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Werke Augustinus von Hippo (354-430) De Trinitate Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit
FÜNFTES BUCH.

16. Kapitel. Alle zeithaften Aussagen über Gott besagen eine Relation.

17. Kein Bedenken braucht man sich darüber zu machen, daß der Heilige Geist, der doch so ewig ist wie Vater und Sohn, eine zeithafte Bezeichnung erhält, wie es eben der Name „geschenkt“ ist. Der Heilige Geist ist nämlich immerfort Geschenk, wird aber in der Zeit geschenkt. Die gleiche Sachlage haben wir ja bei der Bezeichnung Herr. Herr verlangt notwendig die Existenz eines Dieners. Infolgedessen kommt Gott diese beziehentliche Benennung erst mit der Zeit zu. Die Schöpfung, deren Herr er ist, ist ja nicht immerwährend. S. 210 Wie können wir jedoch dann die Anschauung aufrechterhalten, daß die Beziehungen keine Akzidenzien sind? Gott kann nämlich in der Zeit keinerlei neue Bestimmung erfahren, da er nicht wandelbar ist, wie wir zu Beginn unserer Erörterung dargelegt haben. Nun hat er das Herrsein nicht immer. Sonst müßten wir eine immerwährende Schöpfung annehmen, da Gott ja nicht immerfort Herr sein könnte, wenn nicht die Schöpfung immerfort Dienerin wäre. Wie es keinen Diener gibt, der keinen Herrn hat, so gibt es keinen Herrn, der keinen Diener hat. Wenn jemand mit der Behauptung kommen wollte, Gott sei zwar ewig, die Zeiten aber seien wegen ihrer Wandelbarkeit und Veränderlichkeit nicht ewig, aber die Zeiten hätten doch ihr Sein nicht in der Zeit begonnen — vor dem Beginn der Zeiten gab es ja keine Zeit, und daher kommt das Herrsein Gott nicht in der Zeit zu, da er auch der Zeiten Herr ist, welche ihr Sein nicht in der Zeit begannen —, was will er vom Menschen sagen, der doch in der Zeit geworden ist, dessen Herr also Gott sicher nicht war, bevor der Mensch existierte, dessen Herr er sein sollte? Zweifellos kam also Gott erst in der Zeit das Herrsein über den Menschen zu. Um aber jeder Widerrede den Boden zu entziehen, will ich ein anderes Beispiel wählen. Zweifellos kam es Gott erst in der Zeit zu, dein Herr und mein Herr zu sein, da wir ja unser Dasein eben begonnen haben. Oder soll etwa hier noch Unklarheit möglich sein wegen der dunklen Frage nach dem Ursprung der Seele? Dann verweise ich auf ein anderes Herrsein Gottes, auf jenes über das Volk Israel. Wie steht es damit? Auch wenn die Seele dieses Volkes in ihrem Wesen schon existiert hätte — wir wollen diese Frage jetzt nicht untersuchen —, so hat es doch das Volk selber erst von einer bestimmten Zeit an gegeben. Man kann ja feststellen, wann es in die Geschichte eintrat. Schließlich kommt Gott erst in der Zeit zu, Herr zu sein über den Baum und die Saat, die eben jetzt erst ihr Dasein anfangen. Wenn nämlich auch die S. 211 stofflichen Elemente schon vorher existierten, so ist doch etwas anderes das Herrsein über die stofflichen Elemente, etwas anderes das Herrsein über die geformte Natur. So ist der Mensch zu einer anderen Zeit Herr über das Holz, zu einer anderen Herr über den Kasten, der zwar aus eben diesem Holze verfertigt ist, der aber noch nicht vorhanden war, als der Mensch Herr über das Holz war. Wie können wir also die Anschauung aufrechterhalten, daß von Gott kein Akzidens ausgesagt werden kann? Nur deshalb, weil zu seiner Natur nichts hinzukommt, wodurch sie eine Wandlung erfahren würde. Das sind also beziehentliche Akzidenzien, welche für die Dinge, von denen sie ausgesagt werden, eine Veränderung im Gefolge haben. So ist zum Beispiel Freund ein beziehentliches Wort. Freund kann man nur werden, wenn man zu lieben beginnt. Es muß sich also eine Wandlung im Willen vollziehen, damit man Freund genannt werden kann. Wenn eine Münze Preis heißt, dann ist das eine beziehentliche Bezeichnung. Doch erfuhr sie keine Veränderung, als sie begann, Preis zu sein. So ist es auch, wenn man sie als Pfand verwendet, oder in ähnlichen Fällen. Wenn also eine Münze ohne Veränderung ihrerseits so oft zu einem Gegenstand in Beziehung gesetzt werden kann, so daß weder durch den Beginn noch durch das Aufhören der Beziehung ihr Wesen oder ihre Form, durch welche sie Münze ist, eine Veränderung erleidet, um wieviel leichter noch können wir das von der unwandelbaren Substanz Gottes annehmen? Danach kann von ihm eine Beziehung zur Schöpfung ausgesagt werden, die zwar erst in der Zeit Geltung bekommt, in der man aber nicht eine zu der Substanz Gottes neu hinzukommende Bestimmung, sondern nur eine solche am Geschöpf sehen darf. Der Psalmist sagt: „Herr, du bist meine Zuflucht geworden.“1 Wenn wir Gott unsere Zuflucht nennen, so ist das eine beziehentliche Bezeichnung. Sie hat eine Beziehung zu uns. Denn Gott wird dann S. 212 unsere Zuflucht, wenn wir zu ihm unsere Zuflucht nehmen. Geschieht da etwa in seiner Natur etwas, was nicht war, bevor wir zu ihm hinflüchteten? Die Veränderung liegt also auf unserer Seite. Bevor wir zu ihm flüchteten, waren wir schlechter; wenn wir zu ihm flüchten, werden wir besser. Bei ihm wandelt sich nichts. So fängt Gott auch an, unser Vater zu sein, wenn wir durch seine Gnade wiedergeboren werden. Er gab uns ja die Macht, Kinder Gottes zu werden.2 Unsere Substanz wird also in einen besseren Zustand verwandelt, wenn wir seine Söhne werden; zugleich begann er unser Vater zu werden, aber ohne Wandlung seiner Substanz. Wenn also von Gott eine zeithafte Aussage gemacht wird, so handelt es sich offensichtlich um eine Beziehung. Doch schließt diese keine neue akzidenzielle Bestimmung Gottes in sich, als ob zu Gott etwas neu hinzukäme, sondern offenkundig nur eine solche an dem Geschöpf, zu dem Gott nach unserer Aussageweise in Beziehung tritt. Wenn etwa der Gerechte Freund Gottes wird, so ist er es, der sich wandelt. Fern sei uns aber die Annahme, daß Gott erst in der Zeit jemanden liebt, gleich als würde seine Liebe erst entstehen, während sie vorher nicht war, wo doch bei ihm Vergangenes nicht vergangen ist und Zukünftiges schon geschehen ist. Er liebte also alle Heiligen vor der Erschaffung der Welt, wie er sie auch vorherbestimmte.3 Aber wenn sie sich bekehren und ihn finden, dann beginnen sie nach unserer Ausdrucksweise von ihm geliebt zu werden. Dieser Ausdrucksweise müssen wir uns bedienen, um unserem menschlichen Herzen den gemeinten Sachverhalt faßlich zu machen. Auch wenn man von Gott sagt, daß er den Bösen zürnt, den Guten gnädig ist, so liegt das verschiedene Verhalten bei diesen, nicht bei ihm. So ist auch das Licht für schwache Augen grell, für starke mild; die Verschiedenheit betrifft das Auge, nicht das Licht.


  1. Ps. 89, 1 [hebr. Ps. 90, 1]. ↩

  2. Joh. 1, 12. ↩

  3. Augustins Prädestinationslehre ist nicht die kirchliche. ↩

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