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Dialog Octavius (BKV)
VI.
1. Es ist also entweder der Zufall gewiß oder das Naturprinzip ungewiß. Um wieviel pietätvoller und besser ist es dann, die Lehre der Ahnen als Richtschnur der Wahrheit anzunehmen, die überlieferte Religion zu üben, die Götter anzubeten, welche dich die Eltern eher fürchten, als näher kennen gelehrt haben, und nicht über die Götter abzuurteilen, sondern den Vorfahren zu glauben. Sie haben in der noch urwüchsigen Zeit, als die Welt eben entstand, das Glück genossen, Götter als Freunde oder als Herrscher zu besitzen. So sehen wir denn auch in allen Reichen. S. 143 Provinzen und Städten besondere volkstümliche Religionsgebräuche in Übung und Lokalgottheiten verehrt, Eleusis die Ceres, hei den Phrygiern die Göttermutter, bei den Epidauriern den Aesculap, bei den Chaldäern den Bel, bei den Syrern die Astarte, bei den Tauriern die Diana, bei den Galliern den Mercur, bei den Römern alle Gottheiten insgesamt. 2. Wenn ihre gewaltige Macht den ganzen Erdkreis in Besitz genommen und das beherrschte Gebiet über die Sonnenbahn und selbst über die Grenzen des Weltmeers hinaus ausgedehnt hat, so kommt das daher: sie vereinen im Kampf Tapferkeit und Gottesfurcht; sie schirmen ihre Stadt mit Kultzeremonien, durch keusche Jungfrauen, durch Priester mit Würden und verschiedenen Ehrentiteln; sie verehren belagert und mit Ausnahme des Kapitols in Gewalt der Feinde noch Götter, welche ein anderer schon längst wegen ihrer ungnädigen Gesinnung verschmäht hätte und dringen mitten durch die Reihen der Gallier, die ob solch kühner Ausübung der Religion erstaunten, hindurch ohne Waffen, nur mit einem gottesdienstlichen Gewand ausgerüstet; sie verehren in den Mauern der eroberten feindlichen Stadt, während noch der siegreiche Kampf tobt, die überwundenen Götter überall laden sie die S. 144 Götter gastlich ein und machen sie zu den ihrigen; sie errichten Altäre selbst den unbekannten Gottheiten und den Manen. 3. So haben sie, weil sie die religiösen Einrichtungen aller Völker übernahmen, auch ihre Reiche gewonnen. In der Folgezeit ist dieser gottesfürchtige Sinn geblieben; er wird durch die Länge der Zeit nicht geschwächt, sondern gekräftigt. Das Altertum pflegte ja den heiligen Gebräuchen und Tempeln um so mehr Heiligkeit zuzuschreiben, je größeres Alter es ihnen zugeschrieben hat.
Edition
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Marci Minucii Felicis Octavius
Caput VI
ARGUMENTUM. — Quaelibet natio, ac Romani postmodum numina sua ita coluere, ut eorum cultum supremum totius orbis terrae imperium fuerint assecuti.
Cum igitur aut fortuna certa, aut incerta natura sit, quanto venerabilius ac melius, antistites veritatis majorum excipere disciplinam, religiones traditas colere; deos quos a parentibus ante imbutus es timere, quam nosse familiarius, adorare; nec de numinibus ferre sententiam, sed prioribus credere qui, adhuc rudi saeculo, ipsius mundi natalibus; meruerunt deos vel faciles habere, vel reges! Inde adeo per universa imperia, provincias, oppida, videmus singulos sacrorum ritus gentiles habere, et deos colere municipes, ut Eleusinios Cererem, Phrygas Matrem, Epidaurios Aesculapium, Chaldaeos Belum, Astarten Syros, Dianam Tauros, Gallos Mercurium, universa Romanos. Sic eorum potestas et auctoritas totius orbis ambitus occupavit: sic imperium suum ultra solis vias et ipsius Oceani limites propagavit, dum exercent in armis virtutem religiosam, dum urbem muniunt sacrorum religionibus, castis virginibus, multis honoribus, ac nominibus sacerdotum: dum obsessi, et citra solum Capitolium capti, colunt deos, quos alius jam sprevisset, iratos; et per Gallorum acies, mirantium superstitionis audaciam, pergunt telis inermes, sed cultu religionis armati: dum capti, in hostilibus moenibus adhuc ferociente victoria, numina victa venerantur: dum undique hospites deos quaerunt, et suos faciunt: dum aras exstruunt, dum etiam ignotis numinibus et manibus. Sic, dum universarum gentium sacra suscipiunt, etiam regna [meruerunt]. Hinc perpetuus merent venerationis tenor mansit, qui longa aetate non infringitur, sed augetur: quippe antiquitas caeremoniis atque fanis tantum sanctitatis tribuere consuevit, quantum adstruxerit vetustatis.