Nr. 65
Ja, sagt man, ist Gott mächtig, barmherzig, ein Retter, so mag Er uns die Herzen wenden und uns wider Willen seine Verheißungen glauben machen. Dieß ist also Gewalt, nicht Gnade; nicht des obersten Gottes Freigebigkeit, sondern das kindische und eitle Bestreben aus Eifer zu siegen: denn was ist so ungerecht als die Widerstrebenden, die Nichtwollenden zum entgegengesetzten Willen hinzupressen, ihnen aufzudringen, was sie nicht wollen und was sie fliehen? lieber zu schaden als zu nützen, und dem Vorherigen entführt, in einen anderen Zustand und zu anderer Meinung hinübernöthigen? Der du wünschest gewandelt zu werden und Gewalt zu erleiden, um was du nicht willst zu vollbringen und gezwungen zu ergreifen, warum verweigerst du mit Willen anzunehmen, was du umgewendet und gewandelt zu vollbringen verlangst? Ich will nicht, spricht man, und begehre keinen Willen. Was beschuldigst du also Gott, als ob Er dir fehle? Du verlangst, der solle dir Dienst leisten, dessen Gaben und Geschenke du nicht nur verachtest und fliehst, sondern auch mit anderen Worten benennst und mit S. 91 possierlichen Witzen verfolgst. Werde ich also kein Christ, so kann ich keine Hoffnung des Heils haben? So wie du sagst, ist es: denn die zu gebenden Theile des Heiles, sowohl was des Nutzens wegen den Seelen mitgetheilt zu werden schicklich, als auch nothwendig hinzuzufügen ist, hat Er allein von Gottvater eingefügt und überliefert, indem sie dergestalt geheime und unbekanntere Zustände sind. Wie nämlich gewisse Götter bei euch einen gewissen Schutz gewähren, gewisse Freiheiten und Kräfte haben, so daß ihr von keinem derselben, was nicht seiner Kraft und Freiheit eignet, erfleht; deßgleichen steht dem einzigen Christus die freie Gewalt zu, den Seelen das Heil zu geben und die Wesenheit der Fortdauer beizulegen. Glaubt ihr, Vater Liber könne den Wein, aber nicht die Arzneimittel geben; Ceres die Früchte, Aeskulap die Gesundheit, Neptun Anderes und wieder Anderes Juno, Fortuna, Merkur, Vulkan; so daß den gewissen und einzelnen Dingen auch einzelne Geber zukommen; dann müßt ihr nothwendig auch von uns annehmen, die Seelen könnten das Vermögen des Lebens und der Unversehrtheit von dem erhalten, welchen der höchste Herr dieser Gabe und Dienstleistung vorgesetzt hat. Der allmächtige Herrscher wollte, daß Er dieser Weg des Heils sey; diese Thüre des Lebens, um so zu sprechen, durch den allein der Zugang zum Lichte ist; und kein anderer ist gegeben, entweder anzubringen oder sich zu bemächtigen, da alle übrigen geschlossen und mit unüberwindlichen Schutzwehren bewahrt sind.
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