18. Ungeduldig und zornig sind oft auch Diejenigen, welche nicht von Andern dazu veranlaßt werden.
Sollten nicht alle Arten giftiger Schlangen und sonstiger wilden Thiere, wenn sie in der Einöde und ihren Lagerstätten sich aufhalten, unschädlich sein? Und doch kann man sie deßwegen nicht unschädlich nennen, weil sie Keinem schaden. Das liegt nicht an der guten Gesinnung, sondern an der Einsamkeit, die sie dazu nöthigt: denn finden sie Gelegenheit, Jemanden zu verletzen, so zeigen sie das in ihrem Innern verborgene Gift und bethätigen ihre wilde Sinnesart. — Und deßhalb ist es für die nach Vollkommenheit Strebenden nicht genug, gegen einen Menschen nicht zu zürnen. Ich erinnere mich nämlich aus der Zeit, wo ich in der Einsamkeit lebte, daß damals gegen die Schreibfeder, deren Dicke oder Dünne mir mißfiel, gegen das Messer, wenn es die zu schneidenden Gegenstände wegen der stumpfen Schneide zu langsam schnitt, gegen den Feuerstein, wenn einmal der Feuerfunke zu langsam aufleuchtete und wir Eile zur Lesung hatten, eine solche Regung des Unwillens mich anwandelte, daß ich nicht anders als durch Verwünschungen gegen die unempfindlichen Stoffe oder gar gegen den Teufel der Aufregung meines Geistes ihre Stärke benehmen und Luft S. 190 machen konnte. Deßwegen wird der Vollkommenheit, soll sie vernünftig sein, die Abwesenheit der Menschen, gegen die der Zorn sich regen könnte, nicht sonderlich nützen. Denn hat man sich nicht vorher die Geduld angeeignet, so kann auch gegen stumme Wesen und geringfügige Gegenstände die zornige Stimmung ebenfalls zum Ausdrucke gelangen, die in unserm Innern herrscht und uns weder eine ausdauernde Ruhe noch die Freiheit von den übrigen Sünden gönnt; wir müßten denn etwa wähnen, darin für unsere leidenschaftlichen Erregungen einen Gewinn oder ein Heilmittel zu finden, daß auf unsere Verwünschungen und Zornausbrüche die leblosen und stummen Dinge keine Antwort gäben und den Ungestüm unseres Herzens keineswegs so reizten, daß die Zornesgluth noch höhere Flammen schlage.