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Dialog gegen die Pelagianer (BKV)
21.
C. Gott hat Gebote gegeben, deren Beobachtung entweder möglich oder unmöglich ist. Ist sie möglich, dann steht es in unserer Macht, sie zu erfüllen, wofern wir wollen. Ist sie unmöglich, dann trifft uns keine Schuld, wenn wir unterlassen, was wir nicht zu erfüllen vermögen. Und deshalb kann der Mensch, wenn er will, ohne Sünde sein, mag nun die S. 370 Beobachtung der Gebote, die Gott gegeben hat, möglich sein oder nicht.
A. Ich bitte dich, mit Geduld zuzuhören. Ich gehe nämlich nicht darauf aus, über meine Gegner einen Sieg davonzutragen, sondern der Wahrheit dem Irrtum gegenüber zum Rechte zu verhelfen. Gott hat dem menschlichen Geiste eine Reihe von Fertigkeiten gegeben, die er praktisch verwerten kann, zumal diejenigen, welche von sehr vielen gelernt werden, um von denen zu schweigen, welche die Griechen banausisch1, wir Handarbeiten nennen. Es gehören zu diesen Fertigkeiten die Grammatik, die Rhetorik, die drei Abteilungen der Philosophie, die Physik, Ethik und Logik, ferner die Geometrie, Astronomie, Astrologie, Arithmetik und Musik, welche ebenfalls Unterabteilungen der Philosophie bilden, weiter die Medizin, die in drei Disziplinen, die theoretische, methodische und praktische Ausbildung, zerfällt, endlich die Kenntnis des Rechts und der Gesetze. Wer von uns, und möchte er noch so geistreich sein, könnte alle diese Gebiete beherrschen, da schon unser berühmtester Redner in seiner Erörterung über die Rhetorik und die Rechtswissenschaft sich ausläßt: „Wenige beherrschen eines dieser Gebiete, keiner ist auf beiden Meister“2. Du ersiehst hieraus, daß Gott das Mögliche angeordnet hat, ohne daß einer das, was möglich ist, auf natürliche Weise erfüllen kann. Er hat also verschiedene Gebote erlassen, Gelegenheit zu mannigfachen Tugenden gegeben, aber alle insgesamt zu üben, ist uns unmöglich. So erklärt es sich, daß dasjenige, was bei dem einen an erster Stelle steht oder ohne irgendeinen Mangel sich vorfindet, bei einem zweiten nur zum Teile sich nachweisen läßt. Und doch ist derjenige, der nicht alles hat, frei von Schuld. Er wird nicht auf Grund dessen verurteilt werden, was ihm abgeht, sondern er wird aus dem heraus gerechtfertigt, was er besitzt. Der Apostel gibt in einem Briefe an Timotheus an, welche Eigenschaften ein Bischof S. 371 haben soll: „Ein Bischof muß untadelhaft sein, nur eines Weibes Mann, nüchtern, ehrbar, würdevoll, gastfreundlich, zum Lehren geschickt, nicht dem Trunke ergeben, kein Schläger, sondern sanftmütig, nicht streitsüchtig, frei von Geiz, seinem eigenen Hause wohl vorstehend und die Kinder in Gehorsam und Ehrbarkeit haltend“3. Und er fährt fort: „Er darf kein Neubekehrter sein, damit er nicht vom Dünkel gebläht, dem Gerichte des Teufels anheimfalle. Er muß aber auch in gutem Rufe bei denen stehen, die draußen sind, damit er sich nicht Schmähungen aussetze und in die Schlingen des Teufels falle“4. Auch an Titus schreibt der Apostel, und in kurzen Ausführungen weist er darauf hin, welcher Art die von ihm zu weihenden Bischöfe sein sollen: „Deshalb habe ich dich auf Kreta zurückgelassen, damit du das, was mangelt, in Ordnung bringest und von Stadt zu Stadt Vorsteher bestellest, wie ich dir geboten habe, falls einer untadelig ist, nur eines Weibes Mann, umgeben von gläubigen Kindern, die nicht im Rufe der Ausschweifung stehen oder unbotmäßig sind. Denn der Bischof muß als Haushalter Gottes frei von böser Tat, oder besser, frei von jedem Verdachte sein (dies ist die eigentliche Bedeutung von ἀνέγκλητος [anengklētos]). Er darf nicht heftig, zornmütig, trunk- und händelsüchtig, nach schnödem Gewinn begierig sein, sondern gastfreundlich, gütig, ehrbar, gerecht, heilig, sich selbst beherrschend, festhaltend an dem der Lehre entsprechenden, zuverlässigen Worte, damit er imstande sei, in der rechten Lehre zu ermahnen und Widersprechende zu überführen“5. Ich will jetzt nicht noch weiter eingehen auf die mannigfachen Vorschriften, die an die verschiedensten Personen ergangen sind, vielmehr werde ich mich an die für den Bischof geltenden Vorschriften halten.
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Dialogos contra Pelagianos Admonitio
21.
Quomodo possibilia mandata Dei sint. — C. Aut possibilia Deus mandata dedit, aut impossibilia. Si possibilia, in nostra potestate est ea facere, si velimus. Si impossibilia, nec in hoc rei sumus, si non facimus, quod implere non possumus. Ac per hoc sive possibilia dedit Deus mandata, sive impossibilia, potest homo sine peccato esse, si velit. A. Quaeso ut patienter audias; non enim de adversario victoriam, sed contra mendacium quaerimus veritatem. Deus possibiles dedit humano generi omnes artes, quippe quas plurimi didicerunt (Plato in Symposio): ut taceam de his, quas Graeci βαναύσους vocant, nos ad opera manuum pertinere possumus dicere: verbi gratia, grammaticam, rhetoricam, philosophiae tria genera, physicam, ethicam, logicam, geometriam quoque, et astronomiam, astrologiam, arithmeticam, musicam, quae et ipsae partes philosophiae sunt: medicinam etiam, quae in tria dividitur, δόγμα, μέθοδον, ἐμπειρίαν: juris quoque et legum scientiam. Quis nostrum, quamvis sit ingeniosus, poterit omnia comprehendere, cum eloquentissimus Orator (Cicero) de rhetorica, et juris scientia disputans, dixerit: "Pauci unum possunt, utrumque nemo." Vides ergo, quod Deus possibile jusserit, et tamen id, quod possibile est, per naturam nullum posse [Al. potuisse] complere. Dedit itaque praecepta diversa, virtutesque varias, quas omnes simul habere non possumus. Atque ita fit, ut quod in alio aut primum, aut totum est, in alio ex parte versetur: et tamen non sit in crimine, qui non habet omnia, nec condemnetur ex eo, quod non habet; sed justificetur ex eo, quod possidet. Definit Apostolus, qualis episcopus esse debeat, scribens ad Timotheum: Oportet episcopum esse irreprehensibilem, unius uxoris virum, sobrium, pudicum, ornatum, hospitalem, docilem, non vinolentum, non percussorem; sed mansuetum, non litigiosum, sine avaritia, domum suam bene regentem, filios habentem subditos cum omni pudicitia (I Tim. III, 2 et seqq.). Et iterum: Non neophytum, ne inflatus in judicium incidat diaboli. Oportet autem eum etiam testimonium deforis habere bonum, ne in opprobrium incidat, et laqueum diaboli (Ibid., 6, 7). Tito quoque scribens discipulo, quales episcopos debeat ordinare, brevi sermone demonstrat: Ideo reliqui te Cretae, ut quae reliqua sunt, corrigas, et constituas per civitates presbyteros, sicut ego praecepi tibi. Si quis est sine crimine, unius uxoris vir, filios habens fideles, nec in accusatione luxuriae, aut non subjectos. Oportet autem episcopum esse sine crimine, sive sine accusatione (hoc enim magis ἀνέγκλητος sonat), sicut dispensatorem Dei non protervum, non iracundum, non vinolentum, non percussorem, non turpis lucri appetitorem; sed hospitalem, benignum, pudicum, justum, sanctum, continentem, obtinentem doctrinae fidelem sermonem, ut possit exhortari in doctrina sana, et contradicentes coarguere (Tit. I, 5 seqq.). Ut diversarum personarum varia praecepta nunc sileam, circa mandata episcopi me tenebo.