Die griechischen Kirchengebäude.
Der Grundriß der jetzigen griechischen Kirchen ist ein von Westen nach Osten gerichtetes Rechteck, welches jedoch im Osten nicht in rechten Winkeln abschließt, sondern in drei Rundbogen ausläuft, von denen der mittlere bedeutend hervortritt.
Für unsere Zwecke ist die innere Einteilung der Kirche maßgebend. Von Westen her tritt man unmittelbar vom Freien aus in die offene, geräumige äußere Vorhalle, welche in der alten Zeit der letzten Klasse der Büßenden, den Weinenden, zugewiesen war, und gegenwärtig zur Aufbewahrung hölzerner Instrumente zur Aneiferung und Berufung der Gläubigen, der Klappern und Ratschen, dient. Auch ein Wassergefäß ist dort aufbewahrt zum Zwecke der Reinigung der Hände.
Von der äußeren Vorhalle gelangt man durch die in der Mitte der Scheidemauer angebrachte große Türe in die innere Vorhalle (Narthex). Dieser Teil der Kirche war in der alten Zeit den Katechumenen, Büßern und Ungläubigen, überhaupt allen Nichtkommunikanten eingeräumt. Jetzt werden daselbst die kirchlichen Tageszeiten gebetet, die Leichen während des Offiziums aufgebahrt. Das Morgen- und Abendgebet (Laudes und Vesper) werden in der Kirche selbst gebetet.
Durch die schöne Türe und meistens auch noch durch zwei Seitentüren, von jeher für den besonderen Eingang der Männer oder Frauen bestimmt, gelangt man in das Schiff der Kirche, das auch für sich allein Kirche genannt wird. Der größere hintere Teil des Schiffes ist dem christlichen Volke eingeräumt und zwar abgeteilt durch eine niedere Mauer oder Schranke für die Männer und die Frauen; diesen ist manchmal auch eine Galerie angewiesen. Männer und Frauen haben Stühle, welche zum Sitzen S. 310 (während der Lektionen) oder zum Anlehnen (während des Gesanges) oder zum Stehen (während des Gebetes) dienen. Die Stühle sind meistens feststehend, doch gibt es auch tragbare. In den Kirchen der Mönche ist das Schiff ausschließlich diesen eingeräumt; Laien können sich im Narthex aufhalten. Mitten im Schiffe unter der großen Kuppel befindet sich in den Kathedralkirchen der Ambon, der aber nicht wie unsere Kanzel zum Predigen benützt wird; er ist eine Estrade, auf welcher der Bischof seine liturgischen Kleider anzieht. Für die sehr seltene Predigt wird der Ambon des Chores benützt.
Der vordere, gegen Osten gelegene Teil des Schiffes, auf den man durch einige Stufen gelangt, ist der Chor, welcher dem Unterchore der Basiliken entspricht. Auf der südlichen und nördlichen Seite des sehr geräumigen Chores befinden sich die Standorte der Sänger, welche die Psalmen abwechslungsweise nach Versen, Hymnen, andere Gesänge aber gemeinsam singen. Dort befinden sich auch Sitze für das Chorgebet und tragbare Bilder für Prozessionen. In der Mitte des Chores, gegenüber der hl. Türe, ist der Ambon, der gewöhnliche Standort des Diakons; er ist nicht wie unsere Kanzel gestaltet, sondern nur ein erhöhter Platz. Zum Vorlesen der Fürbitten und dergleichen bedient sich der Diakon eines beweglichen Pultes. Der Raum zwischen dem Standorte des Diakons und zwischen dem Standorte der Sänger heißt Solea und dient zur Ausspendung der Kommunion an die Laien.
Zwischen dem Chore und dem Altarraume ist die aus Brettern gefertigte Bilderwand, die den Altarraum vollständig von der übrigen Kirche abschließt. Die Bilderwand wird durch drei Türen durchbrochen, in der Mitte ist die heilige oder königliche Türe, durch welche nur der Priester und Diakon in amtlichen Funktionen aus- und eingehen; in Rußland auch der Kaiser zur Abgabe des Opfers und zur Kommunion. Die heilige Türe ist immer mit dem Bilde der Verkündigung und den Bildern der vier Evangelisten geziert, durch ein Gitter abgeschlossen und auf S. 311 der Rückseite mit einem Vorhange versehen, der je nach Vorschrift zurückgezogen oder zugezogen wird und hierdurch dem Volk den Anblick des hl. Tisches gewährt oder entzieht. Rechts von der hl. Türe ist die südliche Türe, durch welche der Diakon aus dem Diakonikon sehr häufig eingeht oder ausgeht, weshalb sie auch Diakon-Türe heißt. Die nördliche Türe dient zum Eingehen und Ausgehen der übrigen Kirchendiener und heißt deshalb Paranomarion-Türe. Sie steht vor der Prothesis, bei den Eingängen der Liturgie geht man durch sie in das Schiff und von da durch die heilige Türe in den Altarraum.
Die Bilderwand ist durch eine große Anzahl von Bildern geschmückt; sie sind sämtlich gemalt, weil die griechische Kirche geschnitzte Bilder verwirft. Auf dem Felde rechts von der hl. Türe ist das Bild des Erlösers, auf dem Felde links von derselben das Bild der Gottesmutter; beiden Bildern werden in der Liturgie besondere Ehren erwiesen. Rechts von der Diakon-Türe ist das Bild des Kirchenpatrons, links von der nördlichen Türe das Bild eines in der Gemeinde besonders verehrten Heiligen. In der ersten Bilderreihe über den Türen sind gewöhnlich die zwölf Hauptfeste, in der zweiten Reihe die zwölf Apostel, in der dritten die Propheten dargestellt. In der Mitte dieser Reihen über der heiligen Türe ist das Abendmahl, Christus als Hoherpriester, Maria mit dem Jesuskinde und über dem Ganzen das Kreuz angebracht.
Hinter der Bilderwand ist der Altarraum, welchen das Volk nie betreten darf. In der Mitte dieses Raumes steht der eigentliche Altar, der heilige Tisch, entweder ein großer hölzerner, auf vier Füßen stehender Tisch oder ein aus Steinen erbautes fischförmiges Viereck, ähnlich der Mensa des lateinischen Altares; er hat kein Retable, sondern steht von allen Seiten frei im Raume. In manchen Kirchen erhebt sich über dem Tische, in Form des Ciboriums über dem Altare vieler Basiliken, ein auf vier Säulchen stehendes, nicht hohes Ciborium. Der Altar ist mit einem Leintuche bedeckt, das auf den vier Seiten bis auf den Boden herabfällt; dieses Leintuch ist mit einem aus S. 312 kostbaren Stoffen gefertigten Überzuge versehen. Die ganze Tischplatte ist noch mit dem Ileton, einem seidenen Wickeltuche bedeckt, in dessen Mitte das Antiminsion eingelegt wird. Das Antiminsion ist ein seidenes Tuch mit eingelegten Heiligen-Reliquien, wird ausschließlich vom Bischofe geweiht, ohne dasselbe darf auf keinem Altare das hl. Opfer dargebracht werden, so wenig wie in der lateinischen Kirche auf einem nicht konsekrierten Altare ohne altare portabile. Auf dem hl. Tische befinden sich das Evangelienbuch, ein liegendes Kreuz ohne Christuskörper, das Kästchen mit den hl. Ölen, ein goldenes Gefäß mit den hl. Sakramenten für die Kranken. Dieses hängt aber auch öfters in einer goldenen oder silbernen Taube vom Ciboriumsaltärchen herab oder befindet sich auf der Rückseite des Altares.
Links vom hl. Tische, in der Nähe der nördlichen Wand, steht ein etwas kleinerer, ebenfalls mit Tüchern bedeckter Tisch, der Prothesis oder Rüsttisch heißt. Auf ihm werden bei Beginn der Liturgie die fünf Opferbrote, der hl. Diskus, der Kelch, der Löffel und die hl. Lanze aufbewahrt und in der Fastenzeit die vorher konsekrierten Opfergaben. Die Vorbereitung zum hl. Opfer, die Proskomidie oder Prothesis, erfolgt ebenfalls auf diesem Altare, von dem der Raum selbst den Namen Prothesis hat. In der Prothesis befindet sich auch ein Wasserbecken für Händewaschungen. Rechts vom hl. Tische, also auf der Südseite des Altarraumes, ist das Diakonikon, welches unserer Sakristei entspricht, aber ebensowenig wie der Rüsttisch durch eine Wand vom Altarraume getrennt ist. Das Diakonikon dient zum Aufbewahren der heiligen Gefäße, der Priestergewänder und anderer zum Gottesdienste erforderlichen Gegenstände.
Hinter dem Altare, an der Ostwand des Altarraumes, befinden sich im Halbkreise die liturgischen Sitze, von denen der mittlere ausschließlich für den Bischof bestimmt ist. Der Priester sitzt während der Lektion auf einem Nebensitze. Über diesen Sitzen sind die Bilder Christi und seiner Apostel gemalt.