Nr. 10
Und woher endlich ist euch bekannt, daß alle diese Bildnisse, welche ihr den unsterblichen Göttern als Stellvertreter fertigt, die göttliche Ebenbildlichkeit darstellen und besitzen? denn es kann stattfinden, daß im Himmel bärtig ist, der von euch ohne Bart abgebildet wird; es kann Einer im Alter vorgerückter seyn, dem ihr Knabenjahre zueignet; es kann ein Anderer blondes Haar hier haben, der in Wahrheit blaugraue Augen hat; er kann mit breiter Nase versehen seyn, die ihr ihm spitz hingestaltet. Nicht ist das Bild ein richtiges zu nennen, welches keine gleichförmigen Umrisse vom Urgesicht überträgt. Daß dieß augenscheinlich und gewiß sey, kann an sichtbaren Dingen erkannt werden: denn da alle Menschen mittelst unbezweifelbarer Beschauung sehen, die Sonne sey von allen Seiten gleich abgerundet, so gebt ihr derselben ein menschliches Angesicht und die Umrisse des sterblichen Körpers. Der Mond ist stets in Bewegung und dreißig Angesichter empfängt er in monatlicher Erneuerung; nach euern Führern und Bildnern ist er ein Weib, und der an Gestaltungen tausendfältig in täglicher Unbeständigkeit sich verändert, hat nur ein einziges Angesicht. Wir bemerken Alle, die Winde seyen das Strömen fortgestoßener Luft und aufgeregt durch des Himmels Bewegung; bei euch haben sie Menschenformen und beleben mit dem Hauch aus sich heraus die gewundenen Trompeten. Unter euern Göttern zeigen wir des Löwen grimmiges Antlitz, mit lauterm Mennig beschmiert und der Fruchtbringende genannt. Sind alle dieses Bildnisse Abbilder der oberen Gottheiten, so muß man folglich auch sagen, im Himmel wohne ein solcher Gott, nach dessen Gestaltung und Art dieses Bildes Aehnlichkeit entnommen ist; und freilich, wie er hier ist, so auch dort, ohne den übrigen Körper, bloses Antlitz, brüllend aus gräßlichem Rachen, Furcht erregend durch die blutfarbige Salbe, den Apfel mit seinen Zähnen festhaltend und gleich abgejagten Hunden vor Trinkgier aus offenem Rachen die Zunge hängend. Wenn dieß schlechterdings nicht stattfindet, so wie wir Alle dafürhalten, es sey nicht, was ist dann dieß für eine Keckheit, eine Gestalt dir nach deinem Wollen zu bilden und zu sagen, sie sey das Ebenbild eines Gottes, den du in keinem Theile der Natur zu seyn erweisen kannst?
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