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Summe der Theologie
Achter Artikel. Die Seele ist ganz in jedem Teile des Körpers.
a) Dem steht entgegen: I. Aristoteles sagt (lib. de causa motus animal. c. 7.): „Es ist nicht notwendig, daß die Seele in einem jeden Teile des Körpers sei. Insoweit vielmehr andere Teile je nach ihrer Natur bestehen, sei sie in einem der hauptsächlichen leitenden Teile; da ja alle Teile dazu da sind, je nach seiner Beschaffenheit zugleich das ihnen Eigentümliche zu wirken.“ II. Die Seele ist das Princip alles Thatsächlichen in einem organisch gegliederten Körper. Nicht aber jeder Teil des menschlichen Körpers ist organisch gegliedert. Also ist die Seele nicht in jedem Teile des Körpers. III. Aristoteles sagt (2. de anima): „Gleichwie sich ein Teil oder eine Kraft der Seele zu einem Teile oder einem Organ des Körpers verhält, z. B. die Sehkraft zur Pupille; so verhält sich die Seele zum ganzen Körper.“ Ist also die Seele in jedem Teile des Körpers ganz, so ist jeder Teil ein ganzer, sinnbegabter Körper; und somit ist jeder Teil ein sinnbegabtes Wesen. IV. Alle Kräfte und Fähigkeiten der Seele sind begründet im Wesen der Seele. Wenn also die ganze Seele in jedem Teile des Körpers ist, so folgt, daß alle Fähigkeiten der Seele in jedem Teile des Körpers sind und so wird das Gesicht im Ohre sein und das Gehör im Auge u. s. w. V. Ist die Seele ganz in jedem Teile des Körpers, so würde kein Teil desselben vom anderen abhängen; sondern alle gleichmäßig von der Seele, was offenbar falsch ist. Die Seele ist also nicht ganz in jedem Teile des Körpers. Auf der anderen Seite sagt Augustin (6. de Trin. c. 6.): „Die Seele ist in jedem Körper, wo sie ist, ganz im ganzen Körper und ganz ist sie in jedem Teile des Körpers.“
b) Ich antworte; als rein bewegende Kraft wäre die Seele nicht ganz in jedem Teile des Körpers, sondern nur in einem; und durch diesen würde sie die anderen bewegen. Da sie aber die substantiale Form des Körpers ist, wodurch dieser einfach und überhaupt Sein hat, so muß sie ganz sein im ganzen Körper und ganz in jedem Teile. Denn die substantiale Form ist nicht nur die Vollendung des Ganzen im entsprechenden Dinge, sondern eines jeden Teiles, insoweit dieser zum Ganzen gehört. Ist nämlich eine Form nur von außen zu den Teilen hinzutretend, wie die Form des Hauses, also nur Zusammenstellung der Teile nach einem gewissen Plane, so wird das Sein der Steine, des Holzes, des Eisens u. dgl., also überhaupt der Teile unberührt gelassen; eine solche Form ist nur eine äußerliche, zufällige und ist demgemäß nicht ganz in jedem Teile, da jeder Teil sein eigenes Sein behält. Die Seele aber ist die substantiale Form, wovon das thatsächliche Sein nicht nur des Ganzen als solchen, sondern eines jeden Teiles abhängt. Entfernt sich deshalb die Seele, so ist ebensowenig mehr von einem Menschen die Rede; wie von einem menschlichen Auge, Ohr, wie von menschlichem Fleisch, von Knochen. Es wird davon nur in dem Sinne gesprochen, wie von gemalten oder steinernen Menschen, Auge, Ohr etc. . Das äußere Zeichen davon, daß das betreffende Sein dieser Teile nicht mehr besteht, ist dieses, daß keiner derselben die ihm eigene Wirksamkeit ausübt; wo doch jegliches Ding, welches sein Gattungssein behält, auch die dementsprechende Thätigkeit bewahrt. Die Thätigkeit aber ist in dem, welchem das thatsächliche Sein gehört. Also muß die Seele als Princip des Wesens „Mensch“ im ganzen Körper sein und in jedem seiner Teile. Daß die Seele aber auch ganz in jedem Teile sein muß, daß ergiebt sich aus folgender Erwägung. Gemäß dem nämlich daß ein Ganzes in Teile zerfällt, giebt es eine dreifache Art von Ganzem. Denn 1. besteht ein Ganzes, was seinem Umfange nach in quantitative Teile zerfällt; wie eine ganze Linie oder ein ganzer Körper geteilt wird. Dann giebt es 2. ein Ganzes, welches in die Teile seines Begriffs und seines Wesens geteilt wird; wie das Zusammengesetzte seinem Wesen nach zerfällt in Stoff und Form oder der Begriff „Mensch“ in die Teile sinnbegabt und vernünftig. Endlich zerfällt 3. das Ganze, wozu mehrere Kräfte gehören, als in seine Teile in seine einzelnen Kräfte. Dies sind also das totum quantitativum, das totum essentiale, das totum potentiale. Die erste Art Ganzes nun hat nichts zu thun mit den bestimmenden Formen; außer etwa nebenbei und nur mit jenen Formen, die von sich aus in gleicher Beziehung stehen zum ganzen Umfange wie zu dessen einzelnen Teilen. So ist es für die weiße Farbe z. B. von ihr aus gleichgültig, ob sie auf der ganzen Oberfläche sei oder nur in einem Teile, und wird deshalb die Oberfläche, die von ihr beherrscht wird, geteilt, so wird auch das „Weiße“ geteilt; nicht auf Grund seiner Natur, sondern zufällig, d. h. auf Grund von etwas Äußerlichem, nämlich der Oberfläche, wo sie zufällig ist. Jene Form aber, die da wie z. B. die Seele, zumal bei den vollkommeneren Tieren, auf Grund ihres Wesens Verschiedenheit in den Teilen verlangt, ist nicht gleichgültig von sich aus mit Rücksicht auf das Ganze und die Teile. Sie wird also nicht auf Grund dessen, d. h. zufällig geteilt, nämlich mit Rücksicht auf die Teilung des Umfangreichen, was zu Grunde liegt. Also weder auf Grund ihrer eigenen Natur noch auf Grund von etwas Äußerlichem, weder an und für sich noch zufälligerweise kann eine solche Art Ganzes, wie es im Umfange besteht, ein totum quantitativum, der Seele zugeschrieben werden. Aber die zweite Art Ganzes, das da gemäß dem Begriffe und der Vollendung des Wesens so genannt wird, das totum essentiale, kommt den bestimmenden Formen im eigentlichen Sinne, es kommt ihnen an und für sich zu; ebenso wie das Ganze, welches aus der Gesamtheit der Kräfte und Fähigkeiten erwächst, das dritte, als totum potentiale; ist doch eben die Form das eigenste Princip für die Thätigkeit. Wenn also gefragt würde, ob die weiße Farbe ganz sei auf der ganzen Oberfläche und ganz in jedem einzelnen Teile, so müßte man wohl unterscheiden. Denn ist vom ersten Ganzen die Rede, vom Ganzen des Umfanges (totum quantitativum), welchen die weiße Farbe auf Grund ihres Substrats, also zufällig hat; so ist sie nicht ganz, nach dem Umfange des Ganzen nämllch, auch in jedem Teile; denn der Umfang des Ganzen ist nicht der des Teiles. Ähnlich, wenn vom dritten Ganzen die Rede ist, vom Ganzen nämlich auf Grund der Kräfte zu wirken. Denn mit größerer Kraft bewegt das Auge der ganze weiße Umfang; wie bloß ein Teil des Umfanges. Wird jedoch vom zweiten Ganzen gesprochen, von dem des Begriffes und des Wesens, so ist die weiße Farbe nach ihrer ganzen Natur und nach ihrem ganzen Begriffe auf der ganzen Oberfläche und in jedem der Teile; denn überall ist wahrhaft Weißes. Nun hat die Seele wie erwähnt die erste Art Ganzes, das Ganze dem Umfange nach, nicht; weder in sich noch wegen eines anderen äußerlichen Seins, das ihr Substrat wäre. Gemäß der zweiten Art Ganzes, dem Ganzen der Natur und dem Begriffe nach, ist sie ganz im ganzen Körper und ganz in jedem Teile; denn nichts ist im Körper, was nicht ganz und wahrhaft menschlich wäre und was nach dem Fortgange der Seele es nicht mehr ist. Gemäß der dritten Art Ganzes, der Gesamtheit der Fähigkeiten nach, ist sie aber nicht ganz in jedem Teile des Körpers; denn nicht nach jeder Fähigkeit wirkt sie in jedem Teile, sondern sie wirkt das Sehen vermittelst des Auges, das Hören vermittelst des Ohres etc. Jedoch muß da noch berücksichtigt werden, daß die Seele in den Teilen untereinander einen Unterschied verlangt und somit nicht auf dieselbe Weise sich zum Ganzen verhält wie zu den Teilen. Zum Ganzen nämlich hat sie ohne alles Weitere und kraft ihres ganzen Wesens Beziehung wie zu dem ihr durchaus entsprechenden und zu ihr in geeignetem Verhältnisse stehenden Bestimmbaren und Vervollkommnungsfähigen; zu den Teilen aber hat sie Beziehung nicht an sich, sondern insoweit diese zum Ganzen hinbezogen werden.
c) I. Aristoteles spricht von der bewegenden Kraft, nicht vom Wesen der Seele. II. Die Seele bethätigt den organischen Körper wie das ihr entsprechende und unmittelbare Bestimmbare. III. Das „sinnbegabte lebende Wesen“ besteht aus der Seele und dem ganzen Körper; der da als das Erste der Bestimmung und Vollendung unterliegt, nämlich als das der formenden Kraft der Seele naturgemäß Entsprechende. So aber ist die Seele nicht in einem Teile. Also ist nicht der Teil ein solches Wesen. IV. Von den Vermögen der Seele überragen die Vernunft und der freie Wille durchaus alle körperliche Fähigkeit; sie sind also in keinem Teile des Körpers. Andere Vermögen sind der Seele und dem Leibe gemeinsam. Also ist es da nicht notwendig, daß ein jedes derselben in jedem Teile desKörpers sei; sondern nur in jenem Teile, welcher zur Wirksamkeit des betreffenden Vermögens im gebührenden Verhältnisse steht. V. Ein Teil des Körpers ist hervorragender wie der andere, weil er für höhere sinnliche Vermögen das Organ ist und danach dienen ihm andere Teile. Alle Teile aber sind gleichmäßig und wahrhaft menschlich.
Edition
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Summa theologiae
Articulus 8
Iª q. 76 a. 8 arg. 1
Ad octavum sic proceditur. Videtur quod anima non sit tota in qualibet parte corporis. Dicit enim philosophus, in libro de causa motus animalium, non opus est in unaquaque corporis parte esse animam; sed in quodam principio corporis existente, alia vivere; eo quod simul nata sunt facere proprium motum per naturam.
Iª q. 76 a. 8 arg. 2
Praeterea, anima est in corpore cuius est actus. Sed est actus corporis organici. Ergo non est nisi in corpore organico. Sed non quaelibet pars corporis hominis est corpus organicum. Ergo anima non est in qualibet parte corporis tota.
Iª q. 76 a. 8 arg. 3
Praeterea, in II de anima dicitur quod sicut se habet pars animae ad partem corporis, ut visus ad pupillam, ita anima tota ad totum corpus animalis. Si igitur tota anima est in qualibet parte corporis, sequitur quod quaelibet pars corporis sit animal.
Iª q. 76 a. 8 arg. 4
Praeterea, omnes potentiae animae in ipsa essentia animae fundantur. Si igitur anima tota est in qualibet parte corporis, sequitur quod omnes potentiae animae sint in qualibet corporis parte, et ita visus erit in aure, et auditus in oculo. Quod est inconveniens.
Iª q. 76 a. 8 arg. 5
Praeterea, si in qualibet parte corporis esset tota anima, quaelibet pars corporis immediate dependeret ab anima. Non ergo una pars dependeret ab alia, nec una pars esset principalior quam alia, quod est manifeste falsum. Non ergo anima est in qualibet parte corporis tota.
Iª q. 76 a. 8 s. c.
Sed contra est quod Augustinus dicit, in VI de Trin., quod anima in quocumque corpore et in toto est tota, et in qualibet eius parte tota est.
Iª q. 76 a. 8 co.
Respondeo dicendum quod, sicut in aliis iam dictum est, si anima uniretur corpori solum ut motor, posset dici quod non esset in qualibet parte corporis, sed in una tantum, per quam alias moveret. Sed quia anima unitur corpori ut forma, necesse est quod sit in toto, et in qualibet parte corporis. Non enim est forma corporis accidentalis, sed substantialis. Substantialis autem forma non solum est perfectio totius, sed cuiuslibet partis. Cum enim totum consistat ex partibus, forma totius quae non dat esse singulis partibus corporis, est forma quae est compositio et ordo, sicut forma domus, et talis forma est accidentalis. Anima vero est forma substantialis, unde oportet quod sit forma et actus non solum totius, sed cuiuslibet partis. Et ideo, recedente anima, sicut non dicitur animal et homo nisi aequivoce, quemadmodum et animal pictum vel lapideum; ita est de manu et oculo, aut carne et osse, ut philosophus dicit. Cuius signum est, quod nulla pars corporis habet proprium opus, anima recedente, cum tamen omne quod retinet speciem, retineat operationem speciei. Actus autem est in eo cuius est actus. Unde oportet animam esse in toto corpore, et in qualibet eius parte. Et quod tota sit in qualibet parte eius, hinc considerari potest, quia, cum totum sit quod dividitur in partes, secundum triplicem divisionem est triplex totalitas. Est enim quoddam totum quod dividitur in partes quantitativas, sicut tota linea vel totum corpus. Est etiam quoddam totum quod dividitur in partes rationis et essentiae; sicut definitum in partes definitionis, et compositum resolvitur in materiam et formam. Tertium autem totum est potentiale, quod dividitur in partes virtutis. Primus autem totalitatis modus non convenit formis, nisi forte per accidens; et illis solis formis, quae habent indifferentem habitudinem ad totum quantitativum et partes eius. Sicut albedo, quantum est de sui ratione, aequaliter se habet ut sit in tota superficie et in qualibet superficiei parte; et ideo, divisa superficie, dividitur albedo per accidens. Sed forma quae requirit diversitatem in partibus, sicut est anima, et praecipue animalium perfectorum, non aequaliter se habet ad totum et partes, unde non dividitur per accidens per divisionem quantitatis. Sic ergo totalitas quantitativa non potest attribui animae nec per se nec per accidens. Sed totalitas secunda, quae attenditur secundum rationis et essentiae perfectionem, proprie et per se convenit formis. Similiter autem et totalitas virtutis, quia forma est operationis principium. Si ergo quaereretur de albedine, utrum esset tota in tota superficie et in qualibet eius parte, distinguere oporteret. Quia si fiat mentio de totalitate quantitativa, quam habet albedo per accidens, non tota esset in qualibet parte superficiei. Et similiter dicendum est de totalitate virtutis magis enim potest movere visum albedo quae est in tota superficie, quam albedo quae est in aliqua eius particula. Sed si fiat mentio de totalitate speciei et essentiae, tota albedo est in qualibet superficiei parte. Sed quia anima totalitatem quantitativam non habet, nec per se nec per accidens, ut dictum est; sufficit dicere quod anima tota est in qualibet parte corporis secundum totalitatem perfectionis et essentiae; non autem secundum totalitatem virtutis. Quia non secundum quamlibet suam potentiam est in qualibet parte corporis; sed secundum visum in oculo, secundum auditum in aure, et sic de aliis. Tamen attendendum est quod, quia anima requirit diversitatem in partibus, non eodem modo comparatur ad totum et ad partes, sed ad totum quidem primo et per se, sicut ad proprium et proportionatum perfectibile; ad partes autem per posterius, secundum quod habent ordinem ad totum.
Iª q. 76 a. 8 ad 1
Ad primum ergo dicendum quod philosophus loquitur de potentia motiva animae.
Iª q. 76 a. 8 ad 2
Ad secundum dicendum quod anima est actus corporis organici, sicut primi et proportionati perfectibilis.
Iª q. 76 a. 8 ad 3
Ad tertium dicendum quod animal est quod componitur ex anima et corpore toto, quod est primum et proportionatum eius perfectibile. Sic autem anima non est in parte. Unde non oportet quod pars animalis sit animal.
Iª q. 76 a. 8 ad 4
Ad quartum dicendum quod potentiarum animae quaedam sunt in ea secundum quod excedit totam corporis capacitatem, scilicet intellectus et voluntas, unde huiusmodi potentiae in nulla parte corporis esse dicuntur. Aliae vero potentiae sunt communes animae et corpori, unde talium potentiarum non oportet quod quaelibet sit in quocumque est anima; sed solum in illa parte corporis quae est proportionata ad talis potentiae operationem.
Iª q. 76 a. 8 ad 5
Ad quintum dicendum quod una pars corporis dicitur esse principalior quam alia, propter potentias diversas quarum sunt organa partes corporis. Quae enim est principalioris potentiae organum, est principalior pars corporis, vel quae etiam eidem potentiae principalius deservit.