19. Daß die zeitliche Geburt Christi der Gottheit Nichts an Ehre oder Kraft genommen habe.
Daß der Herr nun aus dem Fleische und im Fleische kam, war für ihn eine Entstehung, nicht eine Verkleinerung, und er wurde nur geboren, nicht verändert. Obwohl er nemlich in der Gestalt Gottes bleibend die Knechtsgestalt angenommen hatte, so konnte doch die Schwäche des menschlichen Standes, nicht die Natur Gottes schwächen, sondern bei unverletzter und vollständiger Kraft der Gottheit im Fleische des Menschen war Alles, was geschah, eine Erhebung des Menschen, nicht eine Minderung der Majestät. Denn wenn Gott im menschlichen Fleische geboren ist, so ist er es nicht dazu, daß er nicht in sich Gott bleibe, sondern damit der Mensch Gott sei, während Gott in sich selbst bleibt. So bekannte Martha, obwohl sie mit den leiblichen Augen einen Menschen sah, doch mit den geistigen Gott und sprach:1 „Wahrhaftig, o Herr, ich glaube, daß du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, der in die Welt kam.“ Deßhalb verkündete auch Petrus auf Eingebung des hl. Geistes, obwohl er von aussen den Sohn des Menschen sah, doch den Sohn Gottes und sprach: „Du S. 575 bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Deßhalb ferner glaubte Thomas, als er den Leib berührte, er habe Gott berührt und rief: „Mein Herr und mein Gott!“ Denn Alle bekannten den einen Christus, um nicht zwei zu machen. An ihn also glaube und glaube so an ihn, als den Herrn Aller, Jesus Christus, den Erstgeborenen und Eingeborenen, ebenso den Schöpfer der Dinge als den Erhalter der Menschen, der ebenso vorher der Erschaffer der ganzen Welt war, wie nachher der Erlöser des Menschengeschlechtes. Dieser hat, obwohl er mit dem Vater und in dem Vater blieb und ihm gleichwesentlich war, nach dem Apostel die Knechtsgestalt angenommen, sich erniedrigt bis zum Tode, und zwar bis zum Tode des Kreuzes. Er ist nach dem Symbolum geboren worden aus Maria der Jungfrau, gekreuzigt unter Pontius Pilatus und begraben. Am dritten Tage aber stand er wieder auf, wie geschrieben steht, und stieg in den Himmel und wird wieder kommen, zu richten die Lebendigen und die Todten. Denn das ist unser Glaube, das ist unser Heil, einen und denselben Gott und Herrn Jesus Christus ebenso vor Allem zu glauben, wie nach Allem, weil, wie geschrieben steht:2 „Jesus Christus gestern und heute, derselbe auch in Ewigkeit.“ In „gestern“ nemlich deutet er die ganze vergangene Zeit an, in welcher der Herr vor dem Anfange vom Vater geboren wurde. In „heute“ aber den Zeitraum dieser Welt, in welchem er wieder von der Jungfrau geboren wurde, litt und auferstand. Darin aber, daß es heißt: „Derselbe auch in Ewigkeit“ wird die ganze Unermeßlichkeit der künftigen, ewigen Dauer bezeichnet.