5. Kapitel. Schwierigkeiten des Trinitätsglaubens; Einheit im Sein und Wirken.
8. Manche stoßen sich jedoch an diesem Glauben, wenn sie hören, der Vater sei Gott, der Sohn sei Gott und der Heilige Geist sei Gott, und doch seien diese Dreieinigkeit nicht drei Götter, sondern nur ein Gott. Sie fragen, wie man das begreifen soll, namentlich wo es noch dazu heißt, die Dreieinigkeit sei in jedem Werke, das Gott wirke, untrennbar tätig, und doch habe sich in einer gewissen Weise die Stimme des Vaters vernehmen lassen, welche nicht die Stimme des Sohnes sei, und doch sei im Fleisch geboren worden, habe gelitten, sei auferstanden und in den Himmel aufgefahren nur der Sohn, und doch sei in der Gestalt der Taube nur der Heilige Geist gekommen. Sie wollen verstehen, wieso die Stimme, die nur des Vaters Stimme war, die Dreieinigkeit hervorbrachte, wieso jenes Fleisch, in dem nur der Sohn von der Jungfrau geboren wurde, eben diese Dreieinigkeit geschaffen habe, wieso jene Taubengestalt, in welcher nur der Heilige Geist erschien, wiederum die ganze Dreieinigkeit gewirkt habe. (So muß es ja sein.) Sonst wäre die Dreieinigkeit nicht untrennbar tätig, sondern das eine würde der Vater wirken, das andere der Sohn, das andere der Heilige Geist. Auch wenn sie manches miteinander, manches ohne einander wirkten, wäre die Dreieinigkeit nicht mehr untrennbar. Beunruhigung verursacht auch die Frage, welche Stellung der Heilige Geist in der Dreieinigkeit einnehme, da ihn weder der Vater, noch der Sohn, noch beide zusammen S. 12 gezeugt haben ― er ist ja der Geist des Vaters und des Sohnes. Weil also die Leute solche Fragen stellen und uns damit auf die Nerven gehen, wollen wir, wenn unsere Armseligkeit auf Grund eines göttlichen Geschenkes hierüber etwas weiß, ihnen nach Kräften Aufschluß geben und nicht in verzehrendem Neid unseren Weg gehen.1 Wenn wir sagen wollten, daß wir uns über solche Dinge keine Gedanken zu machen pflegen, dann würden wir lügen. Wenn wir aber gestehen, daß Derartiges in unserem Denken einen breiten Raum einnimmt, weil wir uns hingerissen fühlen von der Liebe zur Wahrheitssuche, dann verlangen die Leute mit dem Rechte der Liebe von uns, daß wir ihnen mitteilen, was wir auszusinnen vermochten, nicht als ob ich es schon erreicht hätte oder vollkommen wäre — denn wenn das beim Apostel Paulus nicht zutrifft, um wieviel weniger darf ich, der ich ihm nicht bis an die Knöchel reiche, mir einbilden, es ergriffen zu haben —, sondern nach meinem bescheidenen Maße, wenn ich vergesse, was hinter mir liegt, und mich nach dem ausstrecke, was vor mir liegt, und, das Ziel im Auge, der Palme der erhabenen Berufung nachjage;2 daß ich also kundtue, wie groß die von mir schon zurückgelegte Wegstrecke ist und an welchen Ort ich schon gekommen bin — von hier aus bleibt mir noch der Lauf bis an das Endziel —, das verlangt man von mir; jene nämlich wünschen es, denen zu dienen mich die Liebe in ihrem freien Walten zwingt. Es ist jedoch nötig, und Gott wird es geben, daß ich, indem ich ihnen die gewünschte Lektüre besorge, auch meinerseits Fortschritte mache, daß ich, indem ich ihre Fragen zu beantworten suche, auch selber die Lösung meiner Fragen finde. So habe ich mich denn auf Geheiß und mit Hilfe des Herrn, unseres Gottes, an dieses Werk gemacht, nicht um fertige Erkenntnisse autoritativ darzubieten, sondern um in ehrfürchtigen Erörterungen Erkenntnis zu gewinnen.