29. Gehorsam jenes Bruders, der auf des Abtes Befehl zehn Weidenkörbe öffentlich feil bot und verkaufte.
Nicht wollen wir einen uns ebenfalls bekannten Bruder mit Stillschweigen übergehen, der einer nach der Ordnung dieser Welt sehr hohen Familie angehörte. Sein Vater war nämlich ein Komes1 und sehr reich; auch hatte er selbst eine ausgezeichnete gelehrte Bildung genossen. Doch hatte er Vater und Mutter verlassen und war in’s Kloster geeilt. Um seine Demuth und seinen lebendigen Glauben zu prüfen, wurde ihm sofort von seinem Oberen befohlen, zehn Weidenkörbe, die man keineswegs zu verkaufen nöthig hatte, auf seinen Schultern in den Straßen feil zu bieten. Daran war eine Bedingung geknüpft, die ihn bei diesem Dienste länger aufhielt, nämlich die, daß er Keinem, der sie alle zusammen kaufen wollte, willfahren, sondern den Kauflustigen sie einzeln ablassen solle. Dieß führte er in aller Demuth aus: er trat jede Furcht vor Beschämung um des Namens und der Liebe Christi willen mit Füßen, lud die Weidenkörbe S. 83 auf seine Schultern, verkaufte sie um den festgesetzten Preis und brachte das Geld zum Kloster, ohne sich durch die Neuheit des niedrigen und ungewohnten Dienstes abschrecken zu lassen, ohne auf die beschämende Handlung, den Glanz seiner Geburt und die Unbilden beim Verkaufe zu achten; denn es war sein Wunsch, Christi Demuth, welche der wahre Adel ist, durch die Gnade des Gehorsams zu erlangen.
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Komes (lateinisch: Comes = Begleiter) war im römisch-byzantinischen Reiche der Titel der kaiserlichen Hofbeamten und sonstiger hoher Würdenträger. ↩