1. Niederschriften und Verfasserkorrekturen.
C. 24,9 [Augustin beschäftigte sich nur widerwillig mit den weltlichen Aufgaben seines bischöflichen Amts], „quibus dispositis et ordinatis tamquam a rebus mordacibus ac molestis animi recursum ad interiora mentis et superiora faciebat, quo vel de inveniendis divinis cogitaret, vel de iam inventis aliquid dictaret, aut certe ex iam dictatis atque transscriptis aliquid emendaret“. Hieraus ergibt sich, daß die Emendatio der eigenen Schriften einen so bedeutenden Teil der geistigen Arbeit Augustins in Anspruch genommen hat, daß sie Possidius neben der „cogitatio“ und dem Diktieren neuer Schriften besonders anführt — eine unschätzbare einzigartige Mitteilung! Das also, was Augustin in seinen „Retraktationen“ am Schluß seines Lebens geleistet hat, war nur die abschließende Fortsetzung einer Tätigkeit, die ihn schon früher fort und fort beschäftigt und einen bedeutenden Teil seiner Zeit erfordert hat. Anlaß zur Emendatio bot sowohl die förmliche Herausgabe einer Schrift, die bisher nur wenigen Freunden bekannt war, als auch die fortschreitende Entwicklung des Verfassers in Lehre und Leben, sodann aber auch die Prüfung kursierender Exemplare, die oftmals entstellt zu ihrem Autor zurückkamen. Beispiele für den letzteren Fall sind in der altkirchlichen Literatur nicht selten: für das 2. Jahrhundert s. die Klage des Bischofs Dionysius von Korinth (Euseb., h. e. IV, 23, 12), vgl. dazu Irenäus (ebendort V, 20, 2).1 Die leidige und zeitraubende Tätigkeit der Emendatio der eigenen Schriften ist erst durch den Buchdruck fortgefallen, aber keineswegs vollständig, weil die in Nachdrucken erschienenen Schriften oft genug absichtlich oder unabsichtlich entstellt worden sind und weil die neuen Auflagen die Verfasser zu Emendationen nötigen.
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Über Unterschiebungen oder böswillige Verfälschungen der Werke Augustins hat Possidius nichts berichtet. ↩