5. Er tritt nun mit den vortrefflichsten Beweisen wider seinen Gegner auf und zeigt, daß die von den Vorfahren überkommene Religion mit aller Kraft festzuhalten sei.
S. 554 Wenn du ein Verfechter der arianischen oder sabellianischen Irrlehre wärest, und ich nicht dein eigenes Glaubensbekenntniß gegen dich gebrauchen könnte, so würde ich dich doch durch das Ansehen der heiligen Zeugnisse überwinden, würde dich überwinden durch die Stimme des Gesetzes selbst, überwinden endlich durch die in der ganzen Welt anerkannte Wahrheit der Bekenntnißformel. Ich würde sagen, du müssest, wenn du auch ohne Verstand und Einsicht bist, doch wenigstens der Übereinstimmung des menschlichen Geschlechtes glauben und du dürfest nicht die Verkehrtheit einiger Gottlosen höher schätzen als den Glauben aller Kirchen, der doch wahrhaftig von Christus gegründet, von den Aposteln überliefert und für nichts Anderes zu halten sei, als für die Stimme und Autorität Gottes, wie er auch wahrhaftig Wort und Sinn Gottes in sich enthält. Und nun, wenn ich so mit dir reden würde, was würdest du sagen, was würdest du antworten? Etwa nicht Folgendes? So seiest du nicht unterrichtet, so nicht belehrt worden; Anderes sei dir von deinen Eltern, deinen Lehrern und Schriftstellern beigebracht worden. Solches hättest du nicht in den Zusammenkünften nach der väterlichen Lehrsatzung, noch auch in der Kirche eures Bekenntnisses gehört; Anderes endlich enthalte selbst der Text und der Wortlaut des dir übergebenen und eingelehrten Symbolums. Darauf seiest du getauft, darauf wieder geboren; du wollest halten, was du empfangen habest und in dem leben, worin, wie du erfahren, du wiedergeboren worden seiest. Würdest du, ich bitte dich, nicht glauben, an diesem Gerede einen ganz starken Schild selbst gegen die Wahrheit zu haben? Und in der That, die Vertheidigung ist, wenn auch im unrechten Handel, für dich nicht ungünstig, und würde die Ursache des Irrthums nicht gerade abgeschmackt behandeln, wenn S. 555 sie nur nicht Verstocktheit mit dem Irrthum verbände. Denn wenn du Das festhalten würdest, was du von Kindheit auf erhalten hast, so hätte viel eher die Belehrung an deinem gegenwärtigen Irrthume zu bessern, statt daß die Strenge den vergangenen bestrafen müßte. Nun aber, da du in einer katholischen Stadt geboren, im katholischen Glauben unterrichtet und in katholischer Taufe wiedergeboren bist, kann ich da so mit dir verhandeln, wie mit einem Arianer oder Sabellianer? Wärest du Das doch gewesen! Ich würde weniger Schmerz empfinden über den im Schlechten Geborenen, als über den vom Guten Abgefallenen; weniger über den nie gehabten Glauben, als über den verlornen; weniger würde ich den Häretiker scheuen, als den frisch Abtrünnigen; denn du hättest der ganzen Kirche weniger Befleckung und Verpestung angethan und wärest endlich eine weniger bittere Kränkung und ein nicht so schwer wiegendes Beispiel, wenn du nur als Laie und nicht als Geistlicher die Kirche versuchen könntest. Also, wie ich oben sagte, wenn du ein Schüler oder Verfechter der sabellianischen, arianischen oder irgend einer Häresie wärest, so könntest du dich gewiß vertheidigen mit dem Beispiele der Eltern, dem Unterrichte der Lehrer, der Volksgemeinschaft, dem Inhalte deiner Glaubensformel. Ich verlange nichts Unbilliges, o Häretiker, nichts Unbilliges oder Schweres. Thue als der im katholischen Glauben Geborene Das, was du für den Irrthum gethan hättest! Bewahre die Lehre der Eltern, bewahre den Glauben der Kirche, bewahre des Symbolums Wahrheit und das Heil der Taufe! Was bist du doch gegen dich selbst für eine Art von Wunder, für eine Art von Ungeheuerlichkeit? Für dich thust du nicht, was Andere selbst für den Irrthum getan haben! Aber wir sind weit genug gekommen und haben aus Liebe zu der uns so nahestehenden Stadt1 dem wie glühender Wind angreifenden Schmerz nachgegeben, so daß wir trotz unseres S. 556 Verlangens vorwärts zu kommen, von der Richtung des rechten Weges zu weit abgewichen sind.
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Hier ist wahrscheinlich Konstantinopel gemeint, wo Cassian einst wirkte und nun in Nestorius einen so schlechten Hirten sah. ↩