Sechster Artikel. Der Liebende thut Alles, was er thut, auf Grund seiner Liebe.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Die Liebe ist eine Leidenschaft. Nicht aber Alles, was der Mensch thut, das thut er aus Leidenschaft; sondern Manches aus freier Wahl, Manches auch aus Unwissenheit. II. Das Begehren ist das Princip der Bewegung und der Thätigkeit in den sinnbegabten Wesen, nach 3. de anima. Thut also jeder, welcher etwas thut, dies immer aus Liebe, so sind alle übrigen Leidenschaften überflüssig. III. Nichts wird verursacht von zwei schroffen Gegensätzen. Vieles aber thun wir aus Haß. Also geschieht nicht Alles aus Liebe. Auf der anderen Seite sagt Dionysius (4 de div. nom.): „Alle Wesen thun was sie thun auf Grund der Liebe.“
b) Ich antworte; jedes Wesen, was thätig ist, wirkt um eines Zweckes willen. Der Zweck aber für jegliches ist nichts Anderes wie das verlangte und geliebte Gut. Also offenbar geschieht Alles, was geschieht, auf Grund irgend einer Liebe.
c) I. Jene Liebe ist die sinnliche. Wir aber sprechen hier von Liebe im allgemeinen, wie sie die vier Stufen: die rein geistige, die menschlich vernünftige, die sinnliche und rein natürliche einschließt. II. Von der Liebe geht aus das Verlangen, die Trauer etc. wie oben gesagt worden. Jegliche Thätigkeit also, die von einer Leidenschaft herrührt, geht als vom ersten Princip aus von der Liebe. Die anderen Leidenschaften sind die nächst unmittelbaren Ursachen. III. Haß folgt aus Liebe, vgl. unten.
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