11. David’s und des frommen Schächers Beispiel bestätigt diese Wahrheit.
S. 249 Wenn wir jenen Schächer, der einzig wegen seines Bekenntnisses in das Paradies aufgenommen wurde, uns vor die Seele führen, so müssen wir erkennen, daß er nicht durch das Verdienst seines Laufes eine solche Glückseligkeit erlangt habe, sondern daß sie ihm durch die Gnade des erbarmenden Gottes zu Theil geworden sei. Oder wenn wir uns erinnern, daß des Königs David zwei so schwere und große Verbrechen durch ein einziges Reuegebet getilgt wurden, so werden wir sehen, daß auch bei David die Verdienste seines Leidens nicht hinreichten, um die Verzeihung einer so großen Sünde zu erlangen, sondern daß Gottes Gnade überschwänglich war, die in Verbindung mit einer wahren Reue diese großen Sünden bei dem in einem Worte Alles umfassenden Bekenntnisse tilgte.
Betrachten wir auch den Anfang der Berufung und Rettung des Menschen, welche uns nicht aus uns noch aus unsern Werken, wie der Apostel sagt, sondern durch Gottes Güte und Gnade zu Theil wurde, so können wir klar erkennen, wie die Höhe der Vollkommenheit nicht Sache des Wollenden noch des Laufenden, sondern des begnadigenden Gottes ist, der, ohne das Verdienst unserer Arbeiten und unseres Laufes abzuwägen, uns über die Sünden Sieger sein läßt und, ohne das Streben unseres Willens strenge anzurechnen, uns unser Fleisch unterwerfen und den Gipfel der Heiligkeit ersteigen läßt. Denn kein körperliches Leiden und keine Zerknirschung des Herzens besitzt einen zur Erlangung jener wahren Reinheit des inneren Menschen hinreichenden Werth, so daß der Mensch eine so große nur den Engeln angeborene Tugend der Keuschheit und den Besitz der himmlischen Heimath bloß durch menschliche Anstrengung d. h. ohne göttliche Hilfe zu erlangen im Stande S. 250 wäre. Denn das Wirken eines jeden guten Werkes fließt aus der Gnade Dessen, der eine solche ewige Glückseligkeit und unermeßliche Herrlichkeit unserem geringen guten Willen und unserem kurzen und kleinen Laufe in grenzenloser Freigebigkeit geschenkt hat.
