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Dialog Octavius (BKV)
XXXVIII.
1. Wenn wir ferner die Überreste der Opferspeisen und die Opfergetränke verschmähen, so liegt darin nicht ein Eingeständnis der Furcht, sondern ein Beweis für die wahre Freiheit. Wohl ist jedes natürliche Erzeugnis eine unverletzliche Gabe Gottes und kann durch keine Art von Benutzung schlecht werden; aber wir enthalten uns doch davon, damit niemand glaube, wir erkennten die Dämonen, denen es geopfert war, an oder schämten uns unserer Religion.
2. Wer möchte aber daran zweifeln, daß wir die Frühlingsblume lieben? Wir pflücken ja die S. 202 Frühlingsrose und die Lilie, überhaupt jede Art von Blumen mit reizender Farbe und angenehmem Wohlgeruch. Wir benützen sie einzeln und zusammengebunden und schlingen sie in weichen Gewinden um den Hals. Nur daß wir das Haupt nicht bekränzen, müßt ihr verzeihen; wir pflegen eben der Blumen lieblichen Duft mit der Nase einzuziehen, nicht mit Kopf und Haaren zu genießen.
3. „Auch die Toten bekränzen wir nicht.“ Ich muß mich freilich in diesem Punkt viel mehr über euch wundern, wie ihr für einen Leichnam, wenn er noch Empfindung hat, eine Feuerfackel, oder wenn er keine Empfindung mehr hat, ein Blumengewinde bestimmen könnt. Ist er selig, so trägt er nach Blumen kein Verlangen; ist er unglücklich, kann er an Blumen keine Freude haben. 4. Wir dagegen bestatten unsere Toten mit derselben Gemütsruhe, mit der wir leben, und winden ihnen nicht einen welkenden Kranz, sondern erwarten von Gottes Hand einen immergrünen von ewigen Blumen. Ruhig und bescheiden, der Freigebigkeit unseres Gottes gewiß, beleben wir unsere Hoffnung auf die einstige Glückseligkeit durch den Glauben an seine gegenwärtige Majestät. So erstehen wir einst selig und leben jetzt schon selig im Hinblick auf die Zukunft.
5. Da mag der „attische Narr“ Sokrates zusehen, wenn er erklärt, daß er nichts wisse, er, der sich doch des Zeugnisses eines allerdings höchst trügerischen Dämons rühmt. Mag auch Arkesilas und Karneades und Pyrrho und die ganze Schar der Akademiker im Zweifel leben, und Simonides in Ewigkeit Aufschub verlangen: wir verachten die hochweisen Mienen der Philosophen, die wir als Verführer und Ehebrecher kennen und als Tyrannen, die freilich für ihre eigenen Laster stets Entschuldigungen haben. 6. Wir, die wir die Weisheit nicht im Philosophenmantel, sondern in unserer Gesinnung zeigen, deren Stärke nicht in S. 203 Worten, sondern im Wandel ruht, dürfen uns rühmen, das erreicht zu haben, was jene mit aller Anstrengung suchten, aber nicht finden konnten. 7. Warum sind wir undankbar dafür, warum mißgönnen wir es uns selbst, wenn die Wahrheit über Gott in unserer Zeit zur Reife gelangt ist? Genießen wir vielmehr unser Glück und setzen wir unsere Ansicht über das Gute ins richtige Verhältnis der Aberglaube soll gebannt, die Gottlosigkeit abgetan, die wahre Religion erhalten bleiben.
Edition
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Marci Minucii Felicis Octavius
Caput XXXVIII
ARGUMENTUM. — Ab Idolothytis quoque iidem abstinent, ne quis eos existimet aut cedere daemoniis, aut suae religionis pudere. Non omnem vero florum colorem odoremque aspernantur. Sparsis enim, solutis ac mollibus uti solent, ac sertis colla complecti; sed mortui caput coronare, superfluum et inutile censent. Eadem etiam tranquillitate qua vivunt, sepeliunt mortuos, coronam aeternae felicitatis certissima spe exspectantes. Vera igitur eorum religio, rejectis gentilium superstitionibus, ab omnibus est suscipienda.
Quod vero sacrificiorum reliquias et pocula delibata contemnimus, non confessio timoris est, sed verae libertatis assertio. Nam, etsi omne quod nascitur, ut inviolabile Dei munus, nullo opere corrumpitur, abstinemus tamen, ne quis existimet aut daemoniis, quibus libatum est, cedere, aut nostrae religionis pudere. Quis autem ille qui dubitat vernis indulgere nos floribus, quum capiamus et rosam veris et lilium, et quidquid aliud in floribus blandi coloris et odoris est? His enim et sparsis utimur mollibus ac solutis, et sertis colla complectimur. Sane, quod caput non coronamus, ignoscite. Auram boni floris naribus ducere, non occipitio capillisve solemus haurire. Nec mortuos coronamus. Ego vos in hoc magis miror, quemadmodum tribuatis exanimi, aut non sentienti, facem, aut non sentienti, coronam; quum et beatus non egeat, et miser non gaudeat floribus. At enim nos exsequias adornamus eadem tranquillitate qua vivimus. Nec annectimus arescentem coronam, sed a Deo aeternis floribus vividam sustinemus, qui et modesti, Dei nostri liberalitate securi, spem futurae felicitatis, fide praesentis ejus majestatis animamur. Sic et beati resurgimus, et futuri contemplatione viam vivimus. Proinde Socrates, scurra atticus, viderit, nihil se scire confessus, testimonio licet fallacissimi daemonis gloriosus: Arcesilas quoque et Carneades, et Pyrrho, et omnis Academicorum multitudo deliberet: Simonides etiam, in perpetuum, comprehendi nec [vulg. comperendinet;] Philosophorum supercilia contemnimus, quos corruptores et adulteros novimus et tyrannos; et semper adversus sua vitia facundos. Nos, non habitu, sapientiam, sed mente, praeferimus: non eloquimur magna, sed vivimus: gloriamur nos consecutos; quod illi, summa intentione, quaesiverunt, nec invenire potuerunt. Quid ingrati sumus? quid nobis invidemur, si veritas Divinitatis, nostri temporis aetate, maturuit? Fruamur bono nostro, et recti sententiam temperemus: cohibeatur superstitio, impietas expietur, vera religio reservetur.