Nr. 1
Wie also, mag wohl irgend Einer sagen, ihr seyd der Meinung, man müsse durchaus kein Opfer darbringen? Um euch nicht unsre Meinung, sondern die euers Varro zu erwidern: keine. Wie so? Weil, sagt er, die wahren Götter weder dergleichen verlangen, noch fordern; die aus Erz, Lehm, Gyps oder Marmor gefertigten aber kümmern sich noch viel weniger um dieselben: denn sie entbehren der Empfindung; und somit zieht man sich weder eine Schuld zu im Unterlassungsfall, noch erwirbt man sich eine Gunst durch's Vollbringen. Es läßt sich keine unparteiischere, wahrhaftigere Aussage auffinden; die auch Jedermann, sey er gleichwohl einfältig und höchst unbegreifsam, fassen kann: denn wer ist so abgestumpft, daß er entweder unempfindlichen Dingen Opfer darbringe, oder dafür hält, denen seyen sie zu geben, welche von diesen der Natur und Glückseligkeit nach weit getrennt sind?
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