Dritter Artikel. Die Hoffnung und die Erinnerung verursachen Ergötzen.
a) Dem widerspricht: I. Damascenus (2. de orth. fide 13.), der da sagt, nur das gegenwärtige Gut bereite Ergötzen. II. Die Hoffnung ist Ursache der Traurigkeit, denn Prov. 13. heißtes: „Die Hoffnung, welche aufgeschoben wird, betrübt die Seele.“ Also ist sie nicht zugleich Ursache der Ergötzlichleit. III. Wie die Hoffnung, so hat auch die Begierlichkeit und die Liebe zu ihrem Gegenstande das Gute. Also darf nicht die Hoffnung vorzugsweise als Ursache des Ergötzens bezeichnet werden. Auf der anderen Seite sagt Paulus (Röm. 12.): „Kraft der Hoffnung freuet euch;“ und Ps. 76 heißt es: „Ich erinnerte mich Gottes und ergötzte mich.“
b) Ich antworte, Ergötzen wird verursacht durch die Gegenwart des zukömmlichen Gutes, insoweit dieses empfunden oder wie auch immer wahrgenommen wird. Nun ist etwas gegenwärtig entweder gemäß der Kenntnis, denn das Erkannte ist im Erkennenden; oder gemäß der Wirklichkeit, insofern das Eine mit dem Anderen verbunden erscheint dem thatsächlichen Sein nach oder dem Vermögen nach oder sonstwie. Und weil die Verbindung gemäß der Wirklichkeit größer ist als die gemäß einer Ähnlichkeit wie in der Kenntnis; und die Verbindung dem thatsächlichen Sein nach größer wie die dem Vermögen nach, so steht jene Ergötzlichkeit an erster Stelle, welche vermittelst der Sinne sich vollzieht, die also die Gegenwart des sinnlich wahrnehmbaren Gegenstandes erfordert. An zweiter Stelle steht das Ergötzen der Hoffnung, wo nicht nur die Verbindung mit dem Ergötzlichen sich vollzieht nach der Kenntnis, sondern auch gemäß der Möglichkeit, das ergötzliche Gut zu erreichen. An dritter Stelle steht das Ergötzen, welches von der Erinnerung herrührt; denn da ist nur gemäß der Auffassung die Gegenwart des Gegenstandes.
c) I. Nach einer gewissen Seite hin wird bei der Hoffnung und der Erinnerung der Gegenstand gegenwärtig: nämlich nach der Auffassung und der Möglichkeit des Besitzes oder nur nach der Auffassung. II. Ein und dasselbe kann ganz wohl unter verschiedenen Gesichtspunkten Gegensätzliches verursachen. So verursacht die Hoffnung, insoweit sie für die Gegenwart das erwartete Gut als etwas sicher Erreichbares hinstellt, Ergötzen; soweit sie aber dieses selbe Gut als augenblicklich noch nicht besessen darstellt, verursacht sie Betrübnis. III. Auch die Liebe als die Einigung zwischen Liebendem und Geliebtem verursacht Ergötzen; ebenso die Begierlichkeit als Begehren nach Ergötzen. Bei der Hoffnung aber kommt noch dieser Umstand in Betracht, daß sie eine gewisse Sicherheit für die einstmalige Gegenwart des ergötzlichen Gutes einschließt.
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