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Auszug aus den göttlichen Unterweisungen (BKV)
54. Die zwei Wege des Lebens.
Daß es zwei Wege des menschlichen Lebens gibt, war weder den Philosophen noch den Dichtern unbekannt, aber beide haben sie auf verschiedene Weise angewandt. Die Philosophen nahmen einen Weg der Tätigkeit und einen Weg der Untätigkeit an; aber darin trafen sie weniger das Richtige, daß sie für beide Wege nur die Annehmlichkeiten des irdischen Lebens in Betracht zogen. Besser die Dichter, die von einem Weg der Gerechten und einem Weg der Gottlosen reden; aber darin greifen sie fehl, daß sie beide Wege nicht in das gegenwärtige Leben, sondern in die Unterwelt S. 195 verlegen. Richtiger urteilen jedenfalls wir, die wir einen Weg des Lebens und einen Weg des Todes annehmen und doch für beide diese Welt zum Schauplatze machen. Aber jener Weg nach rechts, auf dem die Gerechten schreiten, führt nicht ins Elysium, sondern in den Himmel — denn die Gerechten werden unsterblich —, während der Weg nach links in den Tartarus führt; denn die Ungerechten fallen ewigen Qualen anheim. Wir müssen also den Weg der Gerechtigkeit wandeln, der zum Leben führt. Erste Aufgabe der Gerechtigkeit aber ist es, Gott zu erkennen, ihn als Herrn zu fürchten und als Vater zu lieben. Denn der nämliche Gott, der uns geschaffen, der uns mit belebendem Hauche beseelt hat, der uns nährt und erhält, hat gegen uns nicht bloß als Vater, sondern auch als Herr die Befugnis der Züchtigung und die Macht über Leben und Tod; daher gebührt ihm vom Menschen eine doppelte Ehre, d. i. Liebe mit Furcht. Zweite Pflicht der Gerechtigkeit ist es, daß wir im Nebenmenschen den Bruder erkennen. Wenn der nämliche Gott uns gebildet und alle unter gleicher Bedingung zur Gerechtigkeit und zum ewigen Leben geschaffen hat, so sind wir durch brüderliche Zusammengehörigkeit miteinander verbunden; und wer diese nicht anerkennt, ist ungerecht. Aber der Ursprung dieses Übels, durch das die gesellige Verbindung der Menschen und das Band der Zusammengehörigkeit aufgelöst wurde, stammt von der Unkenntnis des wahren Gottes. Wer diesen Quell der Güte nicht kennt, kann unter keiner Bedingung gut sein. Daraus erklärt es sich, daß von der Zeit an, in der die Einführung und Verehrung vieler Götter den Anfang nahm, die Gerechtigkeit, wie die Dichter singen, von der Erde verscheucht, jedes Bündnis zerrissen und die Gemeinsamkeit des menschlichen Rechtes aufgehoben wurde. Damals fing man an, nur mehr für sich zu sorgen und das Recht in der Stärke zu suchen; damals begann man sich wechselseitig zu beeinträchtigen, mit Tücke sich anzugreifen, mit Arglist zu umgarnen; man begann, die eigenen Vorteile auf Kosten anderer zu mehren, nicht Blutsverwandte, nicht Kinder, nicht Eltern zu schonen, zum Giftmord die Becher zu mischen, die Wege mit dem S. 196 Schwert zu belagern, die Meere unsicher zu machen, der Ausschweifung, wohin immer blinde Leidenschaft trieb, die Zügel zu lockern, kurz nichts für heilig zu halten, was nicht ruchlose Begierlichkeit entweiht hätte. Während solche Zustände herrschten, schufen sich die Menschen Gesetze für die allgemeine Wohlfahrt, um sich inzwischen vor Gewalttätigkeiten zu schützen. Aber die Furcht vor den Gesetzen unterdrückte nicht die Verbrechen, sondern drängte nur die Zügellosigkeit zurück. Die Gesetze konnten nur die Vergehungen strafen, das Gewissen konnten sie nicht strafen. Was vorher offen geschah, begann jetzt heimlich zu geschehen; man wußte auch die Gesetze zu umgehen; die Schützer der Gesetze selbst ließen sich durch Belohnungen und Geschenke bestechen und verkauften ihre Stimmen zur Freilassung der Bösen und zum Verderben der Gerechten. Dazu kamen Zerwürfnisse und Kriege und wechselseitige Plünderungen, und nach Unterdrückung der Gesetze eine Willkürherrschaft, die keine Schranken kannte.
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The Epitome of the Divine Institutes
Chap. LIX.--Of the Ways of Life, and the First Times of the World.
That there are two ways 1 of human life was unknown neither to philosophers nor to poets, but both introduced them in a different manner. The philosophers wished the one to be the way of industry, the other of idleness; but in this respect they were less correct in their statements, that they referred them to the advantages of this life only. The poets spoke better who said that one of them was the way of the just, the other of the unjust; but they err in this, that they say that they are not in this life, but in the shades below. We manifestly speak more correctly, who say that the one is the way of life, the other that of death. And here, however, we say that there are two ways; but the one on the right hand, in which the just walk, does not lead to Elysium, but to heaven, for they become immortal; the other on the left leads to Tartarus, 2 for the unjust are sentenced to eternal tortures. Therefore the way of justice, which leads to life, is to be held by us. Now the first duty of justice is to acknowledge God as a parent, and to fear Him as a master, to love Him as a father. For the same Being who begat us, who animated us with vital breath, who nourishes and preserves us, has over us, not only as a father but also as a master, authority to correct us, and the power of life and death; wherefore twofold honour is due to Him from man, that is, love combined with fear. The second duty of justice is to acknowledge man as a brother. For if the same God made us, and produced all men on equal terms to justice and eternal life, it is manifest that we are united by the relationship of brotherhood; and he who does not acknowledge this is unjust. But the origin of this evil, by which the mutual society of men, by which the bond of relationship has been torn asunder, arises from ignorance of the true God. For he who is ignorant of that fountain of bounty can by no means be good. Hence it is that, from the time when a multitude of gods began to be consecrated and worshipped by men, justice, as the poets relate, being put to flight, every compact was destroyed, the fellowship of human justice was destroyed. Then every one, consulting his own interest, reckoned might to be right, injured another, attacked by frauds, deceived 3 by treachery, increased his own advantages by the inconvenience of others, did not spare relatives, or children, or parents, prepared poisoned cups for the destruction of men, beset the ways with the sword, infested the seas, gave the rein to his lust, wherever passion led him,--in short, esteemed nothing sacred which his dreadful desire did not violate. When these things were done, then men instituted laws for themselves to promote the public advantage, that they might meanwhile protect themselves from injuries. But the fear of laws did not suppress crimes, but it checked licentiousness. For laws were able to punish offences, they were unable to punish the conscience. Therefore the things which before were done openly began to be done secretly. Justice also was evaded by stealth, since they who themselves presided over the administration of the laws, corrupted by, gifts and rewards, made a traffic of their sentences, either to the escape 4 of the evil or to the destruction of the good. To these things were added dissensions, and wars, and mutual depredations; and the laws being crushed, the power of acting with violence was assumed without restraint.