6. Von der ungerechten und gerechten Erregung des Zornes.
Jede Erregung des Zornes, aus welcher Ursache immer sie aufwallen möge, blendet die Augen des Herzens, legt auf die Schärfe des Gesichtes den verderblichen Balken einer gar schweren Krankheit und benimmt ihr den Blick auf die Sonne der Gerechtigkeit. Es ist gleichgültig, ob Platten von Gold oder von Blei oder einem sonstigen Metalle auf die Augen gelegt werden. Der Werth der Metalle macht keinen Unterschied in der Blindheit der Augen. In uns selbst freilich leistet der Zorn uns einen recht guten und geeigneten Dienst; und nur zu diesem Dienste zugelassen ist er heilsam und nützlich. Dieser besteht darin, daß wir gegen die ausschweifenden Regungen unseres Herzens voll Entrüstung knirschen und über Das, was wir vor den Menschen zu thun oder zu reden uns schämen, und was sich deßhalb in S. 181 die Winkel unserer Brust verkrochen hat, entrüstet sind, fürchtend und zitternd vor der Gegenwart der Engel und Gottes selbst, der überall eindringt und Alles durchschaut, vor dessen Auge keine Geheimnisse unsers Gewissens verborgen bleiben können.