8. Wie es von Christus heisse, daß er gekommen und aus der Jungfrau geboren worden sei.
Laßt uns nun aber das Übrige, was folgt, betrachten! Das Symbolum sagt also: „An den Herrn Jesus Christus, den wahren Gott vom wahren Gott, gleichwesentlich mit dem Vater, durch welchen die Zeitenreihe geworden und Alles erschaffen ist.“ Aber es fügt in untrennbarer Verbindung sogleich bei: „Der wegen uns kam und geboren wurde aus Maria der Jungfrau.“ Also Jener, welcher wahrer Gott, gleichwesentlich mit dem Vater, der Schöpfer der Zeiten und der Erschaffer aller Dinge war, Jener sage ich, kam in die Welt und wurde geboren aus Maria der Jungfrau, nach jener Stelle des Apostels S. 560 Paulus:1 „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geworden aus dem Weibe, geworden unter dem Gesetze.“ Siehst du, wie die Geheimnißlehren des Bekenntnisses mit den hl. Schriften übereinstimmen? Der Apostel verkündet, daß der Sohn Gottes vom Vater gesandt worden sei, das Bekenntniß bestätigt , daß er gekommen sei; denn Dieß mußte natürlich die Folge sein, daß unser Glaube Denjenigen als gekommen bekannte, von welchem der Apostel gepredigt hatte, daß er gesandt sei. Dann sagt der Apostel: „Geworden aus dem Weibe,“ das Symbolum aber: „Geboren aus Maria.“ Merkst du also, daß im Symbolum die hl. Schrift selbst redet, von welcher abzustammen jenes selbst bezeugt? Treffend aber setzt der Apostel in seinem Ausspruche: „Geworden aus dem Weibe“ das „geworden“ für „geboren“, nach dem Gebrauche des göttlichen Wortes, nach welchem „geworden“ für „geboren“ steht, wie in jener Stelle:2 „Statt deiner Väter wurden dir Söhne“, oder anderswo: „Ehe Abraham ward, bin ich.“3 Daraus ersieht man deutlich, daß er sagen wollte: „Ehe er geboren wurde, bin ich.“ So drückt er mit der Bezeichnung des Gewordenseins den sachlichen Inhalt der Geburt aus, weil hier immer die wirkliche Natur des Werdens vorliegt, wenn auch Etwas4 nicht erst zu werden braucht. Es heißt also: „Der wegen uns kam und geboren wurde aus Maria, der Jungfrau.“ Wenn ein bloßer Mensch aus Maria geboren wurde , warum heißt es dann, daß er gekommen sei? Es kommt ja doch Keiner, in dessen Natur es nicht liegt, daß er kommen kann? Wer aber noch nicht einmal das Sein erlangt hatte, wie konnte der im Stande sein, zu kommen? Siehst du also, daß gerade durch das Reden von einer Ankunft gezeigt wird, der Ankommende sei schon vorher gewesen, weil Keiner die S. 561 Fähigkeit hiezu hatte als Derjenige, welchem es gerade dadurch, daß er war, zu Gebote stand, zu kommen? Nun war aber der Mensch vor der Empfängniß überhaupt nicht, und es stand also nicht in seiner Macht, kommen zu können. So ist es gewiß, daß Gott kam, welchem in beiden Fällen sowohl das Sein zu Gebote stand als das Kommen. In der That, Dieser kam, weil er war, und weil er immer kommen konnte, ist er immer gewesen.