11. Der Teufel sei durch viele Gründe angetrieben gewesen, Christum für Gott zu halten.
Da nun der Teufel selbst ihn mit allem Aufwand seiner Lockungen, mit aller Kunst seiner Bosheit versuchte, was vermuthete er denn in seiner Unwissenheit, oder was wünschte er durch die Versuchung zu erfahren? Oder was hatte ihn so sehr bewogen, Gott in der Niedrigkeit des Menschen zu suchen? Hatte er Dieß aus frühern Erfahrungen gelernt? Wo hatte er aber Einen kennen gelernt, der als Gott in menschlichem Leibe gekommen wäre? Nein, gewiß nicht; sondern durch große Wunderzeichen, durch schwer wiegende thatsächliche Erprobungen, durch die Aussprüche der Wahrheit selbst war er zur Vermuthung und Untersuchung dieser Sache getrieben worden. Hatte er ja doch schon einmal von Johannes gehört: „Seht das Lamm Gottes, seht, welches hinwegnimmt die Sünde der Welt.“ Und wieder von demselben: „Ich muß von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“ Auch die vom Himmel herabkommende und über dem Haupte des Herrn weilende Taube hatte sich als deutliche und sichtbare Zeugin der göttlichen Herrlichkeit erwiesen. Ferner hatte ihn angetrieben die von Gott nicht in Räthseln und Gleichnissen ausgesandte Stimme, welche sprach: „Du S. 602 bist mein geliebter Sohn; an dir habe ich mein Wohlgefallen.“ Obwohl er also von aussen nur einen Menschen in Jesus sah, so forschte er doch nach dem Sohne Gottes und sagte: „Wenn du der Sohn Gottes bist, so sprich, daß diese Steine Brode werden.“ Hat nun dem Teufel der Anblick des Menschen die Vermuthung der Gottheit nicht genommen, so daß er glaubte, es könne Gott nicht da sein, weil er nur einen Menschen sehe? Durchaus nicht, sondern was sagt er? „Wenn du der Sohn Gottes bist, so sprich, daß diese Steine Brode werden.“ Er zweifelte doch gewiß nicht, daß Das möglich sei, dessen Wirklichkeit er untersuchte. Um die Wirklichkeit war er besorgt, aber gewiß nicht um die Unmöglichkeit.