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Summe der Theologie
Erster Artikel. Manche menschliche Wandlung ist gut und manche schlecht.
a) Es scheint, daß alle menschlichen Handlungen gut seien. Denn: I. Dionysius sagt (de div. nom. 4.): „Das Übel wirkt nur kraft des Guten.“ Aus der Kraft des Guten aber folgt kein Übel. Also ist keine Handlung schlecht. II. Nichts wirkt außer insoweit es thatsächliches Sein hat. Vom Übel aber ist nichts außer soweit es des thatsächlichen Seins bar ist; soweit nämlich das Vermögen durch das Thätigsein vollendet wird, ist es gut, wie Aristoteles (metaph. 9.) sagt. Nichts also ist thätig als etwas Übles, sondern insoweit es etwas Gutes ist. Also ist keine Handlung böse, sondern eine jede ist gut. III. Etwas Übles kann als solches nicht aus eigener Kraft Ursache sein, sondern nur insoweit von außen etwas (zufällig) oder insoweit eine Beziehung hinzutritt — per accidens; wie Dionysius (de div. nom. 4.) schreibt. Jede Handlung hat aber eine Wirkung aus eigener Kraft; wie das Sehen per se die Wirkung des Auges ist. Also ist jede Handlung gut. Auf der anderen Seite heißt es bei Joh. 3, 20.: „Wer übel thut, haßt das Licht.“
b) Ich antworte, man müsse über das Gute und Schlechte in den Handlungen sprechen wie über das Gute und Schlechte in den Dingen; da ja jegliches Ding ebenso thätig ist, wie es Sein hat. In den Dingen nun hat ein jedes so viel an Gutem wie an Sein. Denn „Gut“ und „Sein“ werden wechselseitig voneinander ausgesagt; was gut ist, das hat insoweit Sein; und umgekehrt, wie dies in I. Kap. 5, Art. 3. auseinandergesetzt worden. Nun hat Gott allein die ganze Fülle seines Seins in ganz und gar einiger und einfacher Weise; jegliches Ding aber hat eine gewisse beschränkte Vollendung des Seins, das ihm zukommt in mannigfacher Weise,nämlich gemäß der Teilnahme an verschiedenen Vollkommenheiten. Demgemäß geschieht es, daß manche Dinge nach der einen Beziehung Sein haben und daß nach der anderen Seite hin ihnen etwas mangelt zur Vollendung jenes Seins, was ihnen zukommt. So z. B. wird zur Vollendung des menschlichen Seins erfordert, daß es eine Zusammensetzung sei von Seele und Leib, die da besitze alle zur Kenntnis und zur Bewegung benötigten Vermögen und Organe. Fehlt davon etwas einem Menschen, so fehlt ihm etwas von der Vollendung seines Seins. So viel er also vom Sein hat, so viel hat er vom Guten. Insofern ihm jedoch etwas mangelt von der Vollendung im Sein, entfernt er sich von dem Guten und das wird als „Übel“ bezeichnet; wie z. B. der Blinde von der Vollendung im Sein dies hat, daß er lebt, ein Übel aber es für ihn ist, daß er des Sehens entbehrt; hätte er aber gar nichts vom Sein oder vom Guten, so wäre weder vom Übel die Rede noch vom Guten. Weil nun zur Natur des Guten gehört die Vollendung selber im Sein, so wird etwas nicht einfach und ohne Einschränkung oder Bedingung als gut bezeichnet, sobald ihm etwas mangelt von der Vollendung, welche seinem Sein gebührt; vielmehr ist es dann nur nach einer Richtung hin gut, nämlich soweit es thatsächliches Sein hat. Es wird jedoch einfach und ohne Einfchränkung und Bedingung von ihm ausgefagt, daß es ist; und nur nach einer gewissen Seite hin wird es als nichtseiend bezeichnet; wie dies 1. Kap. 5, Art. 1. ad I. dargelegt worden. So also muß man sagen, daß jegliche Handlung insoweit am Guten teilhat wie am Sein. Insofern ihr aber etwas fehlt von der Vollendung des Seins, welche der menschlichen Handlung gebührt, entfernt sie sich vom Guten und wird als „schlecht“ bezeichnet; z. B. wenn ihr der gemäß der Vernunft bestimmte Umfang fehlt oder der gebührende Platz oder etwas dergleichen.
c) I. Das Üble wirkt wohl kraft des Guten; aber an diesem Guten mangelt etwas. Wäre nämlich nichts Gutes da, so wäre überhaupt nichts vorhanden und könnte man auch nicht wirken. Fehlte aber nicht etwas am Guten, so bestände kein Übel. Also ist auch die gewirkte Handlung etwas Gutes, dem jedoch ein Mangel anhaftet; denn nach einer gewissen Seite ist da etwas Gutes. Weil aber ein Mangel vorhanden ist und somit die gebührende Vollendung fehlt, welche die Natur des Guten ausmacht, so besteht hier etwas schlechthin Übles. II. Nichts steht dem entgegen, daß etwas nach einer gewissen Seite hin thatsächliches Sein habe, gemäß dem es thätig sein kann; und nach einer Seite hin des thatsächlichen Seins entbehre, gemäß dem im Thätigsein etwas mangelt. So hat z. B. der Blinde die Fähigkeit zu gehen und kann somit wandeln; insofern er aber des Sehens entbehrt, was ihn führen sollte im Wandeln, wohnt seinem Wandeln ein Mangel inne, denn er wandelt tastend und sonach unsicher. III. Die schlechte Handlung kann von sich heraus, aus eigenem Vermögen, eine Wirkung haben, insoweit sie am Guten und am Sein teilnimmt; wie z. B. der Ehebruch die Ursache der Erzeugung eines Menschen ist, soweit in ihm Mann und Weib sich geschlechtlich verbinden; nicht aber soweit er der von der Vernunft erfaßten Ordnung entbehrt.
Edition
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Summa theologiae
Articulus 1
Iª-IIae q. 18 a. 1 arg. 1
Ad primum sic proceditur. Videtur quod omnis actio hominis sit bona, et nulla sit mala. Dicit enim Dionysius, IV cap. de Div. Nom., quod malum non agit nisi virtute boni. Sed virtute boni non fit malum. Ergo nulla actio est mala.
Iª-IIae q. 18 a. 1 arg. 2
Praeterea, nihil agit nisi secundum quod est actu. Non est autem aliquid malum secundum quod est actu, sed secundum quod potentia privatur actu, inquantum autem potentia perficitur per actum, est bonum, ut dicitur in IX Metaphys. Nihil ergo agit inquantum est malum, sed solum inquantum est bonum. Omnis ergo actio est bona, et nulla mala.
Iª-IIae q. 18 a. 1 arg. 3
Praeterea, malum non potest esse causa nisi per accidens, ut patet per Dionysium, IV cap. de Div. Nom. Sed omnis actionis est aliquis per se effectus. Nulla ergo actio est mala, sed omnis actio est bona.
Iª-IIae q. 18 a. 1 s. c.
Sed contra est quod dominus dicit, Ioan. III, omnis qui male agit, odit lucem. Est ergo aliqua actio hominis mala.
Iª-IIae q. 18 a. 1 co.
Respondeo dicendum quod de bono et malo in actionibus oportet loqui sicut de bono et malo in rebus, eo quod unaquaeque res talem actionem producit, qualis est ipsa. In rebus autem unumquodque tantum habet de bono, quantum habet de esse, bonum enim et ens convertuntur, ut in primo dictum est. Solus autem Deus habet totam plenitudinem sui esse secundum aliquid unum et simplex, unaquaeque vero res alia habet plenitudinem essendi sibi convenientem secundum diversa. Unde in aliquibus contingit quod quantum ad aliquid habent esse, et tamen eis aliquid deficit ad plenitudinem essendi eis debitam. Sicut ad plenitudinem esse humani requiritur quod sit quoddam compositum ex anima et corpore, habens omnes potentias et instrumenta cognitionis et motus, unde si aliquid horum deficiat alicui homini deficit ei aliquid de plenitudine sui esse. Quantum igitur habet de esse, tantum habet de bonitate, inquantum vero aliquid ei deficit de plenitudine essendi, intantum deficit a bonitate, et dicitur malum, sicut homo caecus habet de bonitate quod vivit, et malum est ei quod caret visu. Si vero nihil haberet de entitate vel bonitate, neque malum neque bonum dici posset. Sed quia de ratione boni est ipsa plenitudo essendi, si quidem alicui aliquid defuerit de debita essendi plenitudine, non dicetur simpliciter bonum, sed secundum quid, inquantum est ens, poterit tamen dici simpliciter ens et secundum quid non ens, ut in primo dictum est. Sic igitur dicendum est quod omnis actio, inquantum habet aliquid de esse, intantum habet de bonitate, inquantum vero deficit ei aliquid de plenitudine essendi quae debetur actioni humanae, intantum deficit a bonitate, et sic dicitur mala, puta si deficiat ei vel determinata quantitas secundum rationem, vel debitus locus, vel aliquid huiusmodi.
Iª-IIae q. 18 a. 1 ad 1
Ad primum ergo dicendum quod malum agit in virtute boni deficientis. Si enim nihil esset ibi de bono, neque esset ens, neque agere posset. Si autem non esset deficiens, non esset malum. Unde et actio causata est quoddam bonum deficiens, quod secundum quid est bonum, simpliciter autem malum.
Iª-IIae q. 18 a. 1 ad 2
Ad secundum dicendum quod nihil prohibet aliquid esse secundum quid in actu, unde agere possit; et secundum aliud privari actu, unde causet deficientem actionem. Sicut homo caecus actu habet virtutem gressivam, per quam ambulare potest, sed inquantum caret visu, qui dirigit in ambulando, patitur defectum in ambulando, dum ambulat cespitando.
Iª-IIae q. 18 a. 1 ad 3
Ad tertium dicendum quod actio mala potest habere aliquem effectum per se, secundum id quod habet de bonitate et entitate. Sicut adulterium est causa generationis humanae, inquantum habet commixtionem maris et feminae, non autem inquantum caret ordine rationis.