquam est omnino separabilis quia id ipsum est quod ille de quo est. Nos autem nitentes imitamur manentem et sequimur stantem et in ipso ambulantes tendimus ad ipsum quia factus est nobis via temporalis per humilitatem quae mansio nobis aeterna est per divinitatem. Quoniam quippe spiritibus mundis intellectualibus qui superbia non lapsi sunt in forma dei et deo aequalis et deus praebet exemplum, ut se idem exemplum redeundi etiam lapso praeberet homini qui propter immunditiam peccatorum poenamque mortalitatis deum videre non poterat semet ipsum exinanivit non mutando divinitatem suam sed nostram mutabilitatem assumendo, et formam servi accipiens venit ad nos in hunc mundum qui in hoc mundo erat quia mundus per eum factus est ut exemplum sursum videntibus deum, exemplum deorsum mirantibus hominem, exemplum sanis ad permanendum, exemplum infirmis ad convalescendum, exemplum morituris ad non timendum, exemplum mortuis ad resurgendum esset, in omnibus ipse primatum tenens. Quia enim homo ad beatitudinem sequi non debebat nisi deum et sentire non poterat deum, sequendo deum hominem factum sequeretur simul et quem sentire poterat et quem sequi debebat. Amemus ergo eum et inhaereamus illi caritate diffusa in cordibus nostris per spiritum sanctum qui datus est nobis. Non igitur mirum si propter exemplum quod nobis ut reformemur ad imaginem dei praebet imago aequalis patri, cum de sapientia scriptura loquitur, de filio loquitur quem sequimur vivendo sapienter, quamvis et pater sit sapientia sicut lumen et deus.
[6] Spiritus quoque sanctus sive sit summa caritas utrumque coniungens nosque subiungens, quod ideo non indigne dicitur quia scriptum est: Deus caritas est, quomodo non est etiam ipse sapientia cum sit lumen, quoniam deus lumen est? Sive alio modo essentia spiritus sancti singillatim ac proprie nominanda est, quoniam deus est utique lumen est, et quoniam lumen est utique sapientia est. Deum autem esse spiritum sanctum scriptura clamat apud apostolum qui dicit: Nescitis quia templum dei estis? Statimque subiecit: Et spiritus dei habitat in vobis. Deus enim habitat in templo suo. Non enim tamquam minister habitat spiritus dei in templo dei cum alio loco evidentius dicat: Nescitis quia corpora vestra templum in vobis est spiritus sancti quem habetis a deo et non estis vestri? Empti enim estis pretio magno. Glorificate ergo deum in corpore vestro.
Quid est autem sapientia nisi lumen spiritale et incommutabile? Est enim et sol iste lumen sed corporale; est et spiritalis creatura lumen sed non incommutabile. Lumen ergo pater, lumen filius, lumen spiritus sanctus; simul autem non tria lumina sed unum lumen. Et ideo sapientia pater, sapientia filius, sapientia spiritus sanctus; et simul non tres sapientiae, sed una sapientia; et quia hoc est ibi esse quod sapere, una essentia pater et filius et spiritus sanctus. Nec aliud est ibi esse quam deum esse. Unus ergo deus pater et filius et spiritus sanctus.