Übersetzung
ausblenden
Dialog Octavius (BKV)
XXXVI.
S. 198 1. Suche sich niemand mit einem Verhängnis zu trösten oder sein Endschicksal zu entschuldigen. Angenommen, das Lebensgeschick hänge vom Zufall ab, so ist doch der Geist frei und deshalb bildet die Handlungsweise des Menschen, nicht seine Stellung, den Gegenstand des Urteils. 2. Was ist denn das Verhängnis anderes, als was Gott über einen jeden von uns bestimmt hat. Da er unseren Charakter zum voraus kennt, bestimmt er entsprechend den Verdiensten und Eigenschaften der einzelnen auch ihre Geschicke. So wird an uns nicht unser angeborenes Naturell bestraft, sondern unsere Geistesrichtung. Doch genug vom Verhängnis, wenn es auch wenig ist für jetzt; wir wollen ein anderes Mal ausführlicher und erschöpfender darüber handeln.
3. Wenn wir übrigens zum großen Teil für arm gelten, so ist das keine Schande, sondern ein Ruhm für uns. Wohlleben schwächt den Geist, Mäßigkeit kräftigt ihn. 4. Doch wie kann arm sein, wer keine Bedürfnisse fühlt, wer nicht nach fremdem Gut begehrt, wer reich ist in den Augen Gottes? Weit mehr ist der arm, welcher immer noch mehr begehrt, wiewohl er schon viel hat, 5. Doch ich möchte sagen, wie ich denke: niemand kann so arm sein, wie er bei seiner Geburt war. Die Vögel leben ohne Erbgut und das Vieh findet jeden Tag sein Futter, und doch sind diese Geschöpfe nur unsertwegen auf der Welt und wir besitzen all das, wenn wir es nicht begehren. 6. Wie nun der, welcher auf der Straße wandert, um so besser daran ist, je leichter sein Bündel ist, so ist auf dem Lebensweg glücklicher daran, wer sich durch Armut leicht macht und nicht unter der Last des Reichtums seufzt. 7. Und doch würden wir Reichtümer, wenn wir sie für nützlich hielten, von Gott erbitten. Er könnte jedenfalls uns einen Anteil davon geben; es ist alles sein Eigentum. Aber wir wollen lieber die Reichtümer verschmähen, als S. 199 sie festhalten. Wir wünschen uns lieber Unbescholtenheit, bitten lieber um Ergebung, wollen lieber gut sein, als verschwenderisch.
8. Wenn wir ferner menschliche Schwächen des Körpers fühlen und darunter leiden, so ist das nicht Strafe, sondern eine Kampfesübung. Denn die Seelenstärke wird durch solche Schwächen erhöht und das Unglück ist oft genug eine Tugendschule. Ja, ohne Übung und Anstrengung erlahmen die Geistes- und Körperkräfte. Sind doch sogar eure Helden, welche ihr als Vorbilder hinstellt, sämtlich durch ihre Drangsale berühmt geworden. 9. So kann auch uns Gott zu Hilfe kommen und verachtet uns nicht, da er ja der Herr des Alls ist und die Seinen liebt. Aber in den Widerwärtigkeiten erforscht und prüft er einen jeden, in den Gefahren wägt er den Charakter der einzelnen, bis zum letzten Todesröcheln erprobt er die Gesinnung des Menschen, ohne besorgen zu müssen, daß ihm etwas entgeht. So werden wir, wie das Gold im Feuer, durch Anfechtungen geprüft.
Edition
ausblenden
Marci Minucii Felicis Octavius
Caput XXXVI
ARGUMENTUM. — Nec minus perspicue docet fatum nihil aliud esse quam quod fatum est Deus. Mens libera est, et ideo actus hominis, non nativitas judicatur. Posthaec manifestissimam facit, exprobratam Christianis pauperiem, non infamiam esse, sed gloriam; et quod corporis mala patiantur, non esse poenam, sed militiam.
Nec de fato quisquam aut solatium captet, aut excuset eventum. Sit sortis fortunae, mens tamen libera est: et ideo actus hominis, non dignitas judicatur. Quid enim aliud est fatum quam quod de unoquoque nostrum Deus fatum est? qui quum possit praescire materiam, pro meritis et qualitatibus singulorum etiam fata determinat. Ita in nobis non genitura plectitur, sed ingenii natura punitur. Ac de fato satis: vel si pauca pro tempore, disputaturi alias et uberius et plenius. Caeterum, quod plerique pauperes dicimur, non est infamia nostra, sed gloria: animus enim, ut luxu solvitur, ita frugalitate firmatur: et tamen, quis potest pauper esse, qui non eget, qui non inhiat alieno, qui Deo dives est? magis pauper ille est qui, quum multa habeat, plura desiderat. Dicam tamen, quemadmodum sentio: nemo tam pauper potest esse, quam natus est. Aves sine patrimonio vivunt, et in diem pascua pascuntur: et haec nobis tamen nata sunt: quae omnia, si non concupiscimus, possidemus. Igitur, ut qui viam terit, eo felicior quo levior incedit, ita beatior in hoc itinere vivendi, qui paupertate se sublevat, non sub divitiarum onere suspirat. Et tamen facultates, si utiles putaremus, a Deo posceremus: utique indulgere posset aliquantum, cujus est totum. Sed nos contemnere malumus opes quam continere; innocentiam magis cupimus, magis patientiam flagitamus; malumus nos bonos esse quam prodigos. Et, quod corporis humana vitia sentimus et patimur, non est poena, militia est. Fortitudo enim infirmitatibus roboratur, et calamitas saepius disciplina virtutis est. Vires denique et mentis et corporis sine laboris exercitatione torpescunt: omnes adeo vestri viri fortes, quos in exemplum praedicatis, aerumnis suis incluti floruerunt. Itaque et nobis Deus nec non potest subvenire, nec despicit, quum sit et omnium rector et amator suorum; sed in adversis unumquemque explorat et examinat: ingenium singolorum periculis pensitat; usque ad extremam mortem, voluntatem hominis sciscitatur, nihil sibi posse perire securus. Itaque, ut aurum ignibus, sic nos discriminibus arguimur.