Neunter Artikel. Der Name Gott ist unmitteilbar.
a) Dies scheint vollständig unrichtig zu sein. Denn: I. Wem die Sache mitgeteilt wird, welche der Name bezeichnet, dem kann auch der entsprechenbe Name gegeben werden. Dieser Name „Gott“ aber bezeichnet die göttliche Natur, welche vielen mitgeteilt wird; wie Petrus (1,4.) sagt: „Große und kostbare Verheißungen sind uns unverdient geworden; damit wir dadurch zu Teilnehmern werden an der göttlichen Natur.“ Also kann auch der Name „Gott“ mitgeteilt werden. II. Nur die Eigennamen sind nicht mitteilbar. Dieser Name aber „Gott“ ist kein Eigenname, wie z. B. Petrus; sondern ein Titel oder Zusatz, wie das daraus hervorgeht, daß er eine Mehrzahl hat. „Ich sprach: Götter seid ihr,“ heißt es ja Ps. 81. Also ist dieser Name mitteilbar. III. Der Name „Gott“ wird Gott beigelegt von seiner Thätigkeit her, der göttlichen Fürsorge. Andere Namen aber, welche von der Thätigkeit her Gott beigelegt werden, sind mitteilbar, wie „gut“, „weise“ etc. Warum also der Name „Gott“ nicht? Auf der anderen Seite sagt das Buch der Weisheit (14, 21.): „Holz und Stein haben sie gegeben den unmitteilbaren Namen: Gott.“
b) Ich antworte, daß ein Name in zweifacher Weise mitteilbar ist: einmal im eigentlichen Sinne; dann in der Weise einer Ähnlichkeit. Im eigentlichen Sinne mitteilbar ist ein Name, der dem Ganzen nach, was er bezeichnet, vielen Dingen zukommen kann. In der Weise einer Ähnlichkeit ist er mitteilbar, insoweit das, was er bezeichnet, nicht sowohl dem Ganzen nach, sondern nur einer Eigenschaft gemäß, welche darin enthalten ist, mitgeteilt werden kann. So wird dieser Name „Löwe“ allem jenem Sein im eigentlichen Sinne beigelegt, worin die Natur „Löwe“ sich vorfindet; er wird uneigentlich, einer gewissen Ähnlichkeit zufolge, jeglichem Sein beigelegt, worin sich nur etwas, etwa eine Eigenschaft des Löwen, findet wie die Kühnheit oder die Stärke; dies ist die figürliche Anwendung des Namens „Löwe“. Dabei muß nun erwogen werden, welche Art von Namen im eigentlichen Sinne mitteilbar sind. Und um das zu bestimmen, erinnere man sich, daß jegliche Form, welche von einem besonderen Einzelwesen, als vom suppositum, getragen als einzelne existiert, vielen Dingen gemeinsam ist, sei es in der Wirklichkeit sei es wenigstens in der Auffassung der Vernunft. So ist die menschliche Natur vielen Menschen gemeinsam in Wirklichkeit und zugleich nach der Auffassung der Vernunft; die Natur der Sonne aber ist nicht vielen gemeinsam in Wirklichkeit, jedoch kann sie von der Vernunft gedacht werden als in vielen existierend. Denn die Vernunft erkennt die Natur jeglicher Gattung, indem sie dieselbe vom einzelnen loslöst. Sonach steht das Existieren in einem Suppositum oder als ein einziges Exemplar in der Wirklichkeit — und das Existieren in mehreren supposita oder in mehreren Exemplaren außerhalb des Verständnisses, welches die Vernunft von der allgemeinen Natur der Gattung hat; dieselbe sieht von einzelnem und mehrerem ab. Und es kann somit das Verständnis der Natur der Gattung ganz wohl bestehen mit mehreren Exemplaren derselben Gattung. Aber anders verhält es sich mit dem, was im engsten Sinne Princip des besonderen Einzelsein ist; mit dem also, woher das einzelne es hat, ein einzelnes zu sein. Das ist der eigensten Natur nach vom anderen geschieden. Jeder Name, der da beigelegt wird, um ein einzelnes als etwas einzelnes zu bezeichnen, ist seiner Natur nach unmitteilbar, sowohl der Wirklichkeit als der Auffassung der Vernunft nach. Denn es kann gar nicht aufgefaßt werden die Mehrzahl dieses einzelnen Individuums. Kein Name also, welcher zur Bezeichnung eines Individuums dient, ist mitteilbar im eigentlichen Sinne, sondern nur nach Maßgabe einer gewissen Ähnlichkeit; wie z. B. jemand Achilles genannt werden kann, weil er in der Tapferkeit dem Achilles ähnlich ist. Jene Formen und Naturen nun, welche nicht durch ein ihnen fremdes Princip, wie den Stoff, Einzelexistenz erlangen, sondern in sich selber dieses Princip haben; die also dadurch zugleich als einzelne selbständige existieren, daß sie Formen oder Naturen sind, wie z. B. die reinen Geister, könnten nicht mitteilbar sein, weder der Wirklichkeit noch der Auffassung der Vernunft nach, wenn sie an und für sich selbst, soweit sie in sich selber sind, verstanden würden; oder höchstens nach Maßgabe einer Ähnlichkeit, wie dies über die Individuen bereits gesagt worden. Wir können jedoch solche rein einfache Formen und Naturen nicht verstehen, soweit sie in sich selber Sein haben, sondern fassen sie auf nach Weise der zusammengesetzten Dinge, deren Form und Natur im Stoffe sich vorfindet. Und deshalb geben wir ihnen entsprechende Namen, welche konkret eine Natur oder Form bezeichnen als eine im Stoffe existierende. Und somit ist, soweit allein es auf die Namen ankommt, unsere Weise sie beizulegen ganz dieselbe für die Bezeichnung der Natur der zusammengesetzten Dinge und für die Bezeichnung der Natur jener einfachen, für sich ohne Stoff bestehenden Formen. So also, da dieser Name „Gott“ beigelegt worden, um die göttliche Natur zu bezeichnen, diese aberer thatsächlich mitteilbar nicht ist, folgt notwendig daraus, daß dieser Name „Gott“ der Wirklichkeit nach, die er bezeichnet, mitteilbar nicht ist. Das hindert aber keineswegs, daß, da dieser Name von der Natur Gottes kommt und die Natur oder Wesensform als solche immer als eine mitteilbare gedacht werden kann, daß, sage ich, der Name „Gott“ in der Meinung der Menschen mitteilbar sein kann; daß die Menschen mehrere sich denken können, welche die Natur Gottes haben; wie man sich mehrere Einzelexistenzen denken kann, welche die Natur der Sonne hätten, so daß mehrere Sonnen wären. Und so heißt es Gal. 6.: „Denen, die kraft ihrer Natur nicht Götter sind, dienet ihr,“ wozu die Glosse bemerkt: „Götter nicht der Natur nach, sondern in der Meinung der Menschen.“ Nichtsdestoweniger ist auch thatsächlich dieser Name „Gott“ mitteilbar, nicht zwar nach dem Ganzen, was er bezeichnet; sondern nach Maßgabe einer gewissen Ähnlichkeit, so daß „Götter“ genannt werden, die an irgend etwas Göttlichem der Ähnlichkeit nach Anteil haben. Wenn es jedoch einen Namen gäbe, der zur Bezeichnung Gottes diente; nicht von seiten der Natur oder Substanz Gottes, nicht also auf Grund der Vollkommenheiten, welche Gott anderem Sein mitteilt, sondern auf Grund der eigenen Subsistenz, jenes Princips also. wodurch Er dieses „einzelne Etwas“ ist und getrennt von allem dasteht; nicht von seiten der Ursächlichkeit sonach, sondern auf Grund seines abgeschlossenen Fürsichbestehens, so würde dieser Name, der von da her Gott beigelegt wäre, nach allen Seiten hin, auch was Ähnlichkeit betrifft, unmitteilbar sein; wie dies vielleicht das Tetragrammaton der Juden war. Es wäre also dann ebenso als wenn ich jemand einen Namen gebe, einzig und allein insoweit er dieses Einzelwesen, z. B. Petrus, ist. I. Die Natur Gottes ist nur auf Grund einer gewissen Ähnlichkeit mitteilbar. II. Dieser Name „Gott“ ist kein Eigenname, wie Petrus, Achilles; denn er bezeichnet die göttliche Natur als eine, welche in Gott ist, obgleich Gott in Wirklichkeit seiner Natur nach weder allgemein noch im Sinne des Kreatürlichen einzeln ist. Denn die Namen entsprechen nicht unmittelbar und direkt der wirklichen Seinsweise; sondern der uns eigenen Erkenntmsweise. Und doch ist der Name unmitleilbar — das erkennen wir — wenn die uns zugängliche Wirklichkeit erwogen wird. III. Diese Namen „gut“, „weise“ sind wohl Gott beigelegt von den Vollkommenheiten her, die von Gott ihren Ausgang haben in die Kreaturen; nicht aber sind sie beigelegt zur Bezeichnung der göttlichen Substanz, sondern der entsprechenden Vollkommenheiten selbst, wie diese unumschränkt in Gott sind. Und deshalb sind sie auch der Wirklichkeit nach vielem Sein mitteilbar. Dieser Name „Gott“ aber ist beigelegt von der Gott allein eigentümlichen Thätigkeit her, welche wir beständig erfahren und er dient zur Bezeichnung der göttlichen Natur.
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