20.
„In Ewigkeit wird Erbarmen aufgerichtet“1. Es gibt nämlich keine Zeit, in welcher nicht in den einzelnen Heiligen und in jenen, die von den Sünden sich der Tugend zuwenden, das Erbarmen aufgerichtet wird.— Wer aus uns wird geschützt werden können vor dem Pfeile, der am Tage einherfliegt und vor dem Unfall, der in der Finsternis naht?2 Denn siehe, die Sünder haben den Bogen gespannt, um im Dunkel ihre Pfeile gegen die Rechtschaffenen loszuschnellen3. Nicht die Schlechten wollen sie verwunden, sondern die Rechtschaffenen. Tagsüber fliegen die Pfeile umher, wenn die Häretiker die Heiligen Schriften nach ihrer Art und Weise deuten. Unfälle nahen sich während der nächtlichen Finsternis in den Philosophen, welche durch ihre unklare Redeweise die Wahrheit zu umgarnen trachten.— „Sie sind dem Hause des Herrn eingepflanzt, im S. 441 Vorhofe unseres Gottes werden sie blühen“4. Die dem Hause Gottes eingepflanzt sind, das sind die Gerechten, die in der Kirche stark Gewordenen. Aber nicht jetzt, vielmehr erst in der Zukunft werden sie im Vorhofe des Herrn blühen, im sicheren und unbestrittenen Besitze. — „Barmherzig und nachsichtig ist der Herr, langmütig und von großer Erbarmung. Mild ist der Herr gegen alle, und seine Barmherzigkeit erstreckt sich auf jedes seiner Werke“5. So oft vernimmst du das Wort Barmherzigkeit, und du wagst es, auf deine Tugendhaftigkeit zu vertrauen? — „Ein Bekenntnis mögen vor Dir ablegen, o Herr, alle Deine Werke“6. Wenn die Menschen auch unter den gesamten Werken Gottes inbegriffen sind, dann müssen auch alle Menschen ihre Sünden bekennen. — Im Buche Samuel lesen wir folgenden Ausspruch über Salomon: „Er wird mir ein Haus bauen, und ich werde sein Reich festigen in Ewigkeit. Ich werde ihm zum Vater und er wird mir zum Sohne sein“7. Und weiter: „Wenn er etwas Böses tut, werde ich ihn mit der Männerrute strafen, aber meine Barmherzigkeit will ich nicht von ihm nehmen“8. Als David dem Herrn gedankt hatte, sprach er zuletzt: „Das ist das dem Menschen gesetzte Los9: O Herr und Gott, siehe doch stets auf Deine Barmherzigkeit, und stehe dem schwachen Fleische mit göttlicher Hilfe bei!“ — „Was habe ich“, so heißt es, „mit euch zu schaffen, ihr Söhne Sarvias? Semei möge fluchen! Der Herr hat ihm befohlen, David zu fluchen. Wer wird ihn fragen: Warum hast du dies getan?“10 Über den Willen Gottes darf nicht gerechtet werden, sondern er ist dankbar hinzunehmen. Und an anderer Stelle heißt es: „Der Herr befahl, damit er über Absalom Unglück S. 442 brächte11, den guten Rat Achitophels zunichte zu machen, dessen Rat sicherlich so war, als wäre er Gottes Rat“12. Warum ist die Fähigkeit, sich frei zu entscheiden, durch eine höhere Macht umgestoßen worden? ― Jeroboam, der Israel zur Sünde verführte, wird angeklagt, von Gottes Gebot abgewichen zu sein, und an ihn ergeht das Wort: „Ich habe dir die Herrschaft des Hauses David gegeben, aber du warst nicht wie mein Diener David, der meine Gebote hielt, von ganzem Herzen nach meinem Willen wandelte und mir wohlgefällig war“13. Die Erfüllung der Gebote Gottes ist also möglich, wie wir aus dem Beispiele Davids ersehen, und doch erschlaffen auch die Heiligen auf die Dauer in der Gerechtigkeit.
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Ps. 88, 3 [Hebr. Ps. 89, 3]. ↩
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Ps. 90, 6 [Hebr. Ps. 91, 6]. ↩
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Ps. 10, 3 [Hebr. Ps. 11, 2]. ↩
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Ps. 91, 14 [Hebr. Ps. 92, 14]. ↩
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Ps. 144, 8 f. [Hebr. Ps. 145, 8 f.]. ↩
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Ps. 144, 10 [Hebr. Ps. 145, 10]. Confiteri ist gewöhnlich mit „preisen“ dem Hebräischen entsprechend zu übersetzen. Der Zusammenhang erfordert die obige Übertragung. ↩
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2 Kön. 7, 13 f. [= 2 Samuel]. ↩
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2 Kön. 7, 14 f. [= 2 Samuel]. ↩
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2 Kön. 7, 19 [= 2 Samuel]. Das folgende Zitat ist nicht biblisch. ↩
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2 Kön. 16, 10 [= 2 Samuel]. ↩
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2 Kön. 17, 14 [= 2 Samuel]. ↩
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2 Kön. 16, 23 [= 2 Samuel]. ↩
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3 Kön. 14, 8 [= 1 Könige]. ↩