Übersetzung
ausblenden
Dialog Octavius (BKV)
XXIV.
1. Viel richtiger beurteilen die stummen Tiere eure Götter infolge ihres natürlichen Instinktes. Die Mäuse, Schwalben und Geier wissen wohl, daß jene keine Empfindung haben. Sie nagen daran, treten sie mit Füßen, setzen sich darauf und wenn ihr sie nicht verjagt, nisten sie sogar im Munde eures Gottes. Die Spinnen vollends überweben sein Gesicht und hängen an seinem Haupte ihre Fäden auf. 2. Ihr müßt sie abwischen, reinigen, abschaben und habt Angst vor ihnen, während ihr sie doch fertigt und schützt. Es denkt jeder von euch, er müsse erst einen Gott kennen, bevor er ihn verehrt; aber man leistet den Eltern gedankenlos Folge. Man will lieber einem fremden Irrtum beitreten, als sich selbst Glauben schenken, wahrend man doch keine Ahnung von dem hat, was man fürchtet. So wird im Gold und Silber die Habsucht geheiligt, so die Form gehaltloser Statuen zur Geltung gebracht, so ist der Aberglaube der Römer entstanden.
3. Wenn man ihre Gebräuche mustert, wieviel des Lächerlichen und Erbärmlichen findet sich dabei! Mitten im rauhen Winter laufen sie halbnackt herum, andere kommen mit einem Filzhut bedeckt, tragen alte Schilde herum, schlagen Pauken, tragen Götter bettelnd von Gasse zu Gasse. Manche Tempel darf man nur einmal im Jahr besuchen, manche gar nie. In S. 178 einige darf kein Mann gehen; zu manchen Gottesdiensten ist den Frauen der Zutritt versagt; auch ist es für Sklaven ein sühneheischendes Vergehen, bestimmten Zeremonien anzuwohnen. Manche Heiligtümer bekränzt ein Weib, das nur einen Mann hat, andere ein Weib vieler Männer, und man sucht mit großem Eifer eines, das mehrere Ehebrüchen aufweisen kann. 4. Noch mehr, wer von seinem eigenen Blute opfert und durch seine Verwundungen Gnaden sucht, wäre der nicht besser gottlos, als in dieser Weise gottesfürchtig? Oder wer sich mit einer Scherbe hat entmannen lassen, wie verletzt der die Gottheit, wenn er sie so versöhnt. Wollte Gott Verstümmelte, so könnte er solche ja schaffen, nicht erst künstlich machen.
5. Wer sollte nicht einsehen, daß nur Unvernunft und Wahnwitz auf solche Tollheiten kommen kann und daß nur die große Schar der Irrenden sich gegenseitig Schutz gewährt? Hier liegt in der Masse der Wahnsinnigen eine Entschuldigung für den gemeinsamen Wahnsinn.
Edition
ausblenden
Marci Minucii Felicis Octavius
Caput XXIV
ARGUMENTUM. — Brevi insuper inductione demonstrat quantum in celebrandis quorumdam deorum mysteriis ridiculi, obscoeni crudelesque ritus observarentur.
Quanta vero de diis vestris animalia muta naturaliter judicant? Mures, hirundines, milvi, non sentire eos sciunt, norunt; inculcant, insident; ac, nisi abigatis, in ipso dei vestri ore nidificant. Araneae vero faciem ejus intexunt, et de ipso capite sua fila suspendunt: vos tergitis, mundatis, eraditis, et illos quos facitis, protegitis et timetis. Dum unusquisque vestrum non cogitat prius se debere Deum nosse quam colere; dum inconsulte gestiunt parentibus obedire; dum fieri malunt alieni erroris accessio, quam sibi credere; dum nihil ex his quae timent norunt: sic in auro et argento avaritia consecrata est; sic statuarum inanium consignata forma; sic nata Romana superstitio. Quorum ritus si percenseas, ridenda quam multa, [multa] etiam miseranda sunt. Nudi cruda hieme discurrunt; alii incedunt pileati, scuta vetera circumferunt, pelles caedunt mendicantes, vicantes deos ducunt. Quaedam fana semel anno adire permittunt, quaedam in totum nefas visere; est quo viro non licet, nonnulla absque feminis sacra sunt; etiam servo quibusdam caerimonis interesse piaculare flagitium est: alia sacra coronat univira, alia multivira, et magna religione conquiritur quae plura possit adulteria numerare. Quid? qui sanguine suo libat et vulneribus suis supplicat, non profanus melius esset, quam sic religiosus? aut cui exta sunt obscoena demessa, quomodo Deum violat, qui hoc modo placat, quum, si eunuchos Deus vellet, posset procreare, non facere? Quis non intelligat male sanos, et vanae et perditae mentis in ista desipere, et ipsam errantium turbam mutua sibi patrocinia praestare? heic defensio communis furoris est furentium multitudo.