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Leben des hl. Einsiedlers Hilarion (BKV)
18.
Noch ein anderes Ereignis, das nicht übergangen werden darf, bleibt zu erzählen. Orion, einer der ersten und reichsten Einwohner der Stadt Aila1, die dicht am Roten Meere liegt, wurde zu Hilarion geführt, weil er von einer ganzen Legion böser Geister besessen war. Hände, Hals, Seiten und Füße waren an Ketten gefesselt; aus den grimmigen Augen blitzte es wild. Der Heilige schritt gerade mit den Brüdern auf und ab, um ihnen irgendeine Schriftstelle auszulegen. Da befreite sich Orion aus den Händen seiner Begleiter, umschlang ihn hinterrücks mit den Armen und hob ihn empor. Alle fingen an zu schreien, fürchteten sie doch, Orion möchte den durch Fasten aufgeriebenen Körper zermalmen. Der Heilige aber sprach lächelnd: „Schweiget nur und überlasset mir meinen Meister im Ringkampf„. Dann beugte er seine Hand über die Schulter zurück, berührte Orions Haupt, ergriff ihn am Haar und zwang ihn vor seinen Füßen zur Erde. Weiterhin hielt er beide Hände fest, trat mit seinen Füßen auf Orions Füße und rief wiederholt aus: „Ihr sollt gequält und gepeinigt werden, ihr bösen Geister!“ Der Besessene heulte und beugte den Nacken nach hinten, so daß er S. 46 mit dem Scheitel die Erde berührte. Hilarion aber betete: „Herr, Jesu Christe, erlöse den Unglücklichen, erlöse den Gefangenen! Du kannst ebensogut viele wie einen einzelnen besiegen.„ Da vollzog sich etwas Unerhörtes. Aus dem Munde e i n e s Menschen vernahm man verschiedene Stimmen, welche an das verworrene Geräusch erinnerten, wie es eine Volksmenge verursacht. So wurde auch dieser Mann geheilt, und nicht lange darauf kam er, begleitet von seiner Gattin und seinen Kindern, zum Kloster, beladen mit Geschenken, um seinem Danke Ausdruck zu geben. „Hast du nicht gelesen“, fragte ihn der Heilige, „was Giezi2, was Simon leiden mußten3, der eine, weil er Geld annahm, der andere, weil er es anbot, der eine, weil er die Gaben des Heiligen Geistes feilhalten, der andere, weil er sie kaufen wollte?„ Da bat Orion unter Tränen: „So nimm es und gib es den Armen“. Hilarion erwiderte: „Du gehst in den Städten umher und kennst die Armen. Deshalb vermagst du viel besser das Deinige zu verteilen. Ich habe mein Eigentum verlassen, warum sollte ich Fremdes begehren? Für viele freilich ist der Titel der Armut nur ein Weg zur Habsucht. Mitleid aber sucht nicht im Trüben zu fischen. Wer nichts für sich behält, der teilt am meisten aus.„ Diese Antwort betrübte den Orion, und von neuem bittend warf er sich zu Boden. Aber der Greis sprach: „Sei nicht traurig, mein Sohn; ich handle nicht bloß in meinem Interesse, sondern auch in deinem. Nehme ich die Geschenke an, so beleidige ich Gott, und die Legion wird zu dir zurückkehren.“
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Aila, das alttestamentliche Elath, kommt in der klassischen Literatur öfters mit vielfach ändernder Namensbezeichnung vor. (τὰ Αϊλανα, Αἰλανή, Ἐλάνα, Αῖλας etc.). Es war Ausgangspunkt für Salomos Flotte und blieb wichtiger Handelsplatz bis in die spätrömische Zeit. Es liegt an der östlichen Spitze des Roten Meeres in der Nähe des heutigen Akaba. ↩
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2 Kön. 5, 20 ff. ↩
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Apg. 8, 18 ff. ↩
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The Life of S. Hilarion
18.
Nor must we omit to tell that Orion, a leading man and wealthy citizen of Aira, on the coast of the Red Sea, being possessed by a legion of demons was brought to him. Hands, neck, sides, feet were laden with iron, and his glaring eyes portended an access of raging madness. As the saint was walking with the brethren and expounding some passage of Scripture the man broke from the hands of his keepers, clasped him from behind and raised him aloft. There was a shout from all, for they feared lest he might crush his limbs wasted as they were with fasting. The saint smiled and said, “Be quiet, and let me have my rival in the wrestling match to myself.” Then he bent back his hand over his shoulder till he touched the man’s head, seized his hair and drew him round so as to be foot to foot with him; he then stretched both his hands in a straight line, and trod on his two feet with both his own, while he cried out again and again, “To torment with you! ye crowd of demons, to torment!” The sufferer shouted aloud P. 307 and bent back his neck till his head touched the ground, while the saint said, “Lord Jesus, release this wretched man, release this captive. Thine it is to conquer many, no less than one.” What I now relate is unparalleled: from one man’s lips were heard different voices and as it were the confused shouts of a multitude. Well, he too was cured, and not long after came with his wife and children to the monastery bringing many gifts expressive of his gratitude. The saint thus addressed him—“Have you not read what befell Gehazi and Simon, one of whom took a reward, the other offered it, the former in order to sell grace, the latter to buy it?” And when Orion said with tears, “Take it and give it to the poor,” he replied, “You can best distribute your own gifts, for you tread the streets of the cities and know the poor. Why should I who have forsaken my own seek another man’s? To many the name of the poor is a pretext for their avarice; but compassion knows no artifices. No one better spends than he who keeps nothing for himself.” The man was sad and lay upon the ground. “Be not sad, my son,” he said; “what I do for my own good I do also for yours. If I were to take these gifts I should myself offend God, and, moreover, the legion would return to you.”