10. In welcher Weise der Apostel Christum als die Macht Gottes und Weisheit Gottes darstellt.
Laßt uns nun aber gerade diesen Punkt noch näher ansehen! Christus ist also nach dem Apostel die Macht Gottes und die Weisheit Gottes. Was hast du hierauf zu antworten? Wohin willst du dich wenden? Es gibt keinen Ausweg und kein Entkommen. Christus ist die Weisheit Gottes und die Kraft Gottes. Jener, welchen die Juden verfolgten, die Heiden verlachten, welchen du mit ihnen verfolgst; Jener, sage ich, welcher den Heiden eine Thorheit, den Juden ein Ärgerniß ist und dir Beides: Jener, sage ich, ist Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Was willst du nun thun? Du wirst vielleicht die Ohren schließen, um nicht zu hören. Das haben auch die Juden bei der Predigt des Apostels gethan. Du magst thun, was du willst, Christus ist im Himmel, in Gott und mit Gott und also eben in Demjenigen, in welchem er auch hier unten war, und du kannst ihn nicht mehr mit den Juden verfolgen. Aber Eines S. 484 thust du und kannst es auch: du verfolgst ihn im Glauben, verfolgst ihn in der Kirche, verfolgst ihn mit dem Pfeile einer gottlosen Meinung, mit dem Schwerte eines falschen Glaubenssatzes. Du thust vielleicht noch Etwas mehr als Einige der alten Juden, da du jetzt Christum verfolgst, nachdem auch Jene an ihn geglaubt haben, welche ihn einst verfolgten. Vielleicht hältst du aber dein Verbrechen für geringer, weil du nicht mehr Hand an ihn legen kannst. Ich sage aber, nicht weniger schwer liegt auf ihm jene Verfolgung, in welcher ihn die Gottlosen in den Seinigen verfolgen. Aber es stößt dich das Wort vom Kreuze des Herrn; das war ja auch den Juden immer zum Anstoß. Du entsetzest dich, zu hören, daß ein Gott gelitten habe; aber Dieß verlachte auch der Heide in seinem Irrthum. Ich frage nun, worin du von Jenen abweichst, da du in dieser Verkehrtheit mit ihnen übereinstimmst. Ich aber will diese Predigt von dem hl. Kreuze, diese Predigt von dem Leiden des Herrn nicht nur nicht mindern, sondern ich mehre sie, soweit es in meinem Willen und meiner Macht steht; denn ich werde den Gekreuzigten nicht nur verkünden als die Kraft und Weisheit Gottes, in Vergleich mit welcher Nichts größer ist, sondern auch als den Herrn der ganzen Gottheit und Majestät. Dieß um so mehr, als diese meine Rede die Lehre Gottes ist, da der Apostel sagt:1 „Wir reden Weisheit unter Vollkommenen, nicht aber Weisheit dieser Welt, noch auch der Fürsten dieser Welt, welche vernichtet werden; sondern wir reden die Weisheit Gottes im Geheimnisse, die da verborgen war, die Gott vorherbestimmt hat vor den Weltzeiten zu unserer Herrlichkeit, die keiner der Fürsten dieser Welt gekannt hat; denn wenn sie dieselbe gekannt hätten, so würden sie nie den Herrn der Majestät gekreuzigt haben; sondern wie geschrieben steht:2 „Was ein Auge nicht gesehen, noch ein Ohr gehört hat, und was in kein Menschenherz gekommen ist, was Gott denen S. 485 bereitet hat, die ihn lieben.“ Siehst du nun, wie kurz des Apostels Wort, und wie Großes doch er ausgesprochen hat? Er sagt, daß er Weisheit rede, aber eine Weisheit, welche nur die Vollkommenen verstehen, die Klugen dieser Welt aber nicht kennen; denn es sei die Weisheit Gottes, welche von göttlichem Dunkel bedeckt und vor aller Zeit zur Verherrlichung der Heiligen bestimmt sei; und darum sei sie nur Denen bekannt, welche Sinn für Gott haben, den Hohen dieser Welt aber sei sie völlig unbekannt. Dann fügt er den Grund bei, durch welchen er Beides, was er gesagt hatte, bewähren will, und spricht: „Denn wenn sie Kenntniß gehabt hätten, würden sie nie den Herrn der Majestät gekreuzigt haben; sondern wie geschrieben steht: Was kein Auge gesehen, noch ein Ohr gehört hat und was in keines Menschen Herz gekommen ist, — was Gott Denen bereitet hat, die ihn lieben.“ Siehst du nun, daß die Weisheit Gottes im Geheimnisse verborgen und vor aller Zeit vorherbestimmt, Denen unbekannt war, welche den Herrn der Majestät kreuzigten, bekannt aber Denen, welche ihn aufnahmen? Treffend aber sagt er, daß die Weisheit Gottes im Geheimnisse verborgen gewesen sei, weil Das ja keines Menschen Auge je sehen, kein Ohr hören und kein Herz es ahnen konnte, weder daß der Herr der Majestät geboren werden sollte aus einer Jungfrau, noch daß er im Fleische erscheinen und mit allem Leid der Strafe und Schmach sollte beladen werden. Wie es aber Niemand gibt, der diese Gaben Gottes, so lange sie im Geheimnisse verborgen sind, ahnen könnte, so ist Jener selig, welcher sie nach der Offenbarung erkennt. Wer immer sie also nicht erkennt, muß nothwendig unter die Fürsten dieser Welt gerechnet werden, wer sie aber erkennt, unter die Weisen Gottes. Es erkennt nun den im Fleische geborenen Gott nicht, wer ihn verneint; also erkennt auch ihr ihn nicht, weil ihr ihn verneint. Ihr mögt aber thun, was ihr wollt, ihr mögt ihn noch so gottlos verläugnen, wir glauben mehr dem Apostel; doch was sage ich, dem Apostel! Wir glauben mehr Gott; denn ihm glauben wir durch den Apostel, da er, wie wir S. 486 sicher sind, in dem Apostel geredet hat. Das göttliche Wort sagt, daß der Herr der Majestät von dem Fürsten dieser Welt gekreuzigt worden sei, du verneinst es; auch seine Kreuziger aber verneinten, daß sie Gott kreuzigten. So haben also die ihn Bekennenden Theil mit dem bekennenden Apostel, du aber hast nothwendig deinen Antheil mit seinen Verfolgern. Was kann nun hier noch gesagt werden? Der Apostel lehrt, daß der Herr der Majestät gekreuzigt worden sei! Ändere Dieß, wenn du kannst! Trenne nun, wenn du es vermagst, Jesum von Gott! Daß Christus von den Juden gekreuzigt worden sei, kannst du gewiß nicht läugnen; aber Derjenige, welcher gekreuzigt wurde, ist der Herr der Majestät; also mußt du entweder läugnen, daß Christus an das Kreuz geschlagen wurde, oder du mußt zugeben, daß Gott daran geheftet wurde.