11. Er beweist nun klar das Geheimniß der Menschwerdung des Herrn und die Gottheit Christi.
Deßhalb ruft jedem Menschen, der sich in diese Gotteslästerung und Wahnwitzigkeit stürzt, der Herr Jesus im Evangelium für sich sebst Das zu, was er zu den Pharisäern gesagt hatte, und betheuert:1 „Was Gott S. 540 zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen!“ Obwohl nun Dieß, wo es von Gott gesagt worden, einer andern Sache entsprechen zu sollen scheint, so wollte doch die Tiefe Gottes, welche nicht minder von geistigen als von leiblichen Dingen redete, daß Dieß Wort sowohl von Diesen, als noch mehr von Jenen verstanden werde. So hat der Herr den Juden, welche damals Dasselbe glaubten, was du sagst, nemlich, daß Jesus nur ein Mensch ohne Gott sei, als sie ihn über die eheliche Gemeinschaft fragten, nicht nur über diese, sondern auch über das Andere eine Lehre gegeben, und da er also über Geringeres gefragt war, auch über das Höhere und Größere geantwortet in dem Ausspruche: „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen.“ Das heißt: Trennet nicht, was Gott in mir verbunden hat; es scheide nicht die menschliche Unfrömmigkeit, was die göttliche Majestät in mir geeint hat. Willst du aber noch vollständiger wissen, daß Dieß so sei, so höre den Apostel, der gerade diese Dinge, welche der Heiland damals lehrte, auseinandersetzt. In der That hat er als ein von Gott gesandter Lehrer gerade Das, was Gott im Geheimnisse gepredigt hatte, so erklärt, wie es die damalige Schwäche seiner Zuhörer fassen konnte. Denn als er über die fleischliche Gemeinschaft, wegen welcher der Erlöser im Evangelium befragt worden war, sprach, wiederholte er eben dieselben Zeugnisse des alten Testamentes, deren sich Jener damals bedient hatte, damit man nemlich einsehe, daß Derjenige die gleiche Sache darlege, welcher die gleichen Zeugnisse gebrauche. Indem er so, damit der Sache Nichts zu fehlen scheine, auch die Stelle von der fleischlichen Gemeinschaft beigefügt, stellt er noch die Anführung des Weibes und des Mannes, die er zu wechselseitiger Liebe ermahnt, so:2 „Ihr Männer, liebet eure Weiber wie auch Christus die Kirche!“ Und wieder: „So sollen auch die Männer ihre Weiber lieben wie den eigenen Leib. Wer S. 541 sein Weib liebt, liebt sich selbst. Niemand hat jemals sein eigen Fleisch gehaßt, sondern er nährt und pflegt es, wie auch Christus die Kirche; denn wir sind Glieder seines Leibes.“ Siehst du, wie er die Namen Christi und der Kirche mit den Namen des Mannes und Weibes verbindet und Alle vom fleischlichen Hören zum geistigen Verstehen zieht? Denn nachdem er all Das gesagt hat, fügt er jene Zeugnisse bei, deren sich der Herr im Evangelium bedient hatte und spricht: „Deßhalb wird der Mensch Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und sie werden Zwei in einem Fleische sein.“ Und hierauf fügt er wie mit lauter Betheuerung bei und sagt: „Es ist Dieß ein großes Geheimniß.“ Er drängt also gewiß die fleischliche Auffassung hier ganz zurück und schneidet sie ab, da er sagt, es sei ein ganz göttliches Geheimniß. Und was setzt er dann hinzu? „Ich aber sage: in Christus und in der Kirche.“ Nachdem er also gesagt hat: „Dieß ist ein großes Geheimniß,“ fährt er nicht fort: „Und das ist seine Auslegung,“ sondern wie? „Ich aber sage: in Christus und in der Kirche.“ Das heißt sagen: „Jenes ist zwar ein großes Geheimniß, aber ich sage: in Christus und in der Kirche.“ Weil also für jetzt vielleicht nicht Alle Jenes3 fassen können, so sollen sie wenigstens Dieses fassen, was jedoch von Jenem nicht abweichend, noch verschieden ist, weil Beides von Christus ist. Wer aber jenes Tiefere nicht faßt, soll wenigstens dieses Leichtere erkennen, damit er nach begonnenem Verständniß des naheliegenden Sinnes zu dem höheren gelangen könne und so die gegenwärtige Erreichung des auf der Oberfläche Liegenden nachher der Weg sei zur Tiefe.