14. Er zeigt nun, daß die Häretiker die hl. Schrift verkehren, indem er auf jenen Beweisgrund antwortet, der genommen ist aus den Worten des Apostels: „Ohne Vater, ohne Mutter“ etc. Hebr. 7, 3.
Du bedienst dich also gegen Gott der hl. Schriften und suchst seine Zeugen gegen ihn selbst zu drängen. Aber wie? Wahrhaftig so, daß du nicht nur treulos mit Gott, sondern auch mit den Stellen selbst umgehst. Das ist in der That nicht zum wundern; denn du thust eben nur, was du kannst, weil du Das nicht kannst, was du willst; und da du also die hl. Zeugnisse nicht gegen Gott zu kehren vermagst, so verkehrst du sie selbst, wie du kannst. Denn du sagst: „Also lügt auch Paulus von Christus, indem er spricht: „„Ohne Mutter, ohne Geschlechtsregister““. Ich frage dich nun: Von wem willst du, daß Paulus Dieß gesagt habe: Von S. 605 dem Sohne und Worte Gottes, oder von dem Christus, welchen du von dem Sohne Gottes trennst und gotteslästerlich für einen bloßen Menschen erklärst? Wenn wirklich von dem Christus, den du nur für einen Menschen ausgibst, wie konnte ein Mensch ohne Mutter und ohne Geschlechtsregister der mütterlichen Abstammung geboren werden? Wenn aber von dem Worte Gottes und dem Sohne Gottes, was fangen wir dann an, wenn derselbe Apostel, dein Zeuge, wie du gotteslästerlich glaubst, an derselben Stelle und in dem nämlichen Zeugnisse erklärt, daß Jener, welcher nach deiner Behauptung ohne Mutter war, auch ohne Vater sei, da er sagt: „Ohne Vater, ohne Mutter, ohne Geschlechtsregister“? Es bleibt also nur übrig, daß du bei dem Gebrauche der apostolischen Worte den Sohn Gottes in gotteslästerlicher Weise auch ohne Vater sein lässest, wie er nach deiner Behauptung ohne Mutter ist. Du siehst also, in welchen Abgrund der Gottlosigkeit du dich durch dein verkehrtes und schlechtes Streben gestürzt hast, daß du nemlich, nachdem du gesagt hast, der Sohn Gottes habe keine Mutter gehabt, auch den Vater ihm absprichst, was seit aller Zeit noch Niemand behauptet hat, er wäre denn ein Wahnsinniger gewesen. Und hiebei weiß ich nicht, ob die Gottlosigkeit größer ist oder die Thorheit; denn was ist thörichter, was abgeschmackter, als von einem Sobne zu reden und das Wort „Vater“ nicht gebrauchen zu wollen? Aber du sagst: „Ich verschweige es nicht, ich läugne es nicht.“ Aber welcher Wahnwitz hat dich denn dann dazu getrieben, diese Stelle anzuführen, nach welcher es den Anschein gewinnen muß, du habest auch den Vater ihm weggeläugnet, indem du zeigst, wie er nach ihr keine Mutter gebabt habe. Denn da es in demselben Zeugnisse von ihm heißt, daß er wie ohne Mutter, so auch ohne Vater sei: so muß man glauben, daß er in demselben Sinne, in welchem er hier ohne Mutter gedacht werden kann, auch ohne Vater sein könne. Aber jener in der Läugung Gottes so ungestüme Wahnsinn sah Dieß nicht ein. Als er verstümmelt anführte, was vollständig geschrieben ist, sah er nicht, S. 606 daß die unverschämte und offene Lüge durch die Aufdeckung des Zusammenhanges der hl. Schrift widerlegt werden könne. O thörichte Lästerung und Raserei! Während sie selbst nicht sieht, wonach sie sich richten soll, versteht sie auch nicht, was gelesen werden kann; als ob sie Allen das Lesen nehmen könnte, wie sie sich selbst das Verständniß nahm, oder als ob Alle die Augen des Kopfes verlieren sollten, weil Einer die des Geistes sich zu Grunde gerichtet hat. Höre also, o Häretiker, was du gefaselt hast; höre voll und unverkürzt, was du matt und verstümmelt angeführt hast. Der Apostel wünscht, Allen die doppelte Geburt Gottes nahe zu legen, und sagt, um zu zeigen, daß der Herr ebensowohl in der Gottheit als im Fleische geboren worden sei: „Ohne Vater, ohne Mutter.“ Das Eine ist eben der göttlichen Geburt eigen, das Andere seiner menschlichen; und wie er also in der Gottheit ohne Mutter erzeugt wurde, so im Leibe ohne Vater, so daß wir ihn im Glauben ohne Vater und ohne Mutter annehmen müssen, obwohl er weder ohne Vater noch ohne Mutter ist. Sehen wir nemlich auf seine Geburt aus dem Vater, so ist er ohne Mutter; sehen wir auf die aus der Mutter, so ist er ohne Vater. So hatte er in jeder Geburt das Eine, das Andere aber nicht, weil eben die göttliche Geburt keiner Mutter bedurfte, in der leiblichen aber er sich selbst genügte ohne Vater. Deßhalb sagt der Apostel: „Ohne Mutter, ohne Geschlechtsregister.“