23. Kapitel. Fortsetzung.
S. 316 43. Etwas anderes ist daher die Dreieinigkeit in ihrem eigenen Bestande, etwas anderes das Bild der Dreieinigkeit in einem anderen Sein. Um dieses Bildes willen wird auch die Wirklichkeit, in der es verwirklicht ist, Bild genannt, wie Bild heißt zugleich die Tafel und das, was auf ihr gemalt ist. Aber die Tafel erhält wegen des Gemäldes, das auf ihr ist, auch selbst den Namen Bild. In jener höchsten Dreieinigkeit hingegen, die alle Dinge unvergleichlich überragt, herrscht eine solche Untrennbarkeit, daß während eine Dreiheit von Menschen nicht ein Mensch genannt werden kann, jene Dreieinigkeit ein Gott genannt wird und ist und daß jene Dreieinigkeit nicht in einem Gott ist, sondern der eine Gott. Und wiederum ist nicht, wie das Bild, welches der Mensch darstellt, der jene drei Kräfte hat, eine Person ist, so jene Dreieinigkeit eine Person, sondern es sind drei Personen, der Vater des Sohnes, der Sohn des Vaters und der Geist des Vaters und Sohnes. Wenngleich nämlich in diesem Bilde der Dreieinigkeit das Gedächtnis des Menschen, vor allem jenes, welches die Tiere nicht haben, das heißt jenes, in dem die geistigen Dinge so enthalten sind, daß sie nicht durch die Leibessinne in es gelangen, nach seinem kleinen Maße eine zwar unvergleichlich ungleiche, aber doch irgendwelche Ähnlichkeit mit dem Vater hat, obgleich ebenso die Einsicht des Menschen, welche durch die Aufmerksamkeit des Denkens von dorther geformt wird, wenn man, was man weiß, ausspricht — es ist das Wort des Herzens, keiner Sprache angehörig —, in seiner großen Ungleichheit irgendeine Ähnlichkeit mit dem Sohne hat, wenngleich die Liebe des Menschen, die aus dem Wissen hervorgeht und Gedächtnis und Einsicht verknüpft, gleichsam dem Ursprung und dem Sprößling gemeinsam, — man ersieht daraus, daß sie weder Ursprung noch S. 317 Sprößling ist ― in diesem Bilde irgendeine, obschon sehr ungleiche Ähnlichkeit mit dem Heiligen Geiste hat: so sind doch nicht, wie in diesem Bilde der Dreieinigkeit die drei Kräfte nicht ein Mensch, sondern Eigentum eines Menschen sind, so auch in der höchsten Dreieinigkeit selbst, deren Bild dies ist, jene drei Besitz des einen Gottes, sondern der eine Gott, und drei Personen sind sie, nicht eine. Das ist freilich wunderbar unaussprechlich oder unaussprechlich wunderbar, da eine Person Bild der Dreieinigkeit ist, die höchste Dreieinigkeit selbst hingegen drei Personen ist. Untrennbarer ist jene Dreieinigkeit der drei Personen als diese Dreiheit einer einzigen Person. Jene Dreieinigkeit in der Natur der Göttlichkeit oder, wenn man besser sagt, der Gottheit, ist nämlich das, was sie ist, und ist in sich unwandelbar und immer gleich. Nicht gab es eine Zeit, wo sie nicht war oder wo sie anders war; nicht wird es eine Zeit geben, wo sie nicht sein wird oder wo sie anders sein wird. Jene drei aber, die sich im ungleichen Bilde finden, sind, wenn auch nicht räumlich, da sie keine Körper sind, so doch durch ihre Größe jetzt in diesem Leben voneinander verschieden. Denn wenn es da auch keinerlei Maße gibt, so sehen wir doch, daß in dem einen das Gedächtnis größer ist als die Einsicht, daß es in dem anderen umgekehrt ist, daß wieder in einem anderen diese beiden von der Liebe an Größe übertroffen werden, mögen sie selbst unter sich gleich sein, mögen sie es nicht sein. Und so werden je zwei von einem einzelnen, ein einzelnes von je zweien, je eines von je einem, von den größeren die kleineren an Größe überragt. Und auch wenn sie, von jedem Siechtum geheilt, einmal unter sich gleich sein werden, auch dann wird nicht, was durch Gnade keine Wandlung mehr erfahren soll, nicht gleichkommen der von Natur unwandelbaren Wirklichkeit, weil das Geschöpf dem Schöpfer nicht gleichkommt und eine Wandlung erfahren wird, wenn es von jedem Siechtum geheilt sein wird.
S. 318 44. Aber diese nicht nur unkörperliche, sondern auch höchst untrennbare und wahrhaft unwandelbare Dreieinigkeit werden wir, wenn jene Schau kommt, die uns als eine solche von Angesicht zu Angesicht verheißen ist,1 viel klarer und sicherer schauen als jetzt ihr Bild, das wir sind. Diejenigen jedoch, welche in diesem Spiegel und Rätselbilde zu schauen vermögen, soweit uns in diesem Leben eine Schau gewährt wird, sind nicht jene, die das, was wir ausgeführt und aufgezeigt haben, in dem Bestande ihres Geistes erblicken, sondern jene, die den Geist in seiner Abbildhaftigkeit sehen, so daß sie, was sie sehen, irgendwie auf jenen beziehen können, dessen Bild er ist, und durch das Bild, das sie erblicken und schauen, auch jene Wirklichkeit sehen, wenn auch nur in schwachem Ahnen, da sie dieselbe ja noch nicht von Angesicht zu Angesicht schauen. Denn nicht sagt der Apostel: Wir sehen jetzt einen Spiegel, sondern: „Wir schauen jetzt durch einen Spiegel.“2
