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Works Augustine of Hippo (354-430) De Trinitate Einleitung

11.

Im Werke über die Dreieinigkeit hat Augustinus keinen Zweifel mehr, daß der Heilige Geist die Liebe ist und daß er durch die Liebe des Vaters und Sohnes hervorgebracht wird. Unlöslich bleibt für ihn freilich auch die tatsächlich unlösliche Frage, wieso der Vater und Sohn, ja Gott die Dreieinigkeit die Liebe ist und wieso diese doch eine personale Eigentümlichkeit des Heiligen Geistes sein soll. Einiges Licht fällt von dieser Charakterisierung des Heiligen Geistes auf die Frage, warum die Hauchung keine Zeugung sei. Wie die Liebe die Folge der Erkenntnis, so ist sie auch deren Ursache. Sie treibt zum Erkennen an. Weder die es verursachende Liebe noch die in ihm ausruhende Liebe darf mit dem Erkennen selbst verwechselt werden.1

Die geschöpflichen Analogien gestatten uns einen Blick auf das göttliche Geheimnis der Dreieinigkeit, weil sie trotz aller Unähnlichkeit zwischen Schöpfer S. 59 und Geschöpf eine Ähnlichkeit zwischen Schöpfer und Geschöpf offenbaren. Die Unähnlichkeit indes ist größer. So legt Augustinus im fünfzehnten Buche seines Trinitätswerkes den tiefen Unterschied zwischen der göttlichen und der menschlichen Dreieinigkeit dar. Man muß sich vor allem hüten, die drei Personen als die Stadien des göttlichen Selbstbewußtseins oder überhaupt des göttlichen Geisteslebens zu verstehen. Gedächtnis, Einsicht, Liebe ist nicht so auf den dreieinigen Gott zu verteilen, daß der Vater Gedächtnis, der Sohn Einsicht, der Heilige Geist Liebe ist. Jede Person ist vielmehr Gedächtnis, jede ist Liebe, jede ist Einsicht. In Gott herrscht ja völlige Einfachheit. In langen Ausführungen weist der Kirchenvater im sechsten und siebten Buche insbesondere nach, daß der Sohn nicht in dem Sinne die Weisheit und Kraft Gottes ist, daß er innerhalb der Dreieinigkeit allein Weisheit und Kraft und für die anderen Personen weise und stark ist. Er verleugnet damit Gedankenreihen, die sich in seinen frühen Schriften finden. In den Werken „De diversis quaestionibus“ und „De fide et symbolo“ zeigt er die Zeitlosigkeit der göttlichen Zeugung damit, daß Gott der doch ewig weise ist, ewig seine Weisheit bei sich haben, sie also immerwährend zeugen muß.2 Diese Gedankengänge konnte Augustinus bei dem Neuplatoniker Marius Viktorinus finden, in dessen System sie wesentliche Bestandteile sind.3 Er konnte sie auch bei griechischen Kirchenvätern, zum Beispiel bei Gregor von Nyssa, lesen. Ja sie lassen sich überhaupt häufig in den voraugustinischen Überlegungen über die Dreieinigkeit treffen. Man wies daraus, daß Gott nicht alogos, nicht der Vernunft bar sein konnte, nach, daß der Logos, die göttliche Vernunft, ewig sein müsse.4 Es wird sich schwer entscheiden lassen, wo die Quellen Augustins zu suchen sind. Auf jeden Fall nehmen sich bei ihm diese Ausführungen in seinem die völlige Gleichheit der Personen und die höchste Einfachheit des Wesens so sehr betonenden Denken wie ein Fremdkörper aus. Es ist S. 60 gedankliche Folgerichtigkeit, wenn er sie im Trinitätswerk entschieden ablehnt. Gerade durch diese Ablehnung offenbart sich, wie wenig Augustinus im Banne neuplatonischer Ideen, ja wie sehr er zu ihnen in Gegensatz steht. Trotzdem bleibt bestehen, daß der Sohn in irgendeiner Weise durch einen Erkenntnisvorgang gezeugt, der Heilige Geist in irgendeiner Weise durch einen Liebesvorgang gehaucht wird. Es bleibt nichts übrig, als zu bekennen, daß Gottes Geistesleben ein ganz anderes ist als das menschliche, mag auch die Dreiheit beiden das Gepräge geben.

Augustins Gedanken haben der Folgezeit ihren Stempel aufgedrückt.5 Vermehrt um die geistigen Entdeckungen und Formulierungen des Boëthius,6 leben sie in allen folgenden Jahrhunderten weiter. Zunächst freilich erlahmte das Interesse und die Kraft für die Fragen der spekulativen Trinitätslehre. Erst Anselm von Canterbury (gest. 1109) erfaßt die augustinischen Ideen wieder in ihrer ganzen Tiefe, ohne sie freilich wesentlich weiterzubilden. Einen weiten Raum nimmt die augustinische Trinitätslehre in den Summen und Sentenzen des zwölften Jahrhunderts ein. Von größter Bedeutung wurde, daß sie Petrus Lombardus in sein Sentenzenwerk aufnahm. Von da aus ging sie in die großen Sentenzenwerke des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts über. Das erste Buch der Sentenzenkommentare ist jeweils auf weiten Strecken nichts anderes als eine Erklärung der augustinischen Triaitätsspekulation. Ihre vollendetste Form und ihre Systematisierung fand sie in der Summa theologica des heiligen Thomas von Aquin. Von einer kaum überschätzbaren Fruchtbarkeit zeigt sich die augustinische Trinitätslehre für das mystische Leben bei Eckhart, Tauler, Ruysbroek, Katharina von Siena, um nur die bedeutendsten Namen zu nennen. In der Neuzeit erweisen sich Bossuet und Scheeben als getreue Schüler Augustins.

Die augustinische Spekulation war freilich im Mittelalter nicht die einzige. Sie mußte im zwölften und S. 61 dreizehnten Jahrhundert mit einer anderen, von Richard von St. Viktor ausgehenden, über Wilhelm von Auxerre zu ihrem größten Vertreter Bonaventura emporsteigenden, tiefen und schönen metaphysisch-psychologischen Erklärung ringen. Diese war von neuplatonischen und aristotelischen Quellen gespeist. Es gehört zu den Paradoxa der Geistesgeschichte, daß das den heiligen Augustinus zurückdrängende und Aristoteles beschwörende trinitarische Gedankengefüge bei den mittelalterlichen Augustinisten heimisch war, die ganz an Augustinus orientierte Richtung hingegen von den Aristotelikern vertreten wurde. Während es im Geiste des hl. Augustinus liegt, zunächst das Wesen Gottes ins Auge zu fassen und den Zeugungsakt als Erkenntnisvorgang zu bestimmen, sieht die andere Richtung zunächst den Vater, der die Quelle der beiden anderen Personen ist, weil er der Erste in der Dreieinigkeit ist, sieht sie in der Zeugung einen Vorgang der Natur, die sie natürlich als Natur des Geistes versteht, aber nicht gerade einen Erkenntnisvorgang.7 Die Tatsache, daß über Thomas von Aquin und auch über Duns Skotus (auf dem Wege über Wilhelm von Ware) die augustinischen Gedankengänge Gewalt bekamen, führte zur Zurückdrängung und zum völligen Vergessen der bonaventuranischen Trinitätsspekuiation. Wer sich einmal von dem Reichtum und der Fülle des mittelalterlichen Denkens beglücken ließ, wird diese Tatsache als Verarmung empfinden. Es wäre ein Gewinn, wenn uns auch diese mittelalterliche Welt wieder zugänglich würde, ein noch größerer freilich, S. 62 wenn sie auch die christliche Verkündigung wieder befruchtete und aus ihrer freiwilligen Selbstbeschränkung herausführte.


  1. De trin. l. IX c. 12, n. 18. Diese Überlegungen berechtigen nicht, von einem Voluntarismus Augustins zu sprechen in dem Sinne, als ob er den Willen oder die Liebe die Grundkraft des Geistes nennen würde. Diese ist der Intellekt. Es gibt keinen Willensakt, dem nicht irgendein Akt des Intellekts vorausginge. Der Wille kann freilich das ganze Geistesleben zu besonderer Energie antreiben und in eine bestimmte Richtung weisen. Vgl. Gilson a. a. O. 393, 564. ↩

  2. De diversis quaest. 83, q. 23. De fide et symbolo, c. 4 n. 5. ↩

  3. Benz a. a. O. 89―92, 139―142. ↩

  4. Schmaus a. a. O. 344 f., 38—61. ↩

  5. Schmaus a. a. O. 417―420. ↩

  6. Vgl. Schurr, Die Trinitätslehre des Boëthius im Lichte der „skythischen Kontroversen“. Paderborn 1935, ↩

  7. Siehe hierzu: A. Stohr, Die Trinitätslehre des heiligen Bonaventura. I. Münster 1923. Derselbe, Die Hauptrichtungen der spekulativen Trinitätslehre in der Theologie des 13. Jahrhunderts, in: Theologische Quartalschrift 106 (1925) 113—135. Derselbe, Des Gottfried von Fontaines Stellung in der Trinitätslehre, in: Zeitschrift für kathol. Theologie 1926, 177—195. M. Schmaus, Der liber propugnatorius des Thomas Anglicus und die Lehrunterschiede zwischen Thomas von Aquin und Duns Scotus. II. Teil. Münster 1930. Derselbe, Die Trinitätslehre des Fulgentius von Ruspe, in Charisteria, AI. Rzach zum 80. Geburtstag dargereicht. Reichenberg 1930. Derselbe, Augustinus und die Trinitätslehre Wilhelms von Ware, in Aurelius Augustinus, hrsg. von Grabmann-Mausbach, Köln 1930. ↩

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Editions of this Work
De Trinitate
Translations of this Work
De la trinité
Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit
The Fifteen Books of Aurelius Augustinus, Bishop of Hippo, on the Trinity
Commentaries for this Work
Einleitung
On the Trinity - Introductory Essay

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