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Dialog Octavius (BKV)
XII.
1. Nicht einmal von der Gegenwart laßt ihr euch belehren, wie trügerisch die Verheißungen und nichtig die Wünsche sind, durch welche ihr euch täuschen läßt. Urteilt doch, ihr Unseligen, nach den Erfahrungen in eurem Leben, was nach dem Tode euer Los sein wird. 2. Seht nur! Ein Teil von euch, und zwar der größere und eurer Meinung nach der bessere, leidet Not und friert, hungert und plagt sich ab. Euer Gott duldet das und tut, als sähe er das nicht. Er will oder kann den Seinigen nicht helfen: also ist er entweder machtlos oder ungerecht! 3. Der du von einer Unsterblichkeit nach dem Tode träumst, merkst du noch nicht, wie es um dich steht, wenn dich eine lebensgefährliche Krankheit durchschauert, das Fieber dich durchglüht, wenn du von Schmerz geplagt wirst? Erkennst du noch nicht deine Hinfälligkeit? Wider Willen wirst du, Unglücksmensch, deiner Gebrechlichkeit überwiesen und doch willst du es nicht gestehen! 4. Aber ich will nicht länger von allgemeinen Tatsachen reden. Doch seht! Euch treffen drohende Erlasse, Hinrichtungen, Folter und Kreuze -- aber nicht um sie anzubeten sondern um S. 154 sie zu besteigen -- auch Feuersgluten, wie ihr es vorausverkündet und fürchtet. Wo ist da jener Gott, welcher den Wiederauflebenden helfen kann, aber nicht den Lebenden? 5. Herrschen und regieren nicht die Römer ohne euren Gott, sind sie nicht ohne ihn im Genusse des ganzen Erdkreises und auch eure Gebieter? Ihr dagegen seid stets in Sorge und Angst und enthaltet euch der ehrbaren Vergnügungen. Ihr besucht keine Schauspiele, nehmt an den öffentlichen Prozessionen nicht teil; die öffentlichen Gastmähler und die heiligen Spiele finden ohne euch statt. Ihr verschmäht die Speisen, welche den Göttern geopfert und die Getränke, welche auf ihren Altären geweiht wurden. Demnach fürchtet ihr doch die Götter, die ihr leugnet! 6. Ihr bekränzt nicht mit Blumen euer Haupt, gönnt dem Leib keine Wohlgerüche. Ihr spart die Salben auf für die Leichname, versagt aber dafür den Gräbern die Blumenkränze, ihr schlotternden Bleichgesichter, würdig des Mitleids -- aber unserer Götter. So ersteht ihr Armen weder nach dem Tode, noch lebt ihr vor demselben. 7. Wenn ihr also noch ein bißchen Klugheit oder Ehrgefühl habt, so höret auf, Himmelszonen, der Welten Schicksal und Geheimnisse zu ergründen. Es soll euch genügen, das zu erkennen, was euch sozusagen vor den Füßen liegt, zumal für Leute ohne Gelehrsamkeit und Bildung, ohne Erziehung und Lebensart, die nichts von politischen Dingen verstehen, um wieviel weniger göttliche Dinge erörtern können.
Edition
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Marci Minucii Felicis Octavius
Caput XII
ARGUMENTUM. — Quid autem ipsismet Christianis post mortem eventurum sit, inde augurari possimus, quod nunc omni ope destituti, summis calamitatibus et miseriis premuntur.
Nec saltem de praesentibus capitis experimentum, quam vos irritae pollicitationis cassa vota decipiant: quid post mortem impendeat, miseri, dum adhuc vivitis, aestimate. Ecce pars vestrum et major [et] melior, ut dicitis, egetis, algetis, opere, fame, laboratis: et Deus patitur, dissimulat; non vult, aut non potest opitulari suis. Ita aut invalidus, aut iniquus est. Tu qui immortalitatem postumam somnias, cum periculo quateris, cum febribus ureris, cum dolore laceraris, non tum conditionem tuam sentis? Non tum agnoscis fragilitatem? Invitus, miser, infirmitatis argueris, nec fateris? Sed omitto communia; ecce vobis minae, supplicia, tormenta, et jam non adorandae, sed subeundae cruces: ignes etiam, quos et praedicitis, et timetis: ubi Deus ille, qui subvenire reviviscentibus potest, viventibus non potest? Nonne Romani sine vestro Deo imperant, regnant, fruuntur orbe toto, vestrique dominantur? Vos vero suspensi interim atque solliciti, honestis voluptatibus abstinetis. Non spectacula visitis, non pompis interestis: convivia publica absque vobis; sacra certamina, praecerptos cibos, et delibatos altaribus potus abhorretis. Sic reformidatis deos, quos negatis. Non floribus caput nectitis; non corpus odoribus honestatis: reservatis unguenta funeribus: coronas etiam sepulchris denegatis, pallidi, trepidi, misericordia digni, sed nostrorum deorum. Ita nec resurgitis miseri, nec interim vivitis. Proinde si quid sapientiae vobis, aut verecundiae est, desinite coeli plagas, et mundi fata et secreta rimari: satis est pro pedibus aspicere, maxime indoctis, impolitis, rudibus, agrestibus: quibus non est datum intelligere civilia, multo magis denegatum est disserere divina.